keit. Auch Michael Sutzo. der Hospodar der Moldau, wird bei Prokesch wesentlich anders beurtheilt, als in der "Geschichte des neunzehnten Jahr¬ hunderts."
Der erste Differenzpunkt von größerer Tragweite, die Verschiedenartig¬ keit der Stellung, welche die beiden in Rede stehenden Historiker den Kaiser Alexander zu Upsilanti einnehmen lassen, nachdem dieser den russischen Mo¬ narchen von den Schritten zur Verwirklichung seines Planes in Kenntniß gesetzt hat, hängt mit diesen Abweichungen bezüglich der Vorgeschichte ziem, lich eng zusammen. Während Gervinus, getreu seiner in den früheren Bän¬ den der "Geschichte" niedergelegten Charakteristik Alexanders, in dem an Bpsilanti gerichteten Absagebrief eine "vergoldete Pille", einen Akt "schmäh¬ licher und gedankenloser Gewissenlosigkeit und Halbheit", eine Veranlassung zur "Fortdauer eines sinnlosen Kampfes und blutiger Gräuel, der nutzlosen Hinopfnung einer begeisterten edlen Jugend, des Ruins der Fürstenthümer" sieht (a. a. O. B. V, x. 163), urtheilt der östreichische Diplomat, den man schwerlich der Connivenz gegen Rußland und dessen griechischen, Metternich tief verhaßten Minister in Verdacht haben wird, sehr viel maßvoller und günstiger. Die ehrliche Meinung des Kaisers steht für Prokesch außer Frage, von Kapodistrias heißt es, derselbe sei zwar ein langjähriger Freund, aber kein Mitverschworener Upsilantis, nicht einmal der Vertraute von dessen tollkühnen Unternehmungen gewesen. "Kapodistrias", heißt es weiter, .^wünschte die Loslösung der Griechen vom türkischen Reiche, aber die lang¬ same, naturgemäße, den Erfolg durch den Ueberfluß der Mittel verbürgende Loslösung.....und wußte besser als irgend jemand, daß ein eigentlicher Aufruhr und blutiger Aufstand nie und nimmermehr von dem Monarchen, dem er diente, gebilligt werden würde" u. f. w. Während Gervinus den russischen Kaiser auch im weiteren Verlauf für einen halben Anhänger und Begünstiger der griechischen Sache ansieht, der sich eigentlich nur aus'An- standsrücksichten nicht offen zu derselben bekennt, hält Prokesch den Stand- Punkt des Kaisers von dem seiner Diener stets auseinander, indem er des Kaisers angebliche Sympathien für die Hetäristen auf dessen nothwendige Rücksicht gegen die Wünsche der eigenen Nation und Armee zurückführt.
Für die Geschichte des Verlaufs der diplomatischen Verhandlungen von . 1821 bis 182S und deren Auffassung ist diese Verschiedenheit in der persön¬ lichen Beurtheilung Alexanders von bedeutungsvollen Konsequenzen: der Glaube an des Kaisers persönliche Abneigung gegen eine Betheiligung am Aufstande ist eine der Voraussetzungen, aus welchen Metternich handelte und von der Annahme oder Ablehnung derselben, ist die Kritik über dieses Mi- nisters diplomatischen Feldzugsplan wenigstens bis zu einem gewissen Grade abhängig.
Grenzboten II. 1868. 3V
keit. Auch Michael Sutzo. der Hospodar der Moldau, wird bei Prokesch wesentlich anders beurtheilt, als in der „Geschichte des neunzehnten Jahr¬ hunderts."
