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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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gedacht'er Fahrt Jhro Königl. Maj. Staaten nur im Fluge berührte; so ist
leicht zu ermessen daß dieser Theil des Aussatzes der magerste und unzuläng¬
lichste seyn werde, wenn dasjenige was über andere Ortschaften und Gegen¬
den gesagt wird, vielleicht befriedigender ausfallen möchte.

Bey allem konnte ich jedoch nur daraus ausgehen zu bemerken, was
vorhanden und was für das Vorhandene allenfalls zu wünschen sey; das
Wie hingegen habe ich von meinen Betrachtungen ausgeschlossen, weil dieses
nur von denjenigen beurtheilt werden kann, welchen die Ausführung der
Sachen, unter gegebenen Bedingungen, der Zeit und Umstände, anver¬
traut ist.

Die Rhein- und Mayngegenden. im breitesten Sinne genommen, zeigen,
so wie das übrige Deutschland, ausgesäte größere und kleinere Lichtpunkte.

Die Natur der nebeneinander gelagerten Staaten bringt mit sich, daß
wir niemals zu denen Vortheilen gelangen können, deren sich die Pariser,
zwar mit Unrecht, aber doch zu eigenem und zum Vortheil der übrigen ge¬
bildeten Welt erfreuten. Alles denkbare, was der mannigfaltig Thätige zu
seinen Zwecken bedürfen mag, fand sich beysammen, so daß Männer wie
Humbold und Gall, wenn sie sich selber nicht verkürzen wollten, einen
solchen Aufenthalt nicht verlassen durften.

Dieser Körper ist auseinandergefallen, und wenn der deutsche Freund
der Kunst und Wissenschaft sich umsieht, wo er irgend ähnliche Vortheile
finden könnte; so wird er sich als einen Reisenden betrachten müssen, da er
denn freylich die größten Schätze von Wissenschaft und Kunst nach und nach
wird aufsuchen und benutzen können.

Die Hauptrichtung meines kleinen Aufsatzes geht deshalb dahin, einem
jeden Orte das seinige zu lassen und zu gönnen, das Vorhandene hingegen
allgemeiner bekannt zu machen, damit man leichter beurtheile, wie es er¬
halten und belebt und von Einheimischen und Fremden benutzt werden könne.

Wenn nun aber.das vorhergesagte hauptsächlich von demjenigen gilt,
was wirklich schon besteht, so findet bey dem, was erst eingerichtet werden
oll, eine neue Betrachtung statt.

Die Bildung nämlich unserer Zeit steht so hoch, daß weder die Wissen¬
schaft der Kunst, noch diese jener entbehren kann. Seit Winkelmanns und
seiner Nachfolger Bemühungen ist Philologie ohne Kunstbegriff nur einäugig.
Alle mehr oder weniger gebildete Völker hatten eine zweite Natur durch
Künste um sich erschaffen, die aus Ueberlieferung, Nationalcharakter und
climatischen Einfluß hervorwuchs, deswegen uns alle alterthümlichen Reste
von Götterstatuen bis zu Scherben und Ziegeln herab, respeetabel und be¬
lehrend bleiben.

Und so fördern die verschiedenen Zweige der Wissenschaften einander,


gedacht'er Fahrt Jhro Königl. Maj. Staaten nur im Fluge berührte; so ist
leicht zu ermessen daß dieser Theil des Aussatzes der magerste und unzuläng¬
lichste seyn werde, wenn dasjenige was über andere Ortschaften und Gegen¬
den gesagt wird, vielleicht befriedigender ausfallen möchte.

Bey allem konnte ich jedoch nur daraus ausgehen zu bemerken, was
vorhanden und was für das Vorhandene allenfalls zu wünschen sey; das
Wie hingegen habe ich von meinen Betrachtungen ausgeschlossen, weil dieses
nur von denjenigen beurtheilt werden kann, welchen die Ausführung der
Sachen, unter gegebenen Bedingungen, der Zeit und Umstände, anver¬
traut ist.

Die Rhein- und Mayngegenden. im breitesten Sinne genommen, zeigen,
so wie das übrige Deutschland, ausgesäte größere und kleinere Lichtpunkte.

Die Natur der nebeneinander gelagerten Staaten bringt mit sich, daß
wir niemals zu denen Vortheilen gelangen können, deren sich die Pariser,
zwar mit Unrecht, aber doch zu eigenem und zum Vortheil der übrigen ge¬
bildeten Welt erfreuten. Alles denkbare, was der mannigfaltig Thätige zu
seinen Zwecken bedürfen mag, fand sich beysammen, so daß Männer wie
Humbold und Gall, wenn sie sich selber nicht verkürzen wollten, einen
solchen Aufenthalt nicht verlassen durften.

