Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. II. Band.Prüfen wir diese Ergebnisse näher, so werden wir gewahr, daß die Be¬ Die Eisenbahnen haben das alterthümliche Institut der Frachtwagen auf Allerdings bestehen Reglements, welche den Verwaltungen Richtschnur Wir sind weit entfernt, der staatlichen Bevormundung das Wort zu Eine solche scheint uns aber den Eisenbahnen gegenüber nicht gegeben. Anders war das zu den Zeiten vor Aufhebung der Leibeigenschaft, als den Herren das Recht zustand, die Arbeitskraft ihrer Leute zu vermiethen. In andern Gegenden, z, B. den Ostscc- provuizen, ist der Tagelohn wiederum zufolge der raschen Fortschritte, welche die Landwirthschaft d D. R. en letzten Jahren gemacht hat. ziemlich hoch. , Grenzboten II. 1868. 2
Prüfen wir diese Ergebnisse näher, so werden wir gewahr, daß die Be¬ Die Eisenbahnen haben das alterthümliche Institut der Frachtwagen auf Allerdings bestehen Reglements, welche den Verwaltungen Richtschnur Wir sind weit entfernt, der staatlichen Bevormundung das Wort zu Eine solche scheint uns aber den Eisenbahnen gegenüber nicht gegeben. Anders war das zu den Zeiten vor Aufhebung der Leibeigenschaft, als den Herren das Recht zustand, die Arbeitskraft ihrer Leute zu vermiethen. In andern Gegenden, z, B. den Ostscc- provuizen, ist der Tagelohn wiederum zufolge der raschen Fortschritte, welche die Landwirthschaft d D. R. en letzten Jahren gemacht hat. ziemlich hoch. , Grenzboten II. 1868. 2
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Prüfen wir diese Ergebnisse näher, so werden wir gewahr, daß die Be¬
triebseinnahmen in England und Frankreich ungleich brillantere Resultate
lieferten als in Deutschland, weil ihre Tarife billiger sind und eben
deshalb die Massen der Bevölkerung wie der Güter die Bahnen benutzen.
Während die Bruttoeinnahme in Deutschland nur 88,100 Thlr. per Meile
beträgt, ist sie in England 80,300 Thlr. und in Frankreich 87,300 Thlr.
per Meile.
Die Eisenbahnen haben das alterthümliche Institut der Frachtwagen auf
den größeren Routen unmöglich gemacht und sich Ac ka,ceo ein Monopol
geschaffen, das die Interessen des ganzen versendenden und empfangenden
Publicums in ihre Hände gibt. Der bisherigen Art der Benutzung dieses
Monopols ist es zuzuschreiben, daß die Einnahmen der deutschen Eisenbah¬
nen hinter denen des Auslandes zurückgeblieben sind und daß diese Bahnen
das Interesse des Publikums vielfach geschädigt haben.
Allerdings bestehen Reglements, welche den Verwaltungen Richtschnur
ihres Handelns sind, und die Bedingungen des Vertrages zwischen Versender
und Frachtführer bilden sollen, —sehen wir dieselben aber näher an^ so
finden wir wohl die ehemals den Fuhrleuten auferlegenen Verpflichtungen
in allgemeinen Zügen wieder, jedoch dermaßen verklausulirt, daß thatsächlich
die größere Summe von Rechten aus Seiten der Bahnverwaltungen ist,
während die Berechtigung der Versender und Empfänger bis zum Verschwinden
eng begrenzt und so formulirt wird, daß der Gedanke nahe liegt: „Alle Berechti¬
gung auf der einen, alle Verpflichtung auf der anderen Seite." Es ist in der
That fraglich, ob diese Reglements auch ferner geeignet sind, als Grundlage
des durch die Unterzeichnung des Frachtbriefes entstandenen Vertrages zu
dienen. Freiwillige Verträge können die auf Grund der Reglements zwischen
Eisenbahndirectionen und Versendern geschlossenen Uebereinkommen nicht ge¬
nannt werden: thatsächlich ist der Versender von der Möglichkeit ausgeschlossen,
andere Frachtgelegenheiten zu benutzen und die Bedingungen, denen er sich
bei Benutzung der Bahnen zu fügen hat. sind ihm so strict vorgeschrieben
daß er nicht daran denken kann, dieselben zu modificiren.'
Wir sind weit entfernt, der staatlichen Bevormundung das Wort zu
reden, im Gegentheil wir halten die freieste und selbständigste Bewegung
der Industrie und des Handels für Grundbedingung einer gedeihlichen Ent¬
wickelung.
Eine solche scheint uns aber den Eisenbahnen gegenüber nicht gegeben.
Anders war das zu den Zeiten vor Aufhebung der Leibeigenschaft, als den Herren das Recht
zustand, die Arbeitskraft ihrer Leute zu vermiethen. In andern Gegenden, z, B. den Ostscc-
provuizen, ist der Tagelohn wiederum zufolge der raschen Fortschritte, welche die Landwirthschaft
d D. R. en letzten Jahren gemacht hat. ziemlich hoch. ,
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