Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

Bild:
<< vorherige Seite

streng geahndet werden; auch werden die Unions zu nöthigen sein, ihre Sta¬
tuten der geeigneten Behörde, also etwa den Loarä ok vorks mitzutheilen.

Es bleibt noch eine wichtige Frage offen. Die Innungen verfolgen meistens
zwei ganz verschiedene Zwecke zugleich: sie wollen ihre Mitglieder den Capi-
talisten gegenüber vertreten und sie wollen sich unter einander bei Krankheit,
Unvermögen u. s. w. beistehen. Der Deoiwmist hat Ende vorigen Jahres
in mehreren Artikeln treffend ausgeführt, ,wie verderblich diese Vermischung
zweier ganz heterogener Functionen sei; die eine Chance, die der Unter¬
stützung, ist statistisch zu berechnen, die andere, die der Strikes, nicht, und doch
zahlt der Arbeiter wesentlich deshalb seinen Beitrag zur Unionseasse, um im
Falle des Unvermögens aus ihr unterstützt zu werden; wie kann aber die
Casse das leisten, wenn sie durch langandauernde Strikes erschöpft wird?
Nach Ansicht der Untersuchungscommission sind fast alle Iraäes Ilmous
factisch bankerott, insofern sie nicht im Stande sein würden, ihre contraetlichen
Verpflichtungen zu erfüllen, nachdem sie den Wohlthätigkeitsfonds zu Gunsten
des Garantiefonds angegriffen habere. Um dies in Zukunft zu vermeiden,
braucht man nicht so weit zu gehen wie Einige, welche verbieten wollen, daß
ein und dieselbe Union beide Zwecke verfolge, sondern man kann einfach vor-'
schreiben, daß diese beiden Fonds zu trennen sind und von den Beiträgen
ein bestimmter Theil für die Krankencasse reservirt werden soll, um dieselbe
solvent zu erhalten.

Hiermit, glauben wir, ist Alles erschöpft, was der Staat direct thun kann;
aber die eigentliche Frage zwischen Arbeitern und Arbeitgebern ist damit
nicht gelöst, sondern nur in die gesetzlichen Grenzen gewiesen, innerhalb deren
sie auszutragen ist. Sehen wir, wie das möglich ist.

Jede Industrie muß wenigstens die Zinsen des Anlagecapitals und den
gezählten Lohn decken; thäte sie das nicht, so würde sich das Capital von
ihr abwenden. Aber außer dieser nothwendigen Deckung bringt jede schwung¬
haft betriebene Industrie noch einen Ueberschuß an Gewinn und um
diesen kämpfen Unternehmer und Arbeiter mit einander. Der Erstere gebietet
über größere Geldmittel und Intelligenz, die Arbeiter dagegen haben als
Einsatz meist nur die Geschicklichkeit ihrer Hände. Um diese möglichst hoch
zu verwerthen und den Unternehmer zu nöthigen, jenen Ueberschußgewinn,
den sie mit schaffen helfen, auch mit ihnen zu theilen, verbinden sie sich unter
einander durch eine feste Organisation, die Genossenschaft, die Union: dies ist
vollkommen in der Ordnung -- nur muß man sich die Bedingungen des
Kampfes auch vollständig klar machen. Die Arbeiter, welche, indem sie Thei¬
lung des Ueberschußgewinnes verlangen, damit thatsächlich fordern, Theil-
nehmer am Geschäft zu werden, müssen einsehen, daß sie in einem gewissen
Grade dies bereits sind. Jener Ueberschußgewinn nämlich wird nicht rea-


streng geahndet werden; auch werden die Unions zu nöthigen sein, ihre Sta¬
tuten der geeigneten Behörde, also etwa den Loarä ok vorks mitzutheilen.

Es bleibt noch eine wichtige Frage offen. Die Innungen verfolgen meistens
zwei ganz verschiedene Zwecke zugleich: sie wollen ihre Mitglieder den Capi-
talisten gegenüber vertreten und sie wollen sich unter einander bei Krankheit,
Unvermögen u. s. w. beistehen. Der Deoiwmist hat Ende vorigen Jahres
in mehreren Artikeln treffend ausgeführt, ,wie verderblich diese Vermischung
zweier ganz heterogener Functionen sei; die eine Chance, die der Unter¬
stützung, ist statistisch zu berechnen, die andere, die der Strikes, nicht, und doch
zahlt der Arbeiter wesentlich deshalb seinen Beitrag zur Unionseasse, um im
Falle des Unvermögens aus ihr unterstützt zu werden; wie kann aber die
Casse das leisten, wenn sie durch langandauernde Strikes erschöpft wird?
Nach Ansicht der Untersuchungscommission sind fast alle Iraäes Ilmous
factisch bankerott, insofern sie nicht im Stande sein würden, ihre contraetlichen
Verpflichtungen zu erfüllen, nachdem sie den Wohlthätigkeitsfonds zu Gunsten
des Garantiefonds angegriffen habere. Um dies in Zukunft zu vermeiden,
braucht man nicht so weit zu gehen wie Einige, welche verbieten wollen, daß
ein und dieselbe Union beide Zwecke verfolge, sondern man kann einfach vor-'
schreiben, daß diese beiden Fonds zu trennen sind und von den Beiträgen
ein bestimmter Theil für die Krankencasse reservirt werden soll, um dieselbe
solvent zu erhalten.

