Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Jagdgesetz einiges, der Entwurf einer Schleswig-holstein'schen Städteordnung,
sollte man meinen, sehr viel Interesse darbot. Graf Eulenburg hatte ohne
Umstände die Städteordnung der sechs östlichen Provinzen Preußens zu Grunde
gelegt, doch aber zu Gunsten unserer überkommenen Eigenthümlichkeiten die
zwei großen Concessionen gemacht, daß Magistrat und Deputirtencollegium
wie bisher so auch fernerhin der Regel nach in gemeinsamer collegialer Be-
rathung tagen und die Magistratsmitglieder, vom Bürgermeister und Bei¬
geordneten abgesehen, auch fernerhin unmittelbar von der Bürgerschaft ge¬
wählt werden dürfen: dafür sollen aber die Bürgermeister nach Präsentation
dreier Candidaten unmittelbar vom Könige bez. der Regierung, ernannt
werden. Die schöne Erfindung der altpreußischen Reactionszeit, die Graf
Schwerin im I. 1862 vergeblich zu beseitigen versuchte, daß jeder Dissens
zwischen Magistrat und Stadtverordneten durch die löbliche Regierung zu
entscheiden sei, fand sich trotz der zugestandenen Vereinigung der städtischen
Collegien glücklich im Entwürfe wieder vor. Gegen die letzteren beiden Be¬
stimmungen richteten sich hauptsächlich die Bedenken einiger getreuen Stände.
Indessen Graf Eulenburg hatte dem Oberpräsidenten und seinen Räthen
wohl nicht das erforderliche Feuer zugetraut, um diese gesetzgeberische That
mit der gehörigen Energie zu plaidiren: es wurde der intellectuelle Urheber
des Entwurfs, natürlich ein Geheimrath aus dem Ministerium des Innern,
nach Rendsburg geschickt, und an dem bureaukratischen Panzer dieses Herrn
Prallten fast klanglos alle von schwachen, ungeübten Händen geführten An¬
griffe ab. Etwas Humor lag für den entfernten Beobachter immerhin in
dem Schauspiel, dramatisches Interesse gar nicht. Oder ist es nicht ein humo¬
ristischer Zug, wenn der Geheimrath auch jenen auf erweiterte Selbst¬
verwaltung gerichteten Wünschen nicht blos den Widerspruch der Staats¬
regierung, nicht blos das Interesse gesammtstaatlicher Uniformität, nein, auch
die gewisse Abneigung des preußischen Landtags gegen derartige Eigen¬
thümlichkeiten drohend entgegen hielt und nur im tapferen Zusammenstehen
der Stände mit der Staatsregierung einige Aussicht auf Erfolg gegen den
berliner Parlamentartsmus verhieß? Wir hoffen, die liberalen Parteien des
Abgeordnetenhauses werden dem Schleswig-holstein'schen Provinciallandtage
dennoch zu Hülfe kommen, selbst auf die Gefahr hin, die Städteordnung
bleibt Entwurf, und wir behelfen uns noch ein und das andere Jahr
länger mit unseren bunten Localstatuten.

Etwas lebhaftere Wellen schlug in jüngster Zeit unser politisches Leben
nach andrer Seite hin. Als im Spätherbst v. I. die ersten Wahlen zum
Landtage der Monarchie stattfanden, etablirte sich in Kiel, der Hofburg unseres
Particularismus, ein Wahlverein, verzweigte sich über das Land und
octroyirte den Wahlkreisen die Candidaten. Die kieler Staatsanwaltschaft


