Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.treten zu lassen. Am meisten dürfte dem diesem Bedürfnisse der Strauß'sche Die pectorale Stellung des Herrn Keim zu der Person Christi, übt treten zu lassen. Am meisten dürfte dem diesem Bedürfnisse der Strauß'sche Die pectorale Stellung des Herrn Keim zu der Person Christi, übt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0220" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/117752"/> <p xml:id="ID_690" prev="#ID_689"> treten zu lassen. Am meisten dürfte dem diesem Bedürfnisse der Strauß'sche<lb/> Christus der milden Heiterkeit entsprechen, den auch Verfasser S, 468 wür¬<lb/> digt, und noch mehr der Schleiermacher'sche mit der genialen Planlosigkeit<lb/> (das Wort eum ^raro saug verstanden). ^</p><lb/> <p xml:id="ID_691" next="#ID_692"> Die pectorale Stellung des Herrn Keim zu der Person Christi, übt<lb/> ihren Einfluß auch auf die Stellung zu den Berichten über sein Leben<lb/> aus. Nicht als ob Verfasser eine weitgehende Quellenkritik scheuen würde,<lb/> die jedoch, wie es scheint, noch nicht bis zu einer Unterscheidung päulinischer<lb/> und blos deuteropaulinischer Briefe geht: — wer sich aber mit der Gemeinde<lb/> in der frommen Verehrung ihres Christus, wenn auch hie und da etwas noth¬<lb/> dürftig zusammen findet, der muß nothwendig auch die Quellen, aus denen<lb/> dieselbe ihre Erbauung schöpft, annähernd heilig halten. Und so kommt<lb/> es, daß der Respect und die Pietät, mit der unser Buch die heilige Sage<lb/> des Urchristenthums betrachtet, gegen den trockenen und kalten, wohl auch<lb/> respectswidrigen Ton der radicalen Kritik sehr gemüthlich und phrasenhaft<lb/> absticht. Da sind die mythischen Gebilde „schön und sinnig", da ist die absichts-<lb/> los dichtende Sage des Mythikers zur „sinnenden Sage" geworden; da wird<lb/> gewissenhaft den psychologischen Motiven der unhistorisch befundenen Erzäh¬<lb/> lungen nachgegangen, da ist es „die Religion, die um die Anfänge des<lb/> Herrn den reichsten Sagenkranz gewunden hat"; da ist die Verherrlichung<lb/> einer so eminenten Thatsache, wie die Geburt Jesu, durch die Phan¬<lb/> tasie „ein menschlicher Deutungsversuch, bet dem es sich eher fragt, ob er<lb/> nicht viel zu wenig, als ob er nicht zu viel enthalte"; da ist die Jung¬<lb/> fraugeburt unter anderm ein Erzeugniß „der erhabenen, religiös frischen<lb/> und ewig wahren Anschauung: ein hervorragendes Menschenleben ist nie blos<lb/> als Frucht rein menschlicher Geburt, sondern als That Gottes in der Welt<lb/> zu betrachten"; da kann dem Lucas seine Irrung in der Berechnung der<lb/> Geburtszeit Jesu „mit Rücksicht auf die ideale Schönheit und Wahrheit<lb/> des Gedankens, daß Jesus zur Zeit der vollendeten Knechtung, aber auch der<lb/> Einreihung seines Volks ins Weltreich geboren sei, verziehen werden." Solche<lb/> Zurechtlegungen an den neutestamentlichen Sagen sind ein nothwendiger<lb/> Ausfluß eines Standpunkts, für den die Geschichte Jesu eine in specifischem<lb/> Sinn göttliche Position ist. Die Tradition über eine auf diesem Wege ge¬<lb/> heiligte Geschichte, selbst wenn sie noch soviel Unwirkliches enthalten würde,<lb/> ist immerhin der Niederschlag einer ursprünglich von Gott selbst speciell aus¬<lb/> gehenden Bewegung, während ein gewöhnliches Geschehen, wenn auch noch<lb/> so außerordentlicher Art, nur die profane Phantasie erregen könnte. Wenn<lb/> es aber mit dem transscendenten Ursprung der Geschichte Jesu nichts ist, wenn<lb/> außer und um ihn sich alles natürlich und in ihm und bei ihm sich alles<lb/> von Anfang an menschlich entwickelt hat, so bleibt an der Mythe, welche</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0220]