Hiermit, glauben wir, ist Alles erschöpft, was der Staat direct thun kann;
aber die eigentliche Frage zwischen Arbeitern und Arbeitgebern ist damit
nicht gelöst, sondern nur in die gesetzlichen Grenzen gewiesen, innerhalb deren
sie auszutragen ist. Sehen wir, wie das möglich ist.

Jede Industrie muß wenigstens die Zinsen des Anlagecapitals und den
gezählten Lohn decken; thäte sie das nicht, so würde sich das Capital von
ihr abwenden. Aber außer dieser nothwendigen Deckung bringt jede schwung¬
haft betriebene Industrie noch einen Ueberschuß an Gewinn und um
diesen kämpfen Unternehmer und Arbeiter mit einander. Der Erstere gebietet
über größere Geldmittel und Intelligenz, die Arbeiter dagegen haben als
Einsatz meist nur die Geschicklichkeit ihrer Hände. Um diese möglichst hoch
zu verwerthen und den Unternehmer zu nöthigen, jenen Ueberschußgewinn,
den sie mit schaffen helfen, auch mit ihnen zu theilen, verbinden sie sich unter
einander durch eine feste Organisation, die Genossenschaft, die Union: dies ist
vollkommen in der Ordnung — nur muß man sich die Bedingungen des
Kampfes auch vollständig klar machen. Die Arbeiter, welche, indem sie Thei¬
lung des Ueberschußgewinnes verlangen, damit thatsächlich fordern, Theil-
nehmer am Geschäft zu werden, müssen einsehen, daß sie in einem gewissen
Grade dies bereits sind. Jener Ueberschußgewinn nämlich wird nicht rea-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0063" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287335"/>
          <p xml:id="ID_126" prev="#ID_125"> streng geahndet werden; auch werden die Unions zu nöthigen sein, ihre Sta¬<lb/>
tuten der geeigneten Behörde, also etwa den Loarä ok vorks mitzutheilen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_127"> Es bleibt noch eine wichtige Frage offen. Die Innungen verfolgen meistens<lb/>
zwei ganz verschiedene Zwecke zugleich: sie wollen ihre Mitglieder den Capi-<lb/>
talisten gegenüber vertreten und sie wollen sich unter einander bei Krankheit,<lb/>
Unvermögen u. s. w. beistehen. Der Deoiwmist hat Ende vorigen Jahres<lb/>
in mehreren Artikeln treffend ausgeführt, ,wie verderblich diese Vermischung<lb/>
zweier ganz heterogener Functionen sei; die eine Chance, die der Unter¬<lb/>
stützung, ist statistisch zu berechnen, die andere, die der Strikes, nicht, und doch<lb/>
zahlt der Arbeiter wesentlich deshalb seinen Beitrag zur Unionseasse, um im<lb/>
Falle des Unvermögens aus ihr unterstützt zu werden; wie kann aber die<lb/>
Casse das leisten, wenn sie durch langandauernde Strikes erschöpft wird?<lb/>
Nach Ansicht der Untersuchungscommission sind fast alle Iraäes Ilmous<lb/>
factisch bankerott, insofern sie nicht im Stande sein würden, ihre contraetlichen<lb/>
Verpflichtungen zu erfüllen, nachdem sie den Wohlthätigkeitsfonds zu Gunsten<lb/>
des Garantiefonds angegriffen habere. Um dies in Zukunft zu vermeiden,<lb/>
braucht man nicht so weit zu gehen wie Einige, welche verbieten wollen, daß<lb/>
ein und dieselbe Union beide Zwecke verfolge, sondern man kann einfach vor-'<lb/>
schreiben, daß diese beiden Fonds zu trennen sind und von den Beiträgen<lb/>
ein bestimmter Theil für die Krankencasse reservirt werden soll, um dieselbe<lb/>
solvent zu erhalten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_128"> Hiermit, glauben wir, ist Alles erschöpft, was der Staat direct thun kann;<lb/>
aber die eigentliche Frage zwischen Arbeitern und Arbeitgebern ist damit<lb/>
nicht gelöst, sondern nur in die gesetzlichen Grenzen gewiesen, innerhalb deren<lb/>
sie auszutragen ist. Sehen wir, wie das möglich ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_129" next="#ID_130"> Jede Industrie muß wenigstens die Zinsen des Anlagecapitals und den<lb/>
gezählten Lohn decken; thäte sie das nicht, so würde sich das Capital von<lb/>
ihr abwenden. Aber außer dieser nothwendigen Deckung bringt jede schwung¬<lb/>
haft betriebene Industrie noch einen Ueberschuß an Gewinn und um<lb/>