Jagdgesetz einiges, der Entwurf einer Schleswig-holstein'schen Städteordnung,
sollte man meinen, sehr viel Interesse darbot. Graf Eulenburg hatte ohne
Umstände die Städteordnung der sechs östlichen Provinzen Preußens zu Grunde
gelegt, doch aber zu Gunsten unserer überkommenen Eigenthümlichkeiten die
zwei großen Concessionen gemacht, daß Magistrat und Deputirtencollegium
wie bisher so auch fernerhin der Regel nach in gemeinsamer collegialer Be-
rathung tagen und die Magistratsmitglieder, vom Bürgermeister und Bei¬
geordneten abgesehen, auch fernerhin unmittelbar von der Bürgerschaft ge¬
wählt werden dürfen: dafür sollen aber die Bürgermeister nach Präsentation
dreier Candidaten unmittelbar vom Könige bez. der Regierung, ernannt
werden. Die schöne Erfindung der altpreußischen Reactionszeit, die Graf
Schwerin im I. 1862 vergeblich zu beseitigen versuchte, daß jeder Dissens
zwischen Magistrat und Stadtverordneten durch die löbliche Regierung zu
entscheiden sei, fand sich trotz der zugestandenen Vereinigung der städtischen
Collegien glücklich im Entwürfe wieder vor. Gegen die letzteren beiden Be¬
stimmungen richteten sich hauptsächlich die Bedenken einiger getreuen Stände.
Indessen Graf Eulenburg hatte dem Oberpräsidenten und seinen Räthen
wohl nicht das erforderliche Feuer zugetraut, um diese gesetzgeberische That
mit der gehörigen Energie zu plaidiren: es wurde der intellectuelle Urheber
des Entwurfs, natürlich ein Geheimrath aus dem Ministerium des Innern,
nach Rendsburg geschickt, und an dem bureaukratischen Panzer dieses Herrn
Prallten fast klanglos alle von schwachen, ungeübten Händen geführten An¬
griffe ab. Etwas Humor lag für den entfernten Beobachter immerhin in
dem Schauspiel, dramatisches Interesse gar nicht. Oder ist es nicht ein humo¬
ristischer Zug, wenn der Geheimrath auch jenen auf erweiterte Selbst¬
verwaltung gerichteten Wünschen nicht blos den Widerspruch der Staats¬
regierung, nicht blos das Interesse gesammtstaatlicher Uniformität, nein, auch
die gewisse Abneigung des preußischen Landtags gegen derartige Eigen¬
thümlichkeiten drohend entgegen hielt und nur im tapferen Zusammenstehen
der Stände mit der Staatsregierung einige Aussicht auf Erfolg gegen den
berliner Parlamentartsmus verhieß? Wir hoffen, die liberalen Parteien des
Abgeordnetenhauses werden dem Schleswig-holstein'schen Provinciallandtage
dennoch zu Hülfe kommen, selbst auf die Gefahr hin, die Städteordnung
bleibt Entwurf, und wir behelfen uns noch ein und das andere Jahr
länger mit unseren bunten Localstatuten.

Etwas lebhaftere Wellen schlug in jüngster Zeit unser politisches Leben
nach andrer Seite hin. Als im Spätherbst v. I. die ersten Wahlen zum
Landtage der Monarchie stattfanden, etablirte sich in Kiel, der Hofburg unseres
Particularismus, ein Wahlverein, verzweigte sich über das Land und
octroyirte den Wahlkreisen die Candidaten. Die kieler Staatsanwaltschaft