Dieser Körper ist auseinandergefallen, und wenn der deutsche Freund
der Kunst und Wissenschaft sich umsieht, wo er irgend ähnliche Vortheile
finden könnte; so wird er sich als einen Reisenden betrachten müssen, da er
denn freylich die größten Schätze von Wissenschaft und Kunst nach und nach
wird aufsuchen und benutzen können.

Die Hauptrichtung meines kleinen Aufsatzes geht deshalb dahin, einem
jeden Orte das seinige zu lassen und zu gönnen, das Vorhandene hingegen
allgemeiner bekannt zu machen, damit man leichter beurtheile, wie es er¬
halten und belebt und von Einheimischen und Fremden benutzt werden könne.

Wenn nun aber.das vorhergesagte hauptsächlich von demjenigen gilt,
was wirklich schon besteht, so findet bey dem, was erst eingerichtet werden
oll, eine neue Betrachtung statt.

Die Bildung nämlich unserer Zeit steht so hoch, daß weder die Wissen¬
schaft der Kunst, noch diese jener entbehren kann. Seit Winkelmanns und
seiner Nachfolger Bemühungen ist Philologie ohne Kunstbegriff nur einäugig.
Alle mehr oder weniger gebildete Völker hatten eine zweite Natur durch
Künste um sich erschaffen, die aus Ueberlieferung, Nationalcharakter und
climatischen Einfluß hervorwuchs, deswegen uns alle alterthümlichen Reste
von Götterstatuen bis zu Scherben und Ziegeln herab, respeetabel und be¬
lehrend bleiben.

Und so fördern die verschiedenen Zweige der Wissenschaften einander,


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[0474] gedacht'er Fahrt Jhro Königl. Maj. Staaten nur im Fluge berührte; so ist leicht zu ermessen daß dieser Theil des Aussatzes der magerste und unzuläng¬ lichste seyn werde, wenn dasjenige was über andere Ortschaften und Gegen¬ den gesagt wird, vielleicht befriedigender ausfallen möchte. Bey allem konnte ich jedoch nur daraus ausgehen zu bemerken, was vorhanden und was für das Vorhandene allenfalls zu wünschen sey; das Wie hingegen habe ich von meinen Betrachtungen ausgeschlossen, weil dieses nur von denjenigen beurtheilt werden kann, welchen die Ausführung der Sachen, unter gegebenen Bedingungen, der Zeit und Umstände, anver¬ traut ist. Die Rhein- und Mayngegenden. im breitesten Sinne genommen, zeigen, so wie das übrige Deutschland, ausgesäte größere und kleinere Lichtpunkte. Die Natur der nebeneinander gelagerten Staaten bringt mit sich, daß wir niemals zu denen Vortheilen gelangen können, deren sich die Pariser, zwar mit Unrecht, aber doch zu eigenem und zum Vortheil der übrigen ge¬ bildeten Welt erfreuten. Alles denkbare, was der mannigfaltig Thätige zu seinen Zwecken bedürfen mag, fand sich beysammen, so daß Männer wie Humbold und Gall, wenn sie sich selber nicht verkürzen wollten, einen solchen Aufenthalt nicht verlassen durften. Dieser Körper ist auseinandergefallen, und wenn der deutsche Freund der Kunst und Wissenschaft sich umsieht, wo er irgend ähnliche Vortheile finden könnte; so wird er sich als einen Reisenden betrachten müssen, da er denn freylich die größten Schätze von Wissenschaft und Kunst nach und nach wird aufsuchen und benutzen können. Die Hauptrichtung meines kleinen Aufsatzes geht deshalb dahin, einem jeden Orte das seinige zu lassen und zu gönnen, das Vorhandene hingegen allgemeiner bekannt zu machen, damit man leichter beurtheile, wie es er¬ halten und belebt und von Einheimischen und Fremden benutzt werden könne. Wenn nun aber.das vorhergesagte hauptsächlich von demjenigen gilt, was wirklich schon besteht, so findet bey dem, was erst eingerichtet werden oll, eine neue Betrachtung statt. Die Bildung nämlich unserer Zeit steht so hoch, daß weder die Wissen¬ schaft der Kunst, noch diese jener entbehren kann. Seit Winkelmanns und seiner Nachfolger Bemühungen ist Philologie ohne Kunstbegriff nur einäugig. Alle mehr oder weniger gebildete Völker hatten eine zweite Natur durch Künste um sich erschaffen, die aus Ueberlieferung, Nationalcharakter und climatischen Einfluß hervorwuchs, deswegen uns alle alterthümlichen Reste von Götterstatuen bis zu Scherben und Ziegeln herab, respeetabel und be¬ lehrend bleiben. Und so fördern die verschiedenen Zweige der Wissenschaften einander,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/474>, abgerufen am 05.02.2025.