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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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allein schon der botanische und der zoologische Garten Hamburgs; fast sämmt¬
liche Fächer der Naturwissenschaft dürften aus den Welthandelsbeziehungen
dieser Stadt Förderung gewärtigen. Was ist dort im Vergleich mit Kiel
sür die Botanik, die Zoologie, Geologie und Mineralogie, die Erdkunde, die
Meteorologie zu leisten, zu gewinnen! Um nur eins der entlegensten Fächer,
die Pharmakognofie herauszugreifen, sür dasselbe fände sich eine nie versie¬
gende Auswahl bester, stets neu zu ersetzender Stoffe.

Der großartige, wahrhaft patriotische Sinn der Bürger Hamburgs,
welcher an den beiden Instituten des zoologischen und botanischen Gartens
sowie den übrigen mit dem dortigen akademischen Gymnasium verbundenen
Anstalten in immer steigendem Maße sich bewährt hat, er würde sicherlich auch
den umfassenderen naturwissenschaftlichen Aufgaben und Bedürfnissen einer
Universität gegenüber nicht fehlen. Keine Wissenschaft, am wenigsten die
Naturwissenschaft kann, um ihre Gegenstände zu gewinnen, nützlicher persön¬
licher Verbindung entrathen. Hier vermag schon der einzelne Kaufmann und
Rheder, welcher seine Schiffe in die fernsten Welttheile entsendet, der Wissen¬
schaft segensreiche Unterstützung zu gewähren. Rühmliches ist in dieser Rich¬
tung von Hamburg geschehen. Außer dem öffentlichen naturhistorischen Mu¬
seum birgt die Stadt über 30 bedeutendere naturwissenschaftliche Privat¬
sammlungen.

Nicht minder günstige Bedingungen würde die juristische Facultät vor¬
finden; hinsichtlich der handelsrechtlichen Disciplinen versteht sich dies von
selbst. Nicht zu unterschätzen aber wäre auch, daß die Lehrer aller Rechts¬
disciplinen, mitten im Verkehre des Welthandels, aus den unmittelbaren
Eindrücken des Rechtslebens, wie solches sich thatsächlich gestaltet, täglich
fruchtbare Anregung für sich würden schöpfen können. Welcher der Leser
etwa den Sitzungen des Handelsgerichts zu Hamburg beigewohnt hat, der
wird uns hierin seine Zustimmung nicht versagen. Gewiß ist es verkehrt,
den Lernenden aus der Universität gleichzeitig auch zum praktischen Geschäfts¬
manne ausbilden zu wollen; aber auch ohne eigentliches Studium, schon aus
der Berührung mit dem täglichen Leben allein würde der Rechtsbeflissene in
Hamburg sich soviel des praktischen Verständnisses von selber anzueignen Ge¬
legenheit haben, als er dem erreichten Bildungsgrade nach aufzunehmen be¬
rechtigt ist. Wie oft und schmerzlich vermißt der Hörer an der kleinen Uni¬
versität bei der Mehrzahl seiner Rechtslehrer eine wirklich praktische An¬
schauung, ein eigenes lebendiges Verständniß des mitgetheilten Lernstoffs.
Das ist ein Mangel der Verhältnisse selbst; wie könnte der Lehrer denn
solchen Vorzug gewinnen in den kleinen deutschen Universitätsorten, wo
vielleicht nur des strebsamen Ackerbürgers Unternehmungen der täglichen Be-
trachtung Stoff gewähren. Zur Lösung der großen gesetzgeberischen Aus-


Grenzboten IV. 18K8. 9

allein schon der botanische und der zoologische Garten Hamburgs; fast sämmt¬
liche Fächer der Naturwissenschaft dürften aus den Welthandelsbeziehungen
dieser Stadt Förderung gewärtigen. Was ist dort im Vergleich mit Kiel
sür die Botanik, die Zoologie, Geologie und Mineralogie, die Erdkunde, die
Meteorologie zu leisten, zu gewinnen! Um nur eins der entlegensten Fächer,
die Pharmakognofie herauszugreifen, sür dasselbe fände sich eine nie versie¬
gende Auswahl bester, stets neu zu ersetzender Stoffe.

Der großartige, wahrhaft patriotische Sinn der Bürger Hamburgs,
welcher an den beiden Instituten des zoologischen und botanischen Gartens
sowie den übrigen mit dem dortigen akademischen Gymnasium verbundenen
Anstalten in immer steigendem Maße sich bewährt hat, er würde sicherlich auch
den umfassenderen naturwissenschaftlichen Aufgaben und Bedürfnissen einer
Universität gegenüber nicht fehlen. Keine Wissenschaft, am wenigsten die
Naturwissenschaft kann, um ihre Gegenstände zu gewinnen, nützlicher persön¬
licher Verbindung entrathen. Hier vermag schon der einzelne Kaufmann und
Rheder, welcher seine Schiffe in die fernsten Welttheile entsendet, der Wissen¬
schaft segensreiche Unterstützung zu gewähren. Rühmliches ist in dieser Rich¬
tung von Hamburg geschehen. Außer dem öffentlichen naturhistorischen Mu¬
seum birgt die Stadt über 30 bedeutendere naturwissenschaftliche Privat¬
sammlungen.

Nicht minder günstige Bedingungen würde die juristische Facultät vor¬
finden; hinsichtlich der handelsrechtlichen Disciplinen versteht sich dies von
selbst. Nicht zu unterschätzen aber wäre auch, daß die Lehrer aller Rechts¬
disciplinen, mitten im Verkehre des Welthandels, aus den unmittelbaren
Eindrücken des Rechtslebens, wie solches sich thatsächlich gestaltet, täglich
fruchtbare Anregung für sich würden schöpfen können. Welcher der Leser
etwa den Sitzungen des Handelsgerichts zu Hamburg beigewohnt hat, der
wird uns hierin seine Zustimmung nicht versagen. Gewiß ist es verkehrt,
den Lernenden aus der Universität gleichzeitig auch zum praktischen Geschäfts¬
manne ausbilden zu wollen; aber auch ohne eigentliches Studium, schon aus
der Berührung mit dem täglichen Leben allein würde der Rechtsbeflissene in
Hamburg sich soviel des praktischen Verständnisses von selber anzueignen Ge¬
legenheit haben, als er dem erreichten Bildungsgrade nach aufzunehmen be¬
rechtigt ist. Wie oft und schmerzlich vermißt der Hörer an der kleinen Uni¬
versität bei der Mehrzahl seiner Rechtslehrer eine wirklich praktische An¬
schauung, ein eigenes lebendiges Verständniß des mitgetheilten Lernstoffs.
Das ist ein Mangel der Verhältnisse selbst; wie könnte der Lehrer denn
solchen Vorzug gewinnen in den kleinen deutschen Universitätsorten, wo
vielleicht nur des strebsamen Ackerbürgers Unternehmungen der täglichen Be-
trachtung Stoff gewähren. Zur Lösung der großen gesetzgeberischen Aus-


Grenzboten IV. 18K8. 9
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/77>, abgerufen am 05.02.2025.