diesen kämpfen Unternehmer und Arbeiter mit einander. Der Erstere gebietet<lb/>
über größere Geldmittel und Intelligenz, die Arbeiter dagegen haben als<lb/>
Einsatz meist nur die Geschicklichkeit ihrer Hände. Um diese möglichst hoch<lb/>
zu verwerthen und den Unternehmer zu nöthigen, jenen Ueberschußgewinn,<lb/>
den sie mit schaffen helfen, auch mit ihnen zu theilen, verbinden sie sich unter<lb/>
einander durch eine feste Organisation, die Genossenschaft, die Union: dies ist<lb/>
vollkommen in der Ordnung &#x2014; nur muß man sich die Bedingungen des<lb/>
Kampfes auch vollständig klar machen. Die Arbeiter, welche, indem sie Thei¬<lb/>
lung des Ueberschußgewinnes verlangen, damit thatsächlich fordern, Theil-<lb/>
nehmer am Geschäft zu werden, müssen einsehen, daß sie in einem gewissen<lb/>
Grade dies bereits sind. Jener Ueberschußgewinn nämlich wird nicht rea-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0063] streng geahndet werden; auch werden die Unions zu nöthigen sein, ihre Sta¬ tuten der geeigneten Behörde, also etwa den Loarä ok vorks mitzutheilen. Es bleibt noch eine wichtige Frage offen. Die Innungen verfolgen meistens zwei ganz verschiedene Zwecke zugleich: sie wollen ihre Mitglieder den Capi- talisten gegenüber vertreten und sie wollen sich unter einander bei Krankheit, Unvermögen u. s. w. beistehen. Der Deoiwmist hat Ende vorigen Jahres in mehreren Artikeln treffend ausgeführt, ,wie verderblich diese Vermischung zweier ganz heterogener Functionen sei; die eine Chance, die der Unter¬ stützung, ist statistisch zu berechnen, die andere, die der Strikes, nicht, und doch zahlt der Arbeiter wesentlich deshalb seinen Beitrag zur Unionseasse, um im Falle des Unvermögens aus ihr unterstützt zu werden; wie kann aber die Casse das leisten, wenn sie durch langandauernde Strikes erschöpft wird? Nach Ansicht der Untersuchungscommission sind fast alle Iraäes Ilmous factisch bankerott, insofern sie nicht im Stande sein würden, ihre contraetlichen Verpflichtungen zu erfüllen, nachdem sie den Wohlthätigkeitsfonds zu Gunsten des Garantiefonds angegriffen habere. Um dies in Zukunft zu vermeiden, braucht man nicht so weit zu gehen wie Einige, welche verbieten wollen, daß ein und dieselbe Union beide Zwecke verfolge, sondern man kann einfach vor-' schreiben, daß diese beiden Fonds zu trennen sind und von den Beiträgen ein bestimmter Theil für die Krankencasse reservirt werden soll, um dieselbe solvent zu erhalten. Hiermit, glauben wir, ist Alles erschöpft, was der Staat direct thun kann; aber die eigentliche Frage zwischen Arbeitern und Arbeitgebern ist damit nicht gelöst, sondern nur in die gesetzlichen Grenzen gewiesen, innerhalb deren sie auszutragen ist. Sehen wir, wie das möglich ist. Jede Industrie muß wenigstens die Zinsen des Anlagecapitals und den gezählten Lohn decken; thäte sie das nicht, so würde sich das Capital von ihr abwenden. Aber außer dieser nothwendigen Deckung bringt jede schwung¬ haft betriebene Industrie noch einen Ueberschuß an Gewinn und um diesen kämpfen Unternehmer und Arbeiter mit einander. Der Erstere gebietet über größere Geldmittel und Intelligenz, die Arbeiter dagegen haben als Einsatz meist nur die Geschicklichkeit ihrer Hände. Um diese möglichst hoch zu verwerthen und den Unternehmer zu nöthigen, jenen Ueberschußgewinn, den sie mit schaffen helfen, auch mit ihnen zu theilen, verbinden sie sich unter einander durch eine feste Organisation, die Genossenschaft, die Union: dies ist vollkommen in der Ordnung — nur muß man sich die Bedingungen des Kampfes auch vollständig klar machen. Die Arbeiter, welche, indem sie Thei¬ lung des Ueberschußgewinnes verlangen, damit thatsächlich fordern, Theil- nehmer am Geschäft zu werden, müssen einsehen, daß sie in einem gewissen Grade dies bereits sind. Jener Ueberschußgewinn nämlich wird nicht rea-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/63
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/63>, abgerufen am 05.02.2025.