Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.eine veränderte Tonart an, und die Pessimisten hatten leichtes Spiel, wenn Für uns Deutsche ist dieser Zeitpunkt allgemeiner Gespanntheit der Ein günstiges Geschick hat gewollt, daß der Höhepunkt der französischen s*
eine veränderte Tonart an, und die Pessimisten hatten leichtes Spiel, wenn Für uns Deutsche ist dieser Zeitpunkt allgemeiner Gespanntheit der Ein günstiges Geschick hat gewollt, daß der Höhepunkt der französischen s*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0045" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287317"/> <p xml:id="ID_86" prev="#ID_85"> eine veränderte Tonart an, und die Pessimisten hatten leichtes Spiel, wenn<lb/> sie diese einzelnen Thatsachen in Zusammenhang brachten und zu Ungunsten<lb/> der Aufrechterhaltung des Friedens deuteten.</p><lb/> <p xml:id="ID_87"> Für uns Deutsche ist dieser Zeitpunkt allgemeiner Gespanntheit der<lb/> Gemüther und Verhältnisse mit einem Ereigniß zusammengefallen, das von<lb/> der Eider bis zu den Alpen mit Selbstgefühl begrüßt worden ist: mit der Rede<lb/> des Königs in Kiel. Auf die unerwartet günstige Aufnahme, welche der<lb/> greise Fürst an der Nordgrenze seines Staats gefunden, konnte keine bessere<lb/> Antwort ertheilt werden, als der Hinweis auf diejenige Frucht des Jahres<lb/> 1866, in deren freudiger Anerkennung Alle einig sind, welche auf den Namen<lb/> von Patrioten Anspruch machen: die Berufung darauf, daß es keine Gefahr<lb/> gebe, der das neue Deutschland nicht stolz und ruhig ins Auge sehen könne.<lb/> Gerade in Schleswig.Holstein, wo der Verzicht auf die Realisirung in das<lb/> Volksbewußtsein übergegangener Lieblingshoffnungen besonders tief einge¬<lb/> schnitten hatte, weil die Erfahrung von der UnHaltbarkeit der ersehnten klein¬<lb/> staatlichen Existenz fehlte, hat das Bewußtsein, daß durch die gebrachten Opfer<lb/> mindestens ein Resultat, die Machtstellung des Vaterlandes erreicht worden<lb/> ist, eine wichtige Mission. — Die Art und Weise, wie das königliche Wort<lb/> in Paris interpretirt worden, beweist, daß es auch in Beziehung auf das<lb/> Ausland zur rechten Zeit und in der richtigen Tonart gesprochen worden<lb/> ist. Es gab beiden um die öffentliche Meinung Frankreichs streitenden Par¬<lb/> teien die gebührende Antwort und die famose Ministerialerklärung, welche<lb/> Rouher der Börse über seine Auffassung der kieler Rede mittheilen ließ, führte<lb/> zum Ueberfluß den Beweis, daß man auch in dem Vaterlande hochmüthigen<lb/> Selbstgefühls Regungen der Furcht nicht ganz unzugänglich sei. Es ließe<lb/> sich schwerlich nachweisen, daß jemals früher ein von einem deutschen Fürsten<lb/> gesprochenes Wort so nachhaltigen Eindruck in der französischen Hauptstadt<lb/> gemacht und einer beruhigenden Interpretation durch die Staatsleiter her¬<lb/> vorgerufen hätte!</p><lb/> <p xml:id="ID_88" next="#ID_89"> Ein günstiges Geschick hat gewollt, daß der Höhepunkt der französischen<lb/> Kriegsdrohungen zugleich der Augenblick ihres Verstummens gewesen ist. Der<lb/> plötzliche Ausbruch der spanischen Revolution hat die preußischerseits angeord¬<lb/> nete Zurückstellung von Rekruten und Entlassung eines Theils der waffenfähigen<lb/> Mannschaft gerechtfertigt und als richtigen Calcul ausgewiesen. Fraglich kann<lb/> höchstens sein, ob der Aufstand in unserem und seinem eigenen Interesse nicht zu<lb/> früh ausgebrochen ist, ob er uns zu anderer Zeit nicht noch bessere Dienste ge¬<lb/> leistet hätte. Die Unberechenbarkeit seines Ausgangs muß zur Zeit als gün¬<lb/> stiges Moment angesehen werden, denn daß sich die Resultate der bisherigen<lb/> spanischen Erhebungen in der Regel vorausberechnen ließen, hing mit ihrer<lb/> Schwäche ziemlich eng zusammen. Die Aufmerksamkeit der Pariser ist fürs</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> s*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0045]
eine veränderte Tonart an, und die Pessimisten hatten leichtes Spiel, wenn
sie diese einzelnen Thatsachen in Zusammenhang brachten und zu Ungunsten
der Aufrechterhaltung des Friedens deuteten.
