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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.

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Die deutschen Eisenbahngesellschaften haben theils formell, theils factisch
von den Staatsregierungen Monopole erhalten. Formell wurde ihnen
ein Monopol meist durch die Concessionsurkunde zugesichert, indem diese
Concurrenzlinien ausschloß, factisch wurde ihnen ein solches durch die Expro¬
priation des vortheilhaftesten Terrains gewährt.

Vom volkswirthschaftlichen Gesichtspunkte aus besteht der nächste Zweck
des gesammten Gewerbewesens in der möglichst vollständigen und möglichst
wohlfeilen Herbeischaffung aller von den Gesellschaftsgliedern begehrten Er¬
zeugnisse der Gewerbeproduction. Beeinträchtigungen dieses Zweckes gehen
zumeist vom Monopoliengeiste aus und streiten gegen den Grundsatz der
Gerechtigkeit, nach welchem kein Glied der Gesellschaft an der freien Be¬
wegung seiner Kräfte verhindert werden darf, so lang es die gleich freie Be¬
nutzung der Kräfte anderer nicht gefährdet. Von einer möglichst wohlfeilen
Versorgung der Gesellschaft kann nur da die Rede sein, wo keine specielle
Ausschließungen der allgemeinen Concurrenz zur Bevorzugung Einzelner statt¬
finden. -- Specielle Bevorrechtungen einzelner Körperschaften und Personen
werden Monopole genannt. Je größer die Anzahl derer ist, welche sich mit
der Herbeischaffung eines Gewerbeproductes beschäftigen, desto größer wird
die Menge der sich darbietenden Gelegenheiten und destoweniger wird zu be¬
fürchten sein, daß mit den Anforderungen für dieselben über die Selbstkosten
und den Produetionspreis zu weit hinaus gegangen werde. Gegen Ueber¬
theuerung schützt allenthalben nur die freie Concurrenz.

Wenn uns demgemäß unsere Untersuchung dahin führt, jede Be¬
schränkung der allgemeinen Concurrenz und jede Bevorrechtung einzelner
Körperschaften Monopol zu nennen, so wollen wir hiermit keineswegs be¬
haupten, daß die Rechtsverhältnisse, welche die Beziehungen unserer Eisen¬
bahnen regeln, überall und ausschließlich diesem Monopoliengeiste ihr Ent¬
stehen verdanken, wir wollen hiermit nur den Charakter bezeichnen, den die¬
selben gegenwärtig an sich tragen.

Dieser Charakter wird auch durch die Bestimmungen des Gesetzes vom
3. November 1838 über die Verhältnisse der Eisenbahngesellschaften zum
Staate und zum Publikum ausdrücklich bestätigt. Diese Bestimmungen
haben im wesentlichen folgenden Inhalt:

1. Für die ersten drei Jahre nach dem auf die Eröffnung einer Bahn
folgenden 1. Januar wird der Gesellschaft das Recht zugestanden, ohne Zu¬
lassung eines Concurrenten den Transportbetrieb allein zu exploi-
tiren. Nach Ablauf der ersten drei Jahre kann das Handelsministerium
auch andere zum Transportbetriebe auf der Bahn gegen Entrichtung des
Bahngeldes oder einer zu regulirenden Concession berechtigen.

2. Die Anlage einer zweiten Eisenbahn durch andere Unternehmer,
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Die deutschen Eisenbahngesellschaften haben theils formell, theils factisch
von den Staatsregierungen Monopole erhalten. Formell wurde ihnen
ein Monopol meist durch die Concessionsurkunde zugesichert, indem diese
Concurrenzlinien ausschloß, factisch wurde ihnen ein solches durch die Expro¬
priation des vortheilhaftesten Terrains gewährt.

Vom volkswirthschaftlichen Gesichtspunkte aus besteht der nächste Zweck
des gesammten Gewerbewesens in der möglichst vollständigen und möglichst
wohlfeilen Herbeischaffung aller von den Gesellschaftsgliedern begehrten Er¬
zeugnisse der Gewerbeproduction. Beeinträchtigungen dieses Zweckes gehen
zumeist vom Monopoliengeiste aus und streiten gegen den Grundsatz der
Gerechtigkeit, nach welchem kein Glied der Gesellschaft an der freien Be¬
wegung seiner Kräfte verhindert werden darf, so lang es die gleich freie Be¬
nutzung der Kräfte anderer nicht gefährdet. Von einer möglichst wohlfeilen
Versorgung der Gesellschaft kann nur da die Rede sein, wo keine specielle
Ausschließungen der allgemeinen Concurrenz zur Bevorzugung Einzelner statt¬
finden. — Specielle Bevorrechtungen einzelner Körperschaften und Personen
werden Monopole genannt. Je größer die Anzahl derer ist, welche sich mit
der Herbeischaffung eines Gewerbeproductes beschäftigen, desto größer wird
die Menge der sich darbietenden Gelegenheiten und destoweniger wird zu be¬
fürchten sein, daß mit den Anforderungen für dieselben über die Selbstkosten
und den Produetionspreis zu weit hinaus gegangen werde. Gegen Ueber¬
theuerung schützt allenthalben nur die freie Concurrenz.

Wenn uns demgemäß unsere Untersuchung dahin führt, jede Be¬
schränkung der allgemeinen Concurrenz und jede Bevorrechtung einzelner
Körperschaften Monopol zu nennen, so wollen wir hiermit keineswegs be¬
haupten, daß die Rechtsverhältnisse, welche die Beziehungen unserer Eisen¬
bahnen regeln, überall und ausschließlich diesem Monopoliengeiste ihr Ent¬
stehen verdanken, wir wollen hiermit nur den Charakter bezeichnen, den die¬
selben gegenwärtig an sich tragen.

Dieser Charakter wird auch durch die Bestimmungen des Gesetzes vom
3. November 1838 über die Verhältnisse der Eisenbahngesellschaften zum
Staate und zum Publikum ausdrücklich bestätigt. Diese Bestimmungen
haben im wesentlichen folgenden Inhalt:

1. Für die ersten drei Jahre nach dem auf die Eröffnung einer Bahn
folgenden 1. Januar wird der Gesellschaft das Recht zugestanden, ohne Zu¬
lassung eines Concurrenten den Transportbetrieb allein zu exploi-
tiren. Nach Ablauf der ersten drei Jahre kann das Handelsministerium
auch andere zum Transportbetriebe auf der Bahn gegen Entrichtung des
Bahngeldes oder einer zu regulirenden Concession berechtigen.

2. Die Anlage einer zweiten Eisenbahn durch andere Unternehmer,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_362043/15>, abgerufen am 15.01.2025.