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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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hatte die Schwäche, dem Andrängen des Oberpräsidiums nachzugeben und
wegen Uebertretung des bekannten Coalitionsverbots im Vereinsgesetz die
kieler Vorstandsmitglieder zu verfolgen. Sie erreichte in erster Instanz eine
Verurteilung zu einigen Ordnungsstrafen und nachdem sich der Proceß fast
ein Jahr hingeschleppt, führte er in zweiter Instanz zu der Feststellung, daß
es sich nur um einen großen Gesammtverein handele, und folgeweise zur
Freisprechung. Flugs wurde von Kiel aus dies Ereigniß den Parteigenossen
in einem ausführlichen Rundschreiben mitgetheilt und dieselben aufgefordert,
nunmehr dem zu allgemeiner politischer Thätigkeit verjüngten Vereine männig-
lich beizutreten, sür sein Programm kräftig zu wirken. Das recht glatt ge¬
schriebene Circulär erwähnte Nichts mehr von den Programm von Neumünster,
dem bisherigen Evangelium unserer Partieularisten, es vermied in Wort und
Gedanken ebenso geschickt jede Erwähnung Preußens, der nationalen und ge-
sammtstaatlichen Interessen und betonte in unendlichen Variationen lediglich
die Vertheidigung, Förderung, Entwickelung der provinciellen Institutionen.

An der Spitze dieser Art von Bewegung stand und steht Herr Hänel,
Professor der Rechte an der Universität Kiel, Abgeordneter des 18-
Schleswig-holstein'schen Wahlkreises. Er gehört unbedenklich zu den risioZ nett
in unserem Phäakenlande und ich hätte allen Grund, mein oben ausgesprochenes
abfälliges Urtheil über die Herrschaft politischer Impotenz zu seinen Gunsten
wesentlich einzuschränken, wäre Herr Hänel nicht ein ziemlich fremdes
Element in unserer Gesellschaft. Als er, irre ich nicht, i. I. 1862 als
sächsisches Landeskind von Leipzig hierher kam, brachte er anscheinend bereits
ein gutes Theil sowohl jenes Preußenhasses, wie jener politischen Geschmeidig¬
keit mit, deren Vorbild Herr von Beust damals und vielleicht auch heute
noch ist. Während der augustenvurger Episode entwickelte er im auswärtigen
Departement des Erbprinzen als Hülfsarbeiter beide Eigenschaften in frucht¬
barster Weise. Später als der leitende Genius det "Kieler Zeitung" und
als Vorstandsmitglied der Schleswig-holstein'schen Wahlvereine fand er mehr¬
fach Gelegenheit, sich mit der kieler Staatsanwaltschaft zu messen, und im
Augenblick sind seine beiden Reden im Nbgeordnetenhause gegen den Ober¬
präsidenten von Scheel-Plessen und gegen die preußischen Staatsanwälte das
große Ereigniß im Lande. Schade, daß Herr Hänel, so ächt auch sein Par-
ticularismus ist, doch selbst keine Hetmathsrechte in Schleswig-Holstein
besitzt! Dies allein thut seinem Ruhme unter uns Abbruch.

Hülf entern Lsineelws 6e seäitiollö yuerelltös! Ich habe durchaus keine
Neigung, sei es sür unser Oberpräsidium, sei es sür das Institut der Staats¬
anwaltschaft eine Lanze einzulegen. Aber Herr Hänel und seine Partei ge¬
hören nicht zu den Leuten, in deren Munde sich Klagen über Partei¬
regiment und politische Verfolgungssucht gut und ehrlich ausnehmen. Unsere


hatte die Schwäche, dem Andrängen des Oberpräsidiums nachzugeben und
wegen Uebertretung des bekannten Coalitionsverbots im Vereinsgesetz die
kieler Vorstandsmitglieder zu verfolgen. Sie erreichte in erster Instanz eine
Verurteilung zu einigen Ordnungsstrafen und nachdem sich der Proceß fast
ein Jahr hingeschleppt, führte er in zweiter Instanz zu der Feststellung, daß
es sich nur um einen großen Gesammtverein handele, und folgeweise zur
Freisprechung. Flugs wurde von Kiel aus dies Ereigniß den Parteigenossen
in einem ausführlichen Rundschreiben mitgetheilt und dieselben aufgefordert,
nunmehr dem zu allgemeiner politischer Thätigkeit verjüngten Vereine männig-
lich beizutreten, sür sein Programm kräftig zu wirken. Das recht glatt ge¬
schriebene Circulär erwähnte Nichts mehr von den Programm von Neumünster,
dem bisherigen Evangelium unserer Partieularisten, es vermied in Wort und
Gedanken ebenso geschickt jede Erwähnung Preußens, der nationalen und ge-
sammtstaatlichen Interessen und betonte in unendlichen Variationen lediglich
die Vertheidigung, Förderung, Entwickelung der provinciellen Institutionen.

An der Spitze dieser Art von Bewegung stand und steht Herr Hänel,
Professor der Rechte an der Universität Kiel, Abgeordneter des 18-
Schleswig-holstein'schen Wahlkreises. Er gehört unbedenklich zu den risioZ nett
in unserem Phäakenlande und ich hätte allen Grund, mein oben ausgesprochenes
abfälliges Urtheil über die Herrschaft politischer Impotenz zu seinen Gunsten
wesentlich einzuschränken, wäre Herr Hänel nicht ein ziemlich fremdes
Element in unserer Gesellschaft. Als er, irre ich nicht, i. I. 1862 als
sächsisches Landeskind von Leipzig hierher kam, brachte er anscheinend bereits
ein gutes Theil sowohl jenes Preußenhasses, wie jener politischen Geschmeidig¬
keit mit, deren Vorbild Herr von Beust damals und vielleicht auch heute
noch ist. Während der augustenvurger Episode entwickelte er im auswärtigen
Departement des Erbprinzen als Hülfsarbeiter beide Eigenschaften in frucht¬
barster Weise. Später als der leitende Genius det „Kieler Zeitung" und
als Vorstandsmitglied der Schleswig-holstein'schen Wahlvereine fand er mehr¬
fach Gelegenheit, sich mit der kieler Staatsanwaltschaft zu messen, und im
Augenblick sind seine beiden Reden im Nbgeordnetenhause gegen den Ober¬
präsidenten von Scheel-Plessen und gegen die preußischen Staatsanwälte das
große Ereigniß im Lande. Schade, daß Herr Hänel, so ächt auch sein Par-
ticularismus ist, doch selbst keine Hetmathsrechte in Schleswig-Holstein
besitzt! Dies allein thut seinem Ruhme unter uns Abbruch.

Hülf entern Lsineelws 6e seäitiollö yuerelltös! Ich habe durchaus keine
Neigung, sei es sür unser Oberpräsidium, sei es sür das Institut der Staats¬
anwaltschaft eine Lanze einzulegen. Aber Herr Hänel und seine Partei ge¬
hören nicht zu den Leuten, in deren Munde sich Klagen über Partei¬
regiment und politische Verfolgungssucht gut und ehrlich ausnehmen. Unsere


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/502>, abgerufen am 05.02.2025.