Der erste Differenzpunkt von größerer Tragweite, die Verschiedenartig¬ keit der Stellung, welche die beiden in Rede stehenden Historiker den Kaiser Alexander zu Upsilanti einnehmen lassen, nachdem dieser den russischen Mo¬ narchen von den Schritten zur Verwirklichung seines Planes in Kenntniß gesetzt hat, hängt mit diesen Abweichungen bezüglich der Vorgeschichte ziem, lich eng zusammen. Während Gervinus, getreu seiner in den früheren Bän¬ den der „Geschichte" niedergelegten Charakteristik Alexanders, in dem an Bpsilanti gerichteten Absagebrief eine „vergoldete Pille", einen Akt „schmäh¬ licher und gedankenloser Gewissenlosigkeit und Halbheit", eine Veranlassung zur „Fortdauer eines sinnlosen Kampfes und blutiger Gräuel, der nutzlosen Hinopfnung einer begeisterten edlen Jugend, des Ruins der Fürstenthümer" sieht (a. a. O. B. V, x. 163), urtheilt der östreichische Diplomat, den man schwerlich der Connivenz gegen Rußland und dessen griechischen, Metternich tief verhaßten Minister in Verdacht haben wird, sehr viel maßvoller und günstiger. Die ehrliche Meinung des Kaisers steht für Prokesch außer Frage, von Kapodistrias heißt es, derselbe sei zwar ein langjähriger Freund, aber kein Mitverschworener Upsilantis, nicht einmal der Vertraute von dessen tollkühnen Unternehmungen gewesen. „Kapodistrias", heißt es weiter, .^wünschte die Loslösung der Griechen vom türkischen Reiche, aber die lang¬ same, naturgemäße, den Erfolg durch den Ueberfluß der Mittel verbürgende Loslösung.....und wußte besser als irgend jemand, daß ein eigentlicher Aufruhr und blutiger Aufstand nie und nimmermehr von dem Monarchen, dem er diente, gebilligt werden würde" u. f. w. Während Gervinus den russischen Kaiser auch im weiteren Verlauf für einen halben Anhänger und Begünstiger der griechischen Sache ansieht, der sich eigentlich nur aus'An- standsrücksichten nicht offen zu derselben bekennt, hält Prokesch den Stand- Punkt des Kaisers von dem seiner Diener stets auseinander, indem er des Kaisers angebliche Sympathien für die Hetäristen auf dessen nothwendige Rücksicht gegen die Wünsche der eigenen Nation und Armee zurückführt.
Für die Geschichte des Verlaufs der diplomatischen Verhandlungen von . 1821 bis 182S und deren Auffassung ist diese Verschiedenheit in der persön¬ lichen Beurtheilung Alexanders von bedeutungsvollen Konsequenzen: der Glaube an des Kaisers persönliche Abneigung gegen eine Betheiligung am Aufstande ist eine der Voraussetzungen, aus welchen Metternich handelte und von der Annahme oder Ablehnung derselben, ist die Kritik über dieses Mi- nisters diplomatischen Feldzugsplan wenigstens bis zu einem gewissen Grade abhängig.
Grenzboten II. 1868. 3V
<TEI><text><body><div><divn="1"><pbfacs="#f0237"corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117769"/><pxml:id="ID_762"prev="#ID_761"> keit. Auch Michael Sutzo. der Hospodar der Moldau, wird bei Prokesch<lb/>
wesentlich anders beurtheilt, als in der „Geschichte des neunzehnten Jahr¬<lb/>
hunderts."</p><lb/><pxml:id="ID_763"> Der erste Differenzpunkt von größerer Tragweite, die Verschiedenartig¬<lb/>
keit der Stellung, welche die beiden in Rede stehenden Historiker den Kaiser<lb/>
Alexander zu Upsilanti einnehmen lassen, nachdem dieser den russischen Mo¬<lb/>
narchen von den Schritten zur Verwirklichung seines Planes in Kenntniß<lb/>
gesetzt hat, hängt mit diesen Abweichungen bezüglich der Vorgeschichte ziem,<lb/>
lich eng zusammen. Während Gervinus, getreu seiner in den früheren Bän¬<lb/>
den der „Geschichte" niedergelegten Charakteristik Alexanders, in dem an<lb/>
Bpsilanti gerichteten Absagebrief eine „vergoldete Pille", einen Akt „schmäh¬<lb/>
licher und gedankenloser Gewissenlosigkeit und Halbheit", eine Veranlassung<lb/>
zur „Fortdauer eines sinnlosen Kampfes und blutiger Gräuel, der nutzlosen<lb/>
Hinopfnung einer begeisterten edlen Jugend, des Ruins der Fürstenthümer"<lb/>
sieht (a. a. O. B. V, x. 163), urtheilt der östreichische Diplomat, den man<lb/>
schwerlich der Connivenz gegen Rußland und dessen griechischen, Metternich<lb/>
tief verhaßten Minister in Verdacht haben wird, sehr viel maßvoller und<lb/>
günstiger. Die ehrliche Meinung des Kaisers steht für Prokesch außer Frage,<lb/>
von Kapodistrias heißt es, derselbe sei zwar ein langjähriger Freund, aber<lb/>
kein Mitverschworener Upsilantis, nicht einmal der Vertraute von dessen<lb/>
tollkühnen Unternehmungen gewesen. „Kapodistrias", heißt es weiter,<lb/>
.^wünschte die Loslösung der Griechen vom türkischen Reiche, aber die lang¬<lb/>
same, naturgemäße, den Erfolg durch den Ueberfluß der Mittel verbürgende<lb/>
