Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.wiederholt. Daß im kaiserlichen Hoflager bereits die Rede von der Nothwendig¬ In Spanien hat die Fortdauer des ungewissen Gährungszustandes, in wiederholt. Daß im kaiserlichen Hoflager bereits die Rede von der Nothwendig¬ In Spanien hat die Fortdauer des ungewissen Gährungszustandes, in <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0420" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287692"/> <p xml:id="ID_1055" prev="#ID_1054"> wiederholt. Daß im kaiserlichen Hoflager bereits die Rede von der Nothwendig¬<lb/> keit einer Armeereduction ist, zeigt, wie hoch die sinancielle Verlegenheit und<lb/> Bedrängniß selbst in den Augen des in Geldsachen nicht eben ängstlichen Kaisers<lb/> gestiegen ist und daß derselbe immer nur nach Ruhe seufzt und von keiner<lb/> Art von Veränderungen Etwas wissen will, entmuthigt seine Anhänger viel¬<lb/> leicht noch mehr, als das Anwachsen der Opposition. Daß das gegenwärtige<lb/> System auf zwei Augen steht galt lang genug für seine Stärke, daß ein<lb/> starker Wille herrsche, der blos Werkzeuge, nicht Genossen neben sich brauchte,<lb/> wurde nach den Wirren der Revolution und der impotenten blauen Republik<lb/> als Wohlthat gepriesen. Heute documentirt sich mit erschreckender Klarheit,<lb/> daß das gepriesene gouverinzment personnkl ein Provisorium war, von Hause<lb/> aus mehr darauf angelegt dem Ehrgeiz eines Einzelnen zu entsprechen, als<lb/> den Bedürfnissen einer Nation. Entschließt der Kaiser sich nicht noch in der<lb/> elften Stunde dazu, eine Modifikation eintreten zulassen, welche wenigstens<lb/> einzelnen Trägern der öffentlichen Meinung Frankreichs innerhalb des Kaiser-<lb/> thums Platz schafft — und das wird täglich unwahrscheinlicher — so kann<lb/> die von ihm geschaffene Regierungsform ihren Schöpfer kaum überleben. Die<lb/> Todesangst mit der die pariser Börse jede Nachricht von Schwankungen des<lb/> kaiserlichen Gesundheitszustandes aufnimmt, hat uns noch neuerdings darüber<lb/> belehrt, daß diese Meinung in den Kreisen Derer am weitesten verbreitet ist,<lb/> die sie am wenigsten wahr haben wollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1056" next="#ID_1057"> In Spanien hat die Fortdauer des ungewissen Gährungszustandes, in<lb/> welchem das Land sich befindet, die Lage der provisorischen Regierung und<lb/> die Aussichten der monarchisch-konstitutionellen Partei entschieden zum Un¬<lb/> günstigen verändert. Das von Olozaza veröffentlichte Rundschreiben des<lb/> Centralcomites, welches die liberalen Spanier zu festem Zusammenstehen gegen<lb/> die klerikalen Wühlereien für die Republik einladet, ist ein Symptom dafür,<lb/> daß die bisherigen Leiter der Bewegung den Boden unter ihren Füßen<lb/> schwinden fühlen. Noch sind es nicht zwei Monate, daß sie diesen Boden<lb/> betreten haben und bis zum Zusammentritt der Cortes werden mindestens<lb/> noch zwei weitere Monate vergehen. Es fehlt vielleicht nur noch, daß Prim<lb/> mit seiner Candidatur für die spanische Krone offen hervortritt, um dem<lb/> Faß den Boden auszuschlagen. Die Unfähigkeit der Regierung, ihr monarchi¬<lb/> sches Programm durch eine bestimmte Throncandidatur zu vervollständigen,<lb/> hat nicht nur ihrem Credit, sondern zugleich dem der monarchischen Sache<lb/> unendlichen Schaden gethan und den Republikanern und Pseudorepublicanern<lb/> direct in die Hände gearbeitet. Die clericale Partei ist zu klug, um ihre Sache<lb/> durch sofortiges Eintreten für die vertriebene Dynastie zu compromittiren;<lb/> ihren Zwecken läßt sich sehr viel erfolgreicher durch Unterstützung republikanischer<lb/> Gelüste nachgehen, da diese mit Nothwendigkeit zu Zerrüttung und Bürger-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0420]
wiederholt. Daß im kaiserlichen Hoflager bereits die Rede von der Nothwendig¬
keit einer Armeereduction ist, zeigt, wie hoch die sinancielle Verlegenheit und
Bedrängniß selbst in den Augen des in Geldsachen nicht eben ängstlichen Kaisers
gestiegen ist und daß derselbe immer nur nach Ruhe seufzt und von keiner
Art von Veränderungen Etwas wissen will, entmuthigt seine Anhänger viel¬
leicht noch mehr, als das Anwachsen der Opposition. Daß das gegenwärtige
System auf zwei Augen steht galt lang genug für seine Stärke, daß ein
starker Wille herrsche, der blos Werkzeuge, nicht Genossen neben sich brauchte,
wurde nach den Wirren der Revolution und der impotenten blauen Republik
als Wohlthat gepriesen. Heute documentirt sich mit erschreckender Klarheit,
daