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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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die Reden Jesu, sowie seine ausdrückliche Zusage einer kurzen Geschichte
der neutestamentlichen Kritik mit Neugierde warten heißt.

Auch diese Arbeit lehrt, welche Fortschritte die Kritik auf dem Gebiete
der vorzugsweise conservativen Theologie gemacht hat. Aber noch werden
die gescheuten und freisinnigen Männer dieser Wissenschaft durch die Sehn¬
sucht beirrt, so viel als möglich von der heiligen Tradition in das helle Licht
der Geschichte zu retten. Man möchte jetzt Charakter und Bildung des Er¬
lösers, als des Normalmenschen, analisiren. Wir aber sind vor diesen Er¬
scheinungen der Ansicht, daß der große Gelehrte, welcher das epochemachende
"Leben Jesu" geschrieben, und auch seinen Gegnern ein stiller Lehrer gewor¬
den ist, nicht zu wenig geschont hat, sondern hier und da noch zu viel.




Die deutsche SchillerMung.

Diese Blätter haben bei einer frühern Veranlassung über die Zwecke der
Schillerstiftung und die denselben im Laufe der Zeit gewordene Auslegung
ausführlich Bericht erstattet. Es scheint angemessen, die weitere Entwickelung,
welche die Sache genommen hat, an dieser selben Stelle auf Anlaß der un¬
längst in Wien abgehaltenen Generalversammlung zu besprechen.

Vorausgeschickt sei, daß in diesem Augenblicke der Stiftung zu ihrem
Segen der so wünschenswerthe innere Frieden zurückgegeben ist, von einer
Polemik gegen gewisse Persönlichkeiten und Tendenzen also abgesehen wer¬
den kann.

Wir setzen als bekannt voraus, daß die weimar'sche Verroaltungsperiode
die erste fünfjährige Periode seit der definitiven Constituirung der Stiftung
war. In Dresden im Frühjahr 1855 durch Dr. Hammer zuerst angeregt,
hatte die Schillerstiftung bis zum Spätherbst 1857 in Dresden ihren provi'
sorischen Centralpunkt gehabt. Die damals durch die ebendaselbst zusammen¬
getretene Generalversammlung festgestellten Statuten der Stiftung bestimm¬
ten, daß der Vorort von 5 zu 5 Jahren ein anderer sein müsse.

Im Laufe jener ersten fünfjährigen Verwaltungsperiode Vorort Weimar
war nun eine Anzahl Zweigstistungen dem obligatorischen Wechsel des Vororts
abhold geworden, da Weimar nach Ansicht jener Zweigstiftungen, die Aus¬
gaben der Schillerstiftung in eine würdige Bahn zu lenken beflissen war,
ein anderer Vorort aber möglicherweise der eingeschlagenen Richtung eine
abweichende substituiren werde. Andere Zweigstiftungen sahen mit Besorgniß
auf die Methode der Verwaltung zu Weimar.

Diese Besorgniß war um so begründeter, als sich gegen die von Weimar
eingeführte "Darbietung von Ehrengaben" an verdienstvolle Dichter, ohne


die Reden Jesu, sowie seine ausdrückliche Zusage einer kurzen Geschichte
der neutestamentlichen Kritik mit Neugierde warten heißt.

Auch diese Arbeit lehrt, welche Fortschritte die Kritik auf dem Gebiete
der vorzugsweise conservativen Theologie gemacht hat. Aber noch werden
die gescheuten und freisinnigen Männer dieser Wissenschaft durch die Sehn¬
sucht beirrt, so viel als möglich von der heiligen Tradition in das helle Licht
der Geschichte zu retten. Man möchte jetzt Charakter und Bildung des Er¬
lösers, als des Normalmenschen, analisiren. Wir aber sind vor diesen Er¬
scheinungen der Ansicht, daß der große Gelehrte, welcher das epochemachende
„Leben Jesu" geschrieben, und auch seinen Gegnern ein stiller Lehrer gewor¬
den ist, nicht zu wenig geschont hat, sondern hier und da noch zu viel.




Die deutsche SchillerMung.

Diese Blätter haben bei einer frühern Veranlassung über die Zwecke der
Schillerstiftung und die denselben im Laufe der Zeit gewordene Auslegung
ausführlich Bericht erstattet. Es scheint angemessen, die weitere Entwickelung,
welche die Sache genommen hat, an dieser selben Stelle auf Anlaß der un¬
längst in Wien abgehaltenen Generalversammlung zu besprechen.