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0501" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287773"/>
          <p xml:id="ID_1271" prev="#ID_1270"> Jagdgesetz einiges, der Entwurf einer Schleswig-holstein'schen Städteordnung,<lb/>
sollte man meinen, sehr viel Interesse darbot. Graf Eulenburg hatte ohne<lb/>
Umstände die Städteordnung der sechs östlichen Provinzen Preußens zu Grunde<lb/>
gelegt, doch aber zu Gunsten unserer überkommenen Eigenthümlichkeiten die<lb/>
zwei großen Concessionen gemacht, daß Magistrat und Deputirtencollegium<lb/>
wie bisher so auch fernerhin der Regel nach in gemeinsamer collegialer Be-<lb/>
rathung tagen und die Magistratsmitglieder, vom Bürgermeister und Bei¬<lb/>
geordneten abgesehen, auch fernerhin unmittelbar von der Bürgerschaft ge¬<lb/>
wählt werden dürfen: dafür sollen aber die Bürgermeister nach Präsentation<lb/>
dreier Candidaten unmittelbar vom Könige bez. der Regierung, ernannt<lb/>
werden. Die schöne Erfindung der altpreußischen Reactionszeit, die Graf<lb/>
Schwerin im I. 1862 vergeblich zu beseitigen versuchte, daß jeder Dissens<lb/>
zwischen Magistrat und Stadtverordneten durch die löbliche Regierung zu<lb/>
entscheiden sei, fand sich trotz der zugestandenen Vereinigung der städtischen<lb/>
Collegien glücklich im Entwürfe wieder vor. Gegen die letzteren beiden Be¬<lb/>
stimmungen richteten sich hauptsächlich die Bedenken einiger getreuen Stände.<lb/>
Indessen Graf Eulenburg hatte dem Oberpräsidenten und seinen Räthen<lb/>
wohl nicht das erforderliche Feuer zugetraut, um diese gesetzgeberische That<lb/>
mit der gehörigen Energie zu plaidiren: es wurde der intellectuelle Urheber<lb/>
des Entwurfs, natürlich ein Geheimrath aus dem Ministerium des Innern,<lb/>
nach Rendsburg geschickt, und an dem bureaukratischen Panzer dieses Herrn<lb/>
Prallten fast klanglos alle von schwachen, ungeübten Händen geführten An¬<lb/>
griffe ab. Etwas Humor lag für den entfernten Beobachter immerhin in<lb/>
dem Schauspiel, dramatisches Interesse gar nicht. Oder ist es nicht ein humo¬<lb/>
ristischer Zug, wenn der Geheimrath auch jenen auf erweiterte Selbst¬<lb/>
verwaltung gerichteten Wünschen nicht blos den Widerspruch der Staats¬<lb/>
regierung, nicht blos das Interesse gesammtstaatlicher Uniformität, nein, auch<lb/>
die gewisse Abneigung des preußischen Landtags gegen derartige Eigen¬<lb/>
thümlichkeiten drohend entgegen hielt und nur im tapferen Zusammenstehen<lb/>
der Stände mit der Staatsregierung einige Aussicht auf Erfolg gegen den<lb/>
berliner Parlamentartsmus verhieß? Wir hoffen, die liberalen Parteien des<lb/>
Abgeordnetenhauses werden dem Schleswig-holstein'schen Provinciallandtage<lb/>
dennoch zu Hülfe kommen, selbst auf die Gefahr hin, die Städteordnung<lb/>
bleibt Entwurf, und wir behelfen uns noch ein und das andere Jahr<lb/>
länger mit unseren bunten Localstatuten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1272" next="#ID_1273"> Etwas lebhaftere Wellen schlug in jüngster Zeit unser politisches Leben<lb/>
nach andrer Seite hin. Als im Spätherbst v. I. die ersten Wahlen zum<lb/>
Landtage der Monarchie stattfanden, etablirte sich in Kiel, der Hofburg unseres<lb/>
Particularismus, ein Wahlverein, verzweigte sich über das Land und<lb/>
octroyirte den Wahlkreisen die Candidaten.  Die kieler Staatsanwaltschaft</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0501] Jagdgesetz einiges, der Entwurf einer Schleswig-holstein'schen Städteordnung, sollte man meinen, sehr viel Interesse darbot. Graf Eulenburg hatte ohne Umstände die Städteordnung der sechs östlichen Provinzen Preußens zu Grunde gelegt, doch aber zu Gunsten unserer überkommenen Eigenthümlichkeiten die zwei großen Concessionen gemacht, daß Magistrat und Deputirtencollegium wie bisher so auch fernerhin der Regel nach in gemeinsamer collegialer Be- rathung tagen und die Magistratsmitglieder, vom Bürgermeister und Bei¬ geordneten abgesehen, auch fernerhin unmittelbar von der Bürgerschaft ge¬ wählt werden dürfen: dafür sollen aber die Bürgermeister nach Präsentation dreier Candidaten unmittelbar vom Könige bez. der Regierung, ernannt werden. Die schöne Erfindung der altpreußischen Reactionszeit, die Graf Schwerin im I. 1862 vergeblich zu beseitigen versuchte, daß jeder Dissens zwischen Magistrat und Stadtverordneten durch die löbliche Regierung zu entscheiden sei, fand sich trotz der zugestandenen Vereinigung der städtischen Collegien glücklich im Entwürfe wieder vor. Gegen die letzteren beiden Be¬ stimmungen richteten sich hauptsächlich die Bedenken einiger getreuen Stände. Indessen Graf Eulenburg hatte dem Oberpräsidenten und seinen Räthen wohl nicht das erforderliche Feuer zugetraut, um diese gesetzgeberische That mit der gehörigen Energie zu plaidiren: es wurde der intellectuelle Urheber des Entwurfs, natürlich ein Geheimrath aus dem Ministerium des Innern, nach Rendsburg geschickt, und an dem bureaukratischen Panzer dieses Herrn Prallten fast klanglos alle von schwachen, ungeübten Händen geführten An¬ griffe ab. Etwas Humor lag für den entfernten Beobachter immerhin in dem Schauspiel, dramatisches Interesse gar nicht. Oder ist es nicht ein humo¬ ristischer Zug, wenn der Geheimrath auch jenen auf erweiterte Selbst¬ verwaltung gerichteten Wünschen nicht blos den Widerspruch der Staats¬ regierung, nicht blos das Interesse gesammtstaatlicher Uniformität, nein, auch die gewisse Abneigung des preußischen Landtags gegen derartige Eigen¬ thümlichkeiten drohend entgegen hielt und nur im tapferen Zusammenstehen der Stände mit der Staatsregierung einige Aussicht auf Erfolg gegen den berliner Parlamentartsmus verhieß? Wir hoffen, die liberalen Parteien des Abgeordnetenhauses werden dem Schleswig-holstein'schen Provinciallandtage dennoch zu Hülfe kommen, selbst auf die Gefahr hin, die Städteordnung bleibt Entwurf, und wir behelfen uns noch ein und das andere Jahr länger mit unseren bunten Localstatuten. Etwas lebhaftere Wellen schlug in jüngster Zeit unser politisches Leben nach andrer Seite hin. Als im Spätherbst v. I. die ersten Wahlen zum Landtage der Monarchie stattfanden, etablirte sich in Kiel, der Hofburg unseres Particularismus, ein Wahlverein, verzweigte sich über das Land und octroyirte den Wahlkreisen die Candidaten. Die kieler Staatsanwaltschaft

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/501
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/501>, abgerufen am 06.02.2025.