Für uns Deutsche ist dieser Zeitpunkt allgemeiner Gespanntheit der
Gemüther und Verhältnisse mit einem Ereigniß zusammengefallen, das von
der Eider bis zu den Alpen mit Selbstgefühl begrüßt worden ist: mit der Rede
des Königs in Kiel. Auf die unerwartet günstige Aufnahme, welche der
greise Fürst an der Nordgrenze seines Staats gefunden, konnte keine bessere
Antwort ertheilt werden, als der Hinweis auf diejenige Frucht des Jahres
1866, in deren freudiger Anerkennung Alle einig sind, welche auf den Namen
von Patrioten Anspruch machen: die Berufung darauf, daß es keine Gefahr
gebe, der das neue Deutschland nicht stolz und ruhig ins Auge sehen könne.
Gerade in Schleswig.Holstein, wo der Verzicht auf die Realisirung in das
Volksbewußtsein übergegangener Lieblingshoffnungen besonders tief einge¬
schnitten hatte, weil die Erfahrung von der UnHaltbarkeit der ersehnten klein¬
staatlichen Existenz fehlte, hat das Bewußtsein, daß durch die gebrachten Opfer
mindestens ein Resultat, die Machtstellung des Vaterlandes erreicht worden
ist, eine wichtige Mission. — Die Art und Weise, wie das königliche Wort
in Paris interpretirt worden, beweist, daß es auch in Beziehung auf das
Ausland zur rechten Zeit und in der richtigen Tonart gesprochen worden
ist. Es gab beiden um die öffentliche Meinung Frankreichs streitenden Par¬
teien die gebührende Antwort und die famose Ministerialerklärung, welche
Rouher der Börse über seine Auffassung der kieler Rede mittheilen ließ, führte
zum Ueberfluß den Beweis, daß man auch in dem Vaterlande hochmüthigen
Selbstgefühls Regungen der Furcht nicht ganz unzugänglich sei. Es ließe
sich schwerlich nachweisen, daß jemals früher ein von einem deutschen Fürsten
gesprochenes Wort so nachhaltigen Eindruck in der französischen Hauptstadt
gemacht und einer beruhigenden Interpretation durch die Staatsleiter her¬
vorgerufen hätte!
Ein günstiges Geschick hat gewollt, daß der Höhepunkt der französischen
Kriegsdrohungen zugleich der Augenblick ihres Verstummens gewesen ist. Der
plötzliche Ausbruch der spanischen Revolution hat die preußischerseits angeord¬
nete Zurückstellung von Rekruten und Entlassung eines Theils der waffenfähigen
Mannschaft gerechtfertigt und als richtigen Calcul ausgewiesen. Fraglich kann
höchstens sein, ob der Aufstand in unserem und seinem eigenen Interesse nicht zu
früh ausgebrochen ist, ob er uns zu anderer Zeit nicht noch bessere Dienste ge¬
leistet hätte. Die Unberechenbarkeit seines Ausgangs muß zur Zeit als gün¬
stiges Moment angesehen werden, denn daß sich die Resultate der bisherigen
spanischen Erhebungen in der Regel vorausberechnen ließen, hing mit ihrer
Schwäche ziemlich eng zusammen. Die Aufmerksamkeit der Pariser ist fürs
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