Vorausgeschickt sei, daß in diesem Augenblicke der Stiftung zu ihrem
Segen der so wünschenswerthe innere Frieden zurückgegeben ist, von einer
Polemik gegen gewisse Persönlichkeiten und Tendenzen also abgesehen wer¬
den kann.

Wir setzen als bekannt voraus, daß die weimar'sche Verroaltungsperiode
die erste fünfjährige Periode seit der definitiven Constituirung der Stiftung
war. In Dresden im Frühjahr 1855 durch Dr. Hammer zuerst angeregt,
hatte die Schillerstiftung bis zum Spätherbst 1857 in Dresden ihren provi'
sorischen Centralpunkt gehabt. Die damals durch die ebendaselbst zusammen¬
getretene Generalversammlung festgestellten Statuten der Stiftung bestimm¬
ten, daß der Vorort von 5 zu 5 Jahren ein anderer sein müsse.

Im Laufe jener ersten fünfjährigen Verwaltungsperiode Vorort Weimar
war nun eine Anzahl Zweigstistungen dem obligatorischen Wechsel des Vororts
abhold geworden, da Weimar nach Ansicht jener Zweigstiftungen, die Aus¬
gaben der Schillerstiftung in eine würdige Bahn zu lenken beflissen war,
ein anderer Vorort aber möglicherweise der eingeschlagenen Richtung eine
abweichende substituiren werde. Andere Zweigstiftungen sahen mit Besorgniß
auf die Methode der Verwaltung zu Weimar.

Diese Besorgniß war um so begründeter, als sich gegen die von Weimar
eingeführte „Darbietung von Ehrengaben" an verdienstvolle Dichter, ohne


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[0224] die Reden Jesu, sowie seine ausdrückliche Zusage einer kurzen Geschichte der neutestamentlichen Kritik mit Neugierde warten heißt. Auch diese Arbeit lehrt, welche Fortschritte die Kritik auf dem Gebiete der vorzugsweise conservativen Theologie gemacht hat. Aber noch werden die gescheuten und freisinnigen Männer dieser Wissenschaft durch die Sehn¬ sucht beirrt, so viel als möglich von der heiligen Tradition in das helle Licht der Geschichte zu retten. Man möchte jetzt Charakter und Bildung des Er¬ lösers, als des Normalmenschen, analisiren. Wir aber sind vor diesen Er¬ scheinungen der Ansicht, daß der große Gelehrte, welcher das epochemachende „Leben Jesu" geschrieben, und auch seinen Gegnern ein stiller Lehrer gewor¬ den ist, nicht zu wenig geschont hat, sondern hier und da noch zu viel. Die deutsche SchillerMung. Diese Blätter haben bei einer frühern Veranlassung über die Zwecke der Schillerstiftung und die denselben im Laufe der Zeit gewordene Auslegung ausführlich Bericht erstattet. Es scheint angemessen, die weitere Entwickelung, welche die Sache genommen hat, an dieser selben Stelle auf Anlaß der un¬ längst in Wien abgehaltenen Generalversammlung zu besprechen. Vorausgeschickt sei, daß in diesem Augenblicke der Stiftung zu ihrem Segen der so wünschenswerthe innere Frieden zurückgegeben ist, von einer Polemik gegen gewisse Persönlichkeiten und Tendenzen also abgesehen wer¬ den kann. Wir setzen als bekannt voraus, daß die weimar'sche Verroaltungsperiode die erste fünfjährige Periode seit der definitiven Constituirung der Stiftung war. In Dresden im Frühjahr 1855 durch Dr. Hammer zuerst angeregt, hatte die Schillerstiftung bis zum Spätherbst 1857 in Dresden ihren provi' sorischen Centralpunkt gehabt. Die damals durch die ebendaselbst zusammen¬ getretene Generalversammlung festgestellten Statuten der Stiftung bestimm¬ ten, daß der Vorort von 5 zu 5 Jahren ein anderer sein müsse. Im Laufe jener ersten fünfjährigen Verwaltungsperiode Vorort Weimar war nun eine Anzahl Zweigstistungen dem obligatorischen Wechsel des Vororts abhold geworden, da Weimar nach Ansicht jener Zweigstiftungen, die Aus¬ gaben der Schillerstiftung in eine würdige Bahn zu lenken beflissen war, ein anderer Vorort aber möglicherweise der eingeschlagenen Richtung eine abweichende substituiren werde. Andere Zweigstiftungen sahen mit Besorgniß auf die Methode der Verwaltung zu Weimar. Diese Besorgniß war um so begründeter, als sich gegen die von Weimar eingeführte „Darbietung von Ehrengaben" an verdienstvolle Dichter, ohne

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/224>, abgerufen am 15.01.2025.