Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.Opposition -- alle diese Umstände zusammen lähmten den Widerstandsgeist, Seit 1863 mag die Universität wieder als ein bedeutenderer Factor in Erwies sich diese fortgesetzte Theilnahme an den politischen Dingen nach Hamburg-Altona mit etwa einer Viertelmillion Einwohner, die natür¬ Opposition — alle diese Umstände zusammen lähmten den Widerstandsgeist, Seit 1863 mag die Universität wieder als ein bedeutenderer Factor in Erwies sich diese fortgesetzte Theilnahme an den politischen Dingen nach Hamburg-Altona mit etwa einer Viertelmillion Einwohner, die natür¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0075" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287347"/> <p xml:id="ID_165" prev="#ID_164"> Opposition — alle diese Umstände zusammen lähmten den Widerstandsgeist,<lb/> und die Universität verlor in der Zeit von 1851—1863 nicht blos an poli¬<lb/> tischem Gewichte. Die politische Aufgabe ward damals von den besten<lb/> Kräften des Bürger- und Bauernstandes selbst aufgenommen, deren Führer<lb/> Th. Lehmann in den nationalen Bestrebungen des überelbischen Deutsch¬<lb/> lands im Anfang dieses Jahrzehnts eine Stütze suchte und fand.</p><lb/> <p xml:id="ID_166"> Seit 1863 mag die Universität wieder als ein bedeutenderer Factor in<lb/> den politischen Kämpfen wenigstens den Fernerstehenden erschienen sein. Der<lb/> Ausgang dieser Kämpfe ist bekannt; immerhin hat die Universität ihrer Pflicht<lb/> als deutsche Hochschule lediglich genügt, als sie sich den auf Trennung der<lb/> Herzogthümer von Dänemark gerichteten Bestrebungen anschloß. Wenn aber<lb/> dieselbe nachher sich verleiten ließ, als Corporation in den Streit, ob preußisch,<lb/> ob augustenburgisch einzutreten, so hat dies viele Fernstehende über die wirk¬<lb/> liche Sachlage derzeit nur irregeführt.</p><lb/> <p xml:id="ID_167"> Erwies sich diese fortgesetzte Theilnahme an den politischen Dingen nach<lb/> vollendeter Lösung der nationalen Aufgabe schon als ein Mißgriff, so kann<lb/> ganz selbstverständlich jetzt von einer politischen Bedeutung der kieler Univer¬<lb/> sität nicht mehr und nicht weniger die Rede sein als bei ihren gelehrten<lb/> Schwestern in den älteren Provinzen. Dies scheint so natürlich, daß eine<lb/> fernere Täuschung Einzelner hierüber nur einer gewissen Überspanntheit ent¬<lb/> springen kann, welche Jene die an sich selbst verspürte Berufung zur Politik<lb/> irrthümlich auf das Ganze der Corporation übertragen läßt; die kieler Uni¬<lb/> versität ist aber nicht mehr die deutsche Universität im dänischen Gesammt-<lb/> staate, und damit ist auch der hauptsächliche Grund hinweggefallen, welcher sie,<lb/> die geistige Festung der Herzogthümer in Kiel zu halten nöthigte. Und dieser<lb/> Beweggrund war seinerseits so überaus gewichtig, daß dawider alle sonstigen,<lb/> auch triftigen Erwägungen stets zurückgehalten werden mußten.</p><lb/> <p xml:id="ID_168" next="#ID_169"> Hamburg-Altona mit etwa einer Viertelmillion Einwohner, die natür¬<lb/> liche Hauptstadt der Herzogthümer, wohin die Bevölkerung Schleswig-Hol¬<lb/> steins ihre wichtigsten Handelsbeziehungen hat und wo die Einzelnen am<lb/> häufigsten persönlich verkehren, die Stadt wohin die Herzogthümer Jahr aus<lb/> Jahr ein die Blüthe ihrer Jugend in die Comptoirs zur Ausbildung ent¬<lb/> senden, mit der sie durch unzählige Bande des Blutes und der Interessen<lb/> verknüpft sind, von wo aus endlich ganz Schleswig-Holstein fast ausschlie߬<lb/> lich mit den täglichen Erzeugnissen der Presse versorgt wird — Hamburg-<lb/> Altona, obgleich der geistige und commercielle Mittelpunkt dieser Lande, muß<lb/> der Universität doch entbehren. Daß die Elbherzogthümer diesen inneren<lb/> Widerspruch bisher weniger empfunden haben, läßt sich allein, aber auch<lb/> vollständig aus jenem nationalen Interesse erklären, welches sie selbst an die<lb/> fortdauernde Erhaltung der Universität in der Stadt Kiel band. Der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0075]
Opposition — alle diese Umstände zusammen lähmten den Widerstandsgeist,
und die Universität verlor in der Zeit von 1851—1863 nicht blos an poli¬
tischem Gewichte. Die politische Aufgabe ward damals von den besten
Kräften des Bürger- und Bauernstandes selbst aufgenommen, deren Führer
Th. Lehmann in den nationalen Bestrebungen des überelbischen Deutsch¬
lands im Anfang dieses Jahrzehnts eine Stütze suchte und fand.
