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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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Verhältnisse und Lagen angewandt, in denen er. jenseits gewisser enger
Grenzen wenigstens, sinnlos wurde.

In der Idee könnte man sich allenfalls eine nicht ganz erfolglose Thä¬
tigkeit vorstellen, bei welcher nur Frauenhände mitwirkten. Man könnte sich
denken, daß es einem Verbände energischer, opferwilliger, begüterter und an¬
gesehener Damen z. B. gelänge, eine Art Hochschule für das weibliche Ge¬
schlecht oder eine medicinische Facultät für Studentinnen herzustellen. So
hohen Flug jedoch haben' auch die leipziger Führerinnen bisher nicht ge¬
nommen. Ihre Unterstützung des weiblichen Ringens nach wirthschaftlicher
Selbständigkeit beschränkt sich auf dieselben rein örtlichen Anstalten, wie sie
die gemischten Vereine anderer größerer Städte mit gleichem oder selbst noch
besserem Erfolg ins Leben gerufen haben. Ueber Leipzig hinaus wirken sie
blos literarisch anregend durch ihr Blatt und einmal im Jahre etwas stärker
durch den Frauentag. Was sie sowohl auf diesem als sonst im Laufe des
Jahres thun, um lästige Schranken niederzureißen, läuft im Wesentlichen dar¬
auf hinaus, Behörden und Körperschaften bittweise um dies oder das zu er¬
suchen. Alle die so angegangenen Körperschaften und Behörden bestehen aus
Männern. Hier findet die "Selbsthülfe der Frauen" also ihre Grenze. Wäre
es da nicht zweckmäßiger, die Heranziehung des männlichen Beistands schon
im Stadium der Berathung eintreten, das andere Geschlecht theilnehmen zu
lassen an der Ueberlegung. welcherlei Ziele zunächst und überhaupt ins Auge
gefaßt, welche Wege zu denselben hin eingeschlagen werden sollen? Es würde
darin doch wohl eine Bürgschaft mehr für die Wirkung solcher Schritte
liegen, wie sie bisher ziemlich erfolg- und eindrucklos gethan worden sind,
z. B. wegen Anstellung von Frauenzimmern im norddeutschen Post- und
Telegraphendienst oder wegen ihrer Zulassung zu den Prüfungen praktischer
Aerzte.

Alles in Allem genommen beschränken sich die Ergebnisse der deutschen
Bewegung bis jetzt aus einige Erleichterung der Lage des weiblichen Ge¬
schlechts in einer Anzahl meist größerer deutscher Städte. Anstalten zur
Nachweisung weiblicher Arbeitskraft und lohnender Beschäftigung für solche,
vorübergehende oder dauernde Ausstellungen weiblicher Arbeitsprodukte,
Schulen zur geschäftlichen Ausbildung junger Mädchen -- das sind so ziem¬
lich überall die Unternehmungen, welche von den bestehenden Vereinen zuerst
in die Hand genommen und mit dem meisten Glücke verfolgt worden sind.
Höhere und umfassendere Erfolge wird man wohl dann erst erwarten dürfen,
locum es gelingt, die jetzt isoltrt arbeitenden Vereine der norddeutschen Groß-
tädte in einer passenden Form zu ständigen Zusammenwirken zu verbinden.

Daß solche Erfolge möglich sind, daß es auch ohne jedes phantastische
Pinüberschweifen auf das politische oder sociale Gebiet für die Verbesse-


Verhältnisse und Lagen angewandt, in denen er. jenseits gewisser enger
Grenzen wenigstens, sinnlos wurde.

In der Idee könnte man sich allenfalls eine nicht ganz erfolglose Thä¬
tigkeit vorstellen, bei welcher nur Frauenhände mitwirkten. Man könnte sich
denken, daß es einem Verbände energischer, opferwilliger, begüterter und an¬
gesehener Damen z. B. gelänge, eine Art Hochschule für das weibliche Ge¬
schlecht oder eine medicinische Facultät für Studentinnen herzustellen. So
hohen Flug jedoch haben' auch die leipziger Führerinnen bisher nicht ge¬
nommen. Ihre Unterstützung des weiblichen Ringens nach wirthschaftlicher
Selbständigkeit beschränkt sich auf dieselben rein örtlichen Anstalten, wie sie
die gemischten Vereine anderer größerer Städte mit gleichem oder selbst noch
besserem Erfolg ins Leben gerufen haben. Ueber Leipzig hinaus wirken sie
blos literarisch anregend durch ihr Blatt und einmal im Jahre etwas stärker
durch den Frauentag. Was sie sowohl auf diesem als sonst im Laufe des
Jahres thun, um lästige Schranken niederzureißen, läuft im Wesentlichen dar¬
auf hinaus, Behörden und Körperschaften bittweise um dies oder das zu er¬
suchen. Alle die so angegangenen Körperschaften und Behörden bestehen aus
Männern. Hier findet die „Selbsthülfe der Frauen" also ihre Grenze. Wäre
es da nicht zweckmäßiger, die Heranziehung des männlichen Beistands schon
im Stadium der Berathung eintreten, das andere Geschlecht theilnehmen zu
lassen an der Ueberlegung. welcherlei Ziele zunächst und überhaupt ins Auge
gefaßt, welche Wege zu denselben hin eingeschlagen werden sollen? Es würde
darin doch wohl eine Bürgschaft mehr für die Wirkung solcher Schritte
liegen, wie sie bisher ziemlich erfolg- und eindrucklos gethan worden sind,
z. B. wegen Anstellung von Frauenzimmern im norddeutschen Post- und
Telegraphendienst oder wegen ihrer Zulassung zu den Prüfungen praktischer
Aerzte.

Alles in Allem genommen beschränken sich die Ergebnisse der deutschen
Bewegung bis jetzt aus einige Erleichterung der Lage des weiblichen Ge¬
schlechts in einer Anzahl meist größerer deutscher Städte. Anstalten zur
Nachweisung weiblicher Arbeitskraft und lohnender Beschäftigung für solche,
vorübergehende oder dauernde Ausstellungen weiblicher Arbeitsprodukte,
Schulen zur geschäftlichen Ausbildung junger Mädchen — das sind so ziem¬
lich überall die Unternehmungen, welche von den bestehenden Vereinen zuerst
in die Hand genommen und mit dem meisten Glücke verfolgt worden sind.
Höhere und umfassendere Erfolge wird man wohl dann erst erwarten dürfen,
locum es gelingt, die jetzt isoltrt arbeitenden Vereine der norddeutschen Groß-
tädte in einer passenden Form zu ständigen Zusammenwirken zu verbinden.

Daß solche Erfolge möglich sind, daß es auch ohne jedes phantastische
Pinüberschweifen auf das politische oder sociale Gebiet für die Verbesse-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/71>, abgerufen am 05.02.2025.