Loslösung.....und wußte besser als irgend jemand, daß ein eigentlicher<lb/>
Aufruhr und blutiger Aufstand nie und nimmermehr von dem Monarchen,<lb/>
dem er diente, gebilligt werden würde" u. f. w. Während Gervinus den<lb/>
russischen Kaiser auch im weiteren Verlauf für einen halben Anhänger und<lb/>
Begünstiger der griechischen Sache ansieht, der sich eigentlich nur aus'An-<lb/>
standsrücksichten nicht offen zu derselben bekennt, hält Prokesch den Stand-<lb/>
Punkt des Kaisers von dem seiner Diener stets auseinander, indem er des<lb/>
Kaisers angebliche Sympathien für die Hetäristen auf dessen nothwendige<lb/>
Rücksicht gegen die Wünsche der eigenen Nation und Armee zurückführt.</p><lb/><pxml:id="ID_764"> Für die Geschichte des Verlaufs der diplomatischen Verhandlungen von .<lb/>
1821 bis 182S und deren Auffassung ist diese Verschiedenheit in der persön¬<lb/>
lichen Beurtheilung Alexanders von bedeutungsvollen Konsequenzen: der<lb/>
Glaube an des Kaisers persönliche Abneigung gegen eine Betheiligung am<lb/>
Aufstande ist eine der Voraussetzungen, aus welchen Metternich handelte und<lb/>
von der Annahme oder Ablehnung derselben, ist die Kritik über dieses Mi-<lb/>
nisters diplomatischen Feldzugsplan wenigstens bis zu einem gewissen Grade<lb/>
abhängig.</p><lb/><fwtype="sig"place="bottom"> Grenzboten II. 1868. 3V</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[0237]
keit. Auch Michael Sutzo. der Hospodar der Moldau, wird bei Prokesch
wesentlich anders beurtheilt, als in der „Geschichte des neunzehnten Jahr¬
hunderts."
Der erste Differenzpunkt von größerer Tragweite, die Verschiedenartig¬
keit der Stellung, welche die beiden in Rede stehenden Historiker den Kaiser
Alexander zu Upsilanti einnehmen lassen, nachdem dieser den russischen Mo¬
narchen von den Schritten zur Verwirklichung seines Planes in Kenntniß
gesetzt hat, hängt mit diesen Abweichungen bezüglich der Vorgeschichte ziem,
lich eng zusammen. Während Gervinus, getreu seiner in den früheren Bän¬
den der „Geschichte" niedergelegten Charakteristik Alexanders, in dem an
Bpsilanti gerichteten Absagebrief eine „vergoldete Pille", einen Akt „schmäh¬
licher und gedankenloser Gewissenlosigkeit und Halbheit", eine Veranlassung
zur „Fortdauer eines sinnlosen Kampfes und blutiger Gräuel, der nutzlosen
Hinopfnung einer begeisterten edlen Jugend, des Ruins der Fürstenthümer"
sieht (a. a. O. B. V, x. 163), urtheilt der östreichische Diplomat, den man
schwerlich der Connivenz gegen Rußland und dessen griechischen, Metternich
tief verhaßten Minister in Verdacht haben wird, sehr viel maßvoller und
günstiger. Die ehrliche Meinung des Kaisers steht für Prokesch außer Frage,
von Kapodistrias heißt es, derselbe sei zwar ein langjähriger Freund, aber
kein Mitverschworener Upsilantis, nicht einmal der Vertraute von dessen
tollkühnen Unternehmungen gewesen. „Kapodistrias", heißt es weiter,
.^wünschte die Loslösung der Griechen vom türkischen Reiche, aber die lang¬
same, naturgemäße, den Erfolg durch den Ueberfluß der Mittel verbürgende
Loslösung.....und wußte besser als irgend jemand, daß ein eigentlicher
Aufruhr und blutiger Aufstand nie und nimmermehr von dem Monarchen,
dem er diente, gebilligt werden würde" u. f. w. Während Gervinus den
russischen Kaiser auch im weiteren Verlauf für einen halben Anhänger und
Begünstiger der griechischen Sache ansieht, der sich eigentlich nur aus'An-
standsrücksichten nicht offen zu derselben bekennt, hält Prokesch den Stand-
Punkt des Kaisers von dem seiner Diener stets auseinander, indem er des
Kaisers angebliche Sympathien für die Hetäristen auf dessen nothwendige
Rücksicht gegen die Wünsche der eigenen Nation und Armee zurückführt.
Für die Geschichte des Verlaufs der diplomatischen Verhandlungen von .
1821 bis 182S und deren Auffassung ist diese Verschiedenheit in der persön¬
lichen Beurtheilung Alexanders von bedeutungsvollen Konsequenzen: der
Glaube an des Kaisers persönliche Abneigung gegen eine Betheiligung am
Aufstande ist eine der Voraussetzungen, aus welchen Metternich handelte und
von der Annahme oder Ablehnung derselben, ist die Kritik über dieses Mi-
nisters diplomatischen Feldzugsplan wenigstens bis zu einem gewissen Grade
abhängig.
Grenzboten II. 1868. 3V
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:
Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.
Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;
Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/237>, abgerufen am 24.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.