treten zu lassen. Am meisten dürfte dem diesem Bedürfnisse der Strauß'sche
Christus der milden Heiterkeit entsprechen, den auch Verfasser S, 468 wür¬
digt, und noch mehr der Schleiermacher'sche mit der genialen Planlosigkeit
(das Wort eum ^raro saug verstanden). ^
Die pectorale Stellung des Herrn Keim zu der Person Christi, übt
ihren Einfluß auch auf die Stellung zu den Berichten über sein Leben
aus. Nicht als ob Verfasser eine weitgehende Quellenkritik scheuen würde,
die jedoch, wie es scheint, noch nicht bis zu einer Unterscheidung päulinischer
und blos deuteropaulinischer Briefe geht: — wer sich aber mit der Gemeinde
in der frommen Verehrung ihres Christus, wenn auch hie und da etwas noth¬
dürftig zusammen findet, der muß nothwendig auch die Quellen, aus denen
dieselbe ihre Erbauung schöpft, annähernd heilig halten. Und so kommt
es, daß der Respect und die Pietät, mit der unser Buch die heilige Sage
des Urchristenthums betrachtet, gegen den trockenen und kalten, wohl auch
respectswidrigen Ton der radicalen Kritik sehr gemüthlich und phrasenhaft
absticht. Da sind die mythischen Gebilde „schön und sinnig", da ist die absichts-
los dichtende Sage des Mythikers zur „sinnenden Sage" geworden; da wird
gewissenhaft den psychologischen Motiven der unhistorisch befundenen Erzäh¬
lungen nachgegangen, da ist es „die Religion, die um die Anfänge des
Herrn den reichsten Sagenkranz gewunden hat"; da ist die Verherrlichung
einer so eminenten Thatsache, wie die Geburt Jesu, durch die Phan¬
tasie „ein menschlicher Deutungsversuch, bet dem es sich eher fragt, ob er
nicht viel zu wenig, als ob er nicht zu viel enthalte"; da ist die Jung¬
fraugeburt unter anderm ein Erzeugniß „der erhabenen, religiös frischen
und ewig wahren Anschauung: ein hervorragendes Menschenleben ist nie blos
als Frucht rein menschlicher Geburt, sondern als That Gottes in der Welt
zu betrachten"; da kann dem Lucas seine Irrung in der Berechnung der
Geburtszeit Jesu „mit Rücksicht auf die ideale Schönheit und Wahrheit
des Gedankens, daß Jesus zur Zeit der vollendeten Knechtung, aber auch der
Einreihung seines Volks ins Weltreich geboren sei, verziehen werden." Solche
Zurechtlegungen an den neutestamentlichen Sagen sind ein nothwendiger
Ausfluß eines Standpunkts, für den die Geschichte Jesu eine in specifischem
Sinn göttliche Position ist. Die Tradition über eine auf diesem Wege ge¬
heiligte Geschichte, selbst wenn sie noch soviel Unwirkliches enthalten würde,
ist immerhin der Niederschlag einer ursprünglich von Gott selbst speciell aus¬
gehenden Bewegung, während ein gewöhnliches Geschehen, wenn auch noch
so außerordentlicher Art, nur die profane Phantasie erregen könnte. Wenn
es aber mit dem transscendenten Ursprung der Geschichte Jesu nichts ist, wenn
außer und um ihn sich alles natürlich und in ihm und bei ihm sich alles
von Anfang an menschlich entwickelt hat, so bleibt an der Mythe, welche
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