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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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pro Woche als festen Lohn empfangen, also 32 Pfd. Sterl. jährlich. Er
nimmt nun an, daß wenn er an dem schließlichen Gewinn Antheil hätte,
derselbe sich auf 70 Pfd. Sterl. belaufen müßte. Er muß aber andererseits
schlechte Conjuncturen in Anschlag bringen, bei denen sein Schlußgewinn
vielleicht nur 30 Pfd. Sterl. betragen hätte; will er dieses Risico nicht laufen
und seine sichere Wocheneinnahme festhalten, ohne doch der Aussicht auf einen
Gewinn nach Abwickelung des Geschäftes ganz zu entsagen, so muß er sich
zuerst zu einer Reduction des Lohnes verstehen, also z. B. auch in guten
Zeiten mit 17--18 Shilling zufrieden sein. Andererseits kann der Unternehmer
auch bei einer solchen Lohnherabsetzung nicht jedem Arbeiter gleichen Antheil
am Schlußgewinn geben wie sich selbst, denn wenn er z. B. 100 Arbeiter
beschäftigt und durch eine wöchentliche Reduction des Lohnes um 2 Shilling
eine Ersparniß von 620 Pfd. Sterl. jährlich macht, so reicht das bei weitem
nicht hin, um ihn für die Zinsen des bezahlten Lohnes und, das Verlustrisico
zu decken, das er am Ende des Jahres mit seinen Arbeitern nach Kopfraten
theilen könnte. Das Geschäft soll ja auf der Basis geführt werden, daß der
Arbeiter seinen etwas geringeren aber festen Lohn jedenfalls erhält; verlieren
kann er bei der Schlußabrechnung Nichts, schon aus dem einfachen Grunde,
weil er Nichts zu verlieren hat. Der Capitalist also muß Verluste allein
tragen, folglich kann der Antheil am schließlichen Gewinn für den Arbeiter
immer nur verhältnißmäßig gering sein. Aber dies ist auch ganz genügend,
um in dem Verhältniß beider Theile einen wohlthätigen Umschwung hervor¬
zubringen. Zunächst würden die Arbeiter durch eine solche Theilnahme die
Einsicht gewinnen, wie wechselnd der Gewinn des Unternehmers ist und wie
sehr derselbe im Ganzen oft überschätzt wird. Sodann würden sie sich ganz
anders anstrengen, jede Beschädigung des Materials vermeiden und ökono¬
misch arbeiten, weil alles das den Gewinn vermehren muß, an dem sie ja
Antheil haben. Aus demselben Grunde würden Strikes so gut wie ganz
aufhören, weil sie den Gewinn vermindern müßten und weil, wenn die Lage
des Geschäftes an sich eine Erhöhung der Löhne zuließe, der Vortheil hier¬
von den Arbeitern doch am Ende des Jahres in Gestylt einer höheren Divi¬
dende zu Gute käme. Die Arbeiter würden auf diese Weise die Aussicht
haben, bei tüchtiger Anstrengung selbst Capitalien zu werden, wenn sie
ihren Jahresgewinn als Ersparnisse anlegen und vermehren wollten. Damit
fiele dann auch das ganze Unwesen der rraäss vuions, wo stets eine ent¬
entschlossene Minorität die Majorität ausbeutet, weg.

Für die Ausführung dieses Princips bieten sich verschiedene Formen;
die weitgehendste ist die reine Productivassaciation, die, nur aus Arbeitern
gebildet, dieselben als Actionäre zu gleichen Theilen am Gewinn Participiren
läßt. Der Gewinn ist so natürlich am größten, aber diese Form hat auch


pro Woche als festen Lohn empfangen, also 32 Pfd. Sterl. jährlich. Er
nimmt nun an, daß wenn er an dem schließlichen Gewinn Antheil hätte,
derselbe sich auf 70 Pfd. Sterl. belaufen müßte. Er muß aber andererseits
schlechte Conjuncturen in Anschlag bringen, bei denen sein Schlußgewinn
vielleicht nur 30 Pfd. Sterl. betragen hätte; will er dieses Risico nicht laufen
und seine sichere Wocheneinnahme festhalten, ohne doch der Aussicht auf einen
Gewinn nach Abwickelung des Geschäftes ganz zu entsagen, so muß er sich
zuerst zu einer Reduction des Lohnes verstehen, also z. B. auch in guten
Zeiten mit 17—18 Shilling zufrieden sein. Andererseits kann der Unternehmer
auch bei einer solchen Lohnherabsetzung nicht jedem Arbeiter gleichen Antheil
am Schlußgewinn geben wie sich selbst, denn wenn er z. B. 100 Arbeiter
beschäftigt und durch eine wöchentliche Reduction des Lohnes um 2 Shilling
eine Ersparniß von 620 Pfd. Sterl. jährlich macht, so reicht das bei weitem
nicht hin, um ihn für die Zinsen des bezahlten Lohnes und, das Verlustrisico
zu decken, das er am Ende des Jahres mit seinen Arbeitern nach Kopfraten
theilen könnte. Das Geschäft soll ja auf der Basis geführt werden, daß der
Arbeiter seinen etwas geringeren aber festen Lohn jedenfalls erhält; verlieren
kann er bei der Schlußabrechnung Nichts, schon aus dem einfachen Grunde,
weil er Nichts zu verlieren hat. Der Capitalist also muß Verluste allein
tragen, folglich kann der Antheil am schließlichen Gewinn für den Arbeiter
immer nur verhältnißmäßig gering sein. Aber dies ist auch ganz genügend,
um in dem Verhältniß beider Theile einen wohlthätigen Umschwung hervor¬
zubringen. Zunächst würden die Arbeiter durch eine solche Theilnahme die
Einsicht gewinnen, wie wechselnd der Gewinn des Unternehmers ist und wie
sehr derselbe im Ganzen oft überschätzt wird. Sodann würden sie sich ganz
anders anstrengen, jede Beschädigung des Materials vermeiden und ökono¬
misch arbeiten, weil alles das den Gewinn vermehren muß, an dem sie ja
Antheil haben. Aus demselben Grunde würden Strikes so gut wie ganz
aufhören, weil sie den Gewinn vermindern müßten und weil, wenn die Lage
des Geschäftes an sich eine Erhöhung der Löhne zuließe, der Vortheil hier¬
von den Arbeitern doch am Ende des Jahres in Gestylt einer höheren Divi¬
dende zu Gute käme. Die Arbeiter würden auf diese Weise die Aussicht
haben, bei tüchtiger Anstrengung selbst Capitalien zu werden, wenn sie
ihren Jahresgewinn als Ersparnisse anlegen und vermehren wollten. Damit
fiele dann auch das ganze Unwesen der rraäss vuions, wo stets eine ent¬
entschlossene Minorität die Majorität ausbeutet, weg.

Für die Ausführung dieses Princips bieten sich verschiedene Formen;
die weitgehendste ist die reine Productivassaciation, die, nur aus Arbeitern
gebildet, dieselben als Actionäre zu gleichen Theilen am Gewinn Participiren
läßt. Der Gewinn ist so natürlich am größten, aber diese Form hat auch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/65>, abgerufen am 05.02.2025.