Seit 1863 mag die Universität wieder als ein bedeutenderer Factor in
den politischen Kämpfen wenigstens den Fernerstehenden erschienen sein. Der
Ausgang dieser Kämpfe ist bekannt; immerhin hat die Universität ihrer Pflicht
als deutsche Hochschule lediglich genügt, als sie sich den auf Trennung der
Herzogthümer von Dänemark gerichteten Bestrebungen anschloß. Wenn aber
dieselbe nachher sich verleiten ließ, als Corporation in den Streit, ob preußisch,
ob augustenburgisch einzutreten, so hat dies viele Fernstehende über die wirk¬
liche Sachlage derzeit nur irregeführt.
Erwies sich diese fortgesetzte Theilnahme an den politischen Dingen nach
vollendeter Lösung der nationalen Aufgabe schon als ein Mißgriff, so kann
ganz selbstverständlich jetzt von einer politischen Bedeutung der kieler Univer¬
sität nicht mehr und nicht weniger die Rede sein als bei ihren gelehrten
Schwestern in den älteren Provinzen. Dies scheint so natürlich, daß eine
fernere Täuschung Einzelner hierüber nur einer gewissen Überspanntheit ent¬
springen kann, welche Jene die an sich selbst verspürte Berufung zur Politik
irrthümlich auf das Ganze der Corporation übertragen läßt; die kieler Uni¬
versität ist aber nicht mehr die deutsche Universität im dänischen Gesammt-
staate, und damit ist auch der hauptsächliche Grund hinweggefallen, welcher sie,
die geistige Festung der Herzogthümer in Kiel zu halten nöthigte. Und dieser
Beweggrund war seinerseits so überaus gewichtig, daß dawider alle sonstigen,
auch triftigen Erwägungen stets zurückgehalten werden mußten.
Hamburg-Altona mit etwa einer Viertelmillion Einwohner, die natür¬
liche Hauptstadt der Herzogthümer, wohin die Bevölkerung Schleswig-Hol¬
steins ihre wichtigsten Handelsbeziehungen hat und wo die Einzelnen am
häufigsten persönlich verkehren, die Stadt wohin die Herzogthümer Jahr aus
Jahr ein die Blüthe ihrer Jugend in die Comptoirs zur Ausbildung ent¬
senden, mit der sie durch unzählige Bande des Blutes und der Interessen
verknüpft sind, von wo aus endlich ganz Schleswig-Holstein fast ausschlie߬
lich mit den täglichen Erzeugnissen der Presse versorgt wird — Hamburg-
Altona, obgleich der geistige und commercielle Mittelpunkt dieser Lande, muß
der Universität doch entbehren. Daß die Elbherzogthümer diesen inneren
Widerspruch bisher weniger empfunden haben, läßt sich allein, aber auch
vollständig aus jenem nationalen Interesse erklären, welches sie selbst an die
fortdauernde Erhaltung der Universität in der Stadt Kiel band. Der
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