Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.Widerspruch tritt zunächst darin hervor, daß die Universität gleichwie das l Die wissenschaftlichen Leistungen der kieler Hochschule während der letzten Widerspruch tritt zunächst darin hervor, daß die Universität gleichwie das l Die wissenschaftlichen Leistungen der kieler Hochschule während der letzten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0076" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287348"/> <p xml:id="ID_169" prev="#ID_168"> Widerspruch tritt zunächst darin hervor, daß die Universität gleichwie das<lb/> Leben und die Anschauungsweise der ganzen Schleswig-holsteinischen Provinz<lb/> lediglich unter dem bestimmenden Einfluß der hamburgischen Metropole selber<lb/> steht, während diese von der Universität hinwiederum gar Nichts zurück¬<lb/> empfängt; auch hat die manchmal spießbürgerliche Konfiguration der Wissen¬<lb/> schaft und ihrer Träger an kleinen Universitäten dem Geschmacke und der<lb/> Denkungsart des Großstädters wenig Behagliches. Ganz anders könnte es<lb/> sein, wenn in der deutschen Welthandelsstadt ein Centrum der Wissenschaft,<lb/> eine große Universität thätig wäre, welche, die materialistische Richtung ver¬<lb/> edelnd, die ungleich überlegneren großartigen Impulse des inneren und äuße¬<lb/> ren Lebens dieser Stadt und somit der Nation erhöhte und erweiterte. Wer<lb/> würde es denn erträglich finden, wenn etwa Berlin, das Herz Deutschlands,<lb/> das mächtige Fabrik- und Handelsemporium, ohne Hochschule sein sollte? Und<lb/> sind die Anrechte und Bedürfnisse Hamburgs so viel geringer? Auch den<lb/> Elbherzogthümern selbst würde die Hamburger Universität mehr werden als<lb/> eine Vorbereitungsanstalt Eingeborener behufs der Examina. Charakteristisch<lb/> ist z. B. für die kieler Universität, daß es von dort aus noch nicht versucht<lb/> worden ist, vor dem Publikum Hamburgs wissenschaftliche Vorträge zu halten,<lb/> während in Berlin die Mitglieder der Universität mit den Angehörigen der<lb/> übrigen wissenschaftlichen Anstalten hierin wetteifern. Und doch gibt es,<lb/> soviel uns bekannt, für solche Vorträge in ganz Deutschland kaum ein dank¬<lb/> bareres, lernbegierigeres Publikum als gerade dasjenige Hamburgs. Auf<lb/> bedeutende und tiefer liegende Mängel endlich deutet der Umstand, daß die<lb/> Hamburger ihre Söhne fast niemals in Kiel studiren lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_170" next="#ID_171"> l Die wissenschaftlichen Leistungen der kieler Hochschule während der letzten<lb/> Jahrzehnte einer eingehenden Würdigung zu unterziehen, ist nicht unsere<lb/> Absicht; schon weil wir selbst von dem guten Willen der Betheiligten so<lb/> viel verlangen, möchten wir hier nichts Hartes gesagt haben. Ohnehin<lb/> dürfte sich schwerlich gegen die Behauptung Widerspruch erheben, daß<lb/> eine Reihe wichtiger und umfassender Wissenszweige in Hamburg einer viel<lb/> größeren Entfaltung fähig wäre, als solche bisher in Kiel stattgefunden.<lb/> Der Umfang des Materiales, welches dort sich bietet und jetzt theils unbe¬<lb/> nutzt bleibt, theils nur ungenügend verarbeitet wird, ist außerordentlich. Wer<lb/> z. B. die Gebäude des allgemeinen Krankenhauses in der Vorstadt Se. Georg<lb/> gesehen, der weiß, was gemeint ist. Hier findet sich ein Reichthum des<lb/> Materials, mit welchem verglichen dasjenige, was in den kieler Hospitälern<lb/> vorkommt, nur als dürftig erscheint und wodurch der Lernende so wenig wie<lb/> der Lehrer selbst schließlich sich befriedigt fühlen kann. Derselben Fülle des<lb/> Stoffes wie die Medicin würden die Naturwissenschaften im weiteren Sinne<lb/> sich erfreuen. Was hierin die große Handelsstadt zu gewähren vermag, zeigt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0076]
Widerspruch tritt zunächst darin hervor, daß die Universität gleichwie das
Leben und die Anschauungsweise der ganzen Schleswig-holsteinischen Provinz
lediglich unter dem bestimmenden Einfluß der hamburgischen Metropole selber
steht, während diese von der Universität hinwiederum gar Nichts zurück¬
empfängt; auch hat die manchmal spießbürgerliche Konfiguration der Wissen¬
schaft und ihrer Träger an kleinen Universitäten dem Geschmacke und der
Denkungsart des Großstädters wenig Behagliches. Ganz anders könnte es
sein, wenn in der deutschen Welthandelsstadt ein Centrum der Wissenschaft,
eine große Universität thätig wäre, welche, die materialistische Richtung ver¬
edelnd, die ungleich überlegneren großartigen Impulse des inneren und äuße¬
ren Lebens dieser Stadt und somit der Nation erhöhte und erweiterte. Wer
würde es denn erträglich finden, wenn etwa Berlin, das Herz Deutschlands,
das mächtige Fabrik- und Handelsemporium, ohne Hochschule sein sollte? Und
sind die Anrechte und Bedürfnisse Hamburgs so viel geringer? Auch den
Elbherzogthümern selbst würde die Hamburger Universität mehr werden als
eine Vorbereitungsanstalt Eingeborener behufs der Examina. Charakteristisch
ist z. B. für die kieler Universität, daß es von dort aus noch nicht versucht
worden ist, vor dem Publikum Hamburgs wissenschaftliche Vorträge zu halten,
während in Berlin die Mitglieder der Universität mit den Angehörigen der
übrigen wissenschaftlichen Anstalten hierin wetteifern. Und doch gibt es,
soviel uns bekannt, für solche Vorträge in ganz Deutschland kaum ein dank¬
bareres, lernbegierigeres Publikum als gerade dasjenige Hamburgs. Auf
bedeutende und tiefer liegende Mängel endlich deutet der Umstand, daß die
Hamburger ihre Söhne fast niemals in Kiel studiren lassen.
l Die wissenschaftlichen Leistungen der kieler Hochschule während der letzten
Jahrzehnte einer eingehenden Würdigung zu unterziehen, ist nicht unsere
Absicht; schon weil wir selbst von dem guten Willen der Betheiligten so
viel verlangen, möchten wir hier nichts Hartes gesagt haben. Ohnehin
dürfte sich schwerlich gegen die Behauptung Widerspruch erheben, daß
eine Reihe wichtiger und umfassender Wissenszweige in Hamburg einer viel
größeren Entfaltung fähig wäre, als solche bisher in Kiel stattgefunden.
Der Umfang des Materiales, welches dort sich bietet und jetzt theils unbe¬
nutzt bleibt, theils nur ungenügend verarbeitet wird, ist außerordentlich. Wer
z. B. die Gebäude des allgemeinen Krankenhauses in der Vorstadt Se. Georg
gesehen, der weiß, was gemeint ist. Hier findet sich ein Reichthum des
Materials, mit welchem verglichen dasjenige, was in den kieler Hospitälern
vorkommt, nur als dürftig erscheint und wodurch der Lernende so wenig wie
der Lehrer selbst schließlich sich befriedigt fühlen kann. Derselben Fülle des
Stoffes wie die Medicin würden die Naturwissenschaften im weiteren Sinne
sich erfreuen. Was hierin die große Handelsstadt zu gewähren vermag, zeigt
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |