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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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kommende allgemeine Frauenzeitung, von einem Manne, dem Kapitän a. D.
Korn redigirt, und auch in den Vereinen der norddeutschen Großstädte,
welche sich weder Leipzig noch Stuttgart angeschlossen haben, in Berlin,
Breslau, Hamburg, Bremen, Hannover, Königsberg, Danzig u. s. s, wirken
durchgängig Männer und Frauen gemeinschaftlich. Wie es bei einer so
jungen und noch überwiegend localisirten Bewegung natürlich ist, tritt die
männliche Mitwirkung an dem einen Orte mehr zurück, an dem anderen in
den Vordergrund. Letzteres gilt z. B. von Berlin, wo trotz des hohen weib¬
lichen Protektorats das männliche Element die Hauptrolle spielt; während
in Hamburg und Bremen der Damenthätigkeit alles das überlassen zu sein
scheint, was man ihr nicht zu entziehen braucht, ohne den praktischen Erfolg
der Agitation zu gefährden.

Der bisherige praktische Erfolg der Agitation -- das sollte denn auch in
der That der Maßstab sein, nach welchem allenthalben das gegenseitige Ver¬
hältniß der beiden Geschlechter in ihrem Zusammenwirken bemessen würde.
Von rein theoretischem Gesichtspunkt aus muß man ohnehin behaupten, daß
es sich bei diesen Bestrebungen entweder um eine wahre Angelegenheit der
Menschheit handle, an der beide Geschlechter gleichmäßig interessirt sind,
oder auch nicht um das echte Interesse des weiblichen Geschlechts. Man kann
höchstens zugeben, daß die Sache den von öffentlichen Aufgaben bisher ziem¬
lich unbehelligten Frauen etwas näher liegt als den damit überhäuften Män¬
nern; daß folglich eine Beschränkung des Beistands der letzteren auf das
schlechthin nothwendige Minimum natürlich und gerathen erscheint. Zu dem¬
selben Schlüsse aber wird wohl auch die praktische Berechnung führen. Alles
was viel Zeit und Hingebung erheischt, ohne eine besondere Vertrautheit
mit der Praxis des öffentlichen Lebens vorauszusetzen, die tägliche innere
Arbeit der Vereine, bleibe den Frauen ausschließlich oder vorzugsweise über¬
lassen; der männliche Rath trete hinzu, wenn es sich um öffentliches Auf¬
treten, um Einwirkungen auf die regierende oder gesetzgebende Gewalt des
Staates handelt.

Nicht anders scheint man anfänglich die Frage auch hier in Leipzig an¬
gesehen zu haben. Aber die compromittirenden Extravaganzen des Mannes,
mit welchem man sich damals hauptsächlich eingelassen hatte, des jetzt von
Stuttgart aus agitirenden vormaligen Honvedhauptmanns Korn, brachten die
entgegengesetzte Anschauungsweise auf. Das Kind wurde mit dem Bade
ausgeschüttet -- der förmliche Grundsatz aufgestellt, daß die Frauen sich
selbst helfen müßten. Der Glaube an die wunderbare Kraft, an eine Art
Alleinberechtigung der Selbsthülfe war dazumal gerade im höchsten
-Schwang und wurde nach alter Erfahrung demgemäß mitunter auch auf


kommende allgemeine Frauenzeitung, von einem Manne, dem Kapitän a. D.
Korn redigirt, und auch in den Vereinen der norddeutschen Großstädte,
welche sich weder Leipzig noch Stuttgart angeschlossen haben, in Berlin,
Breslau, Hamburg, Bremen, Hannover, Königsberg, Danzig u. s. s, wirken
durchgängig Männer und Frauen gemeinschaftlich. Wie es bei einer so
jungen und noch überwiegend localisirten Bewegung natürlich ist, tritt die
männliche Mitwirkung an dem einen Orte mehr zurück, an dem anderen in
den Vordergrund. Letzteres gilt z. B. von Berlin, wo trotz des hohen weib¬
lichen Protektorats das männliche Element die Hauptrolle spielt; während
in Hamburg und Bremen der Damenthätigkeit alles das überlassen zu sein
scheint, was man ihr nicht zu entziehen braucht, ohne den praktischen Erfolg
der Agitation zu gefährden.

Der bisherige praktische Erfolg der Agitation — das sollte denn auch in
der That der Maßstab sein, nach welchem allenthalben das gegenseitige Ver¬
hältniß der beiden Geschlechter in ihrem Zusammenwirken bemessen würde.
Von rein theoretischem Gesichtspunkt aus muß man ohnehin behaupten, daß
es sich bei diesen Bestrebungen entweder um eine wahre Angelegenheit der
Menschheit handle, an der beide Geschlechter gleichmäßig interessirt sind,
oder auch nicht um das echte Interesse des weiblichen Geschlechts. Man kann
höchstens zugeben, daß die Sache den von öffentlichen Aufgaben bisher ziem¬
lich unbehelligten Frauen etwas näher liegt als den damit überhäuften Män¬
nern; daß folglich eine Beschränkung des Beistands der letzteren auf das
schlechthin nothwendige Minimum natürlich und gerathen erscheint. Zu dem¬
selben Schlüsse aber wird wohl auch die praktische Berechnung führen. Alles
was viel Zeit und Hingebung erheischt, ohne eine besondere Vertrautheit
mit der Praxis des öffentlichen Lebens vorauszusetzen, die tägliche innere
Arbeit der Vereine, bleibe den Frauen ausschließlich oder vorzugsweise über¬
lassen; der männliche Rath trete hinzu, wenn es sich um öffentliches Auf¬
treten, um Einwirkungen auf die regierende oder gesetzgebende Gewalt des
Staates handelt.

Nicht anders scheint man anfänglich die Frage auch hier in Leipzig an¬
gesehen zu haben. Aber die compromittirenden Extravaganzen des Mannes,
mit welchem man sich damals hauptsächlich eingelassen hatte, des jetzt von
Stuttgart aus agitirenden vormaligen Honvedhauptmanns Korn, brachten die
entgegengesetzte Anschauungsweise auf. Das Kind wurde mit dem Bade
ausgeschüttet — der förmliche Grundsatz aufgestellt, daß die Frauen sich
selbst helfen müßten. Der Glaube an die wunderbare Kraft, an eine Art
Alleinberechtigung der Selbsthülfe war dazumal gerade im höchsten
-Schwang und wurde nach alter Erfahrung demgemäß mitunter auch auf


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/70>, abgerufen am 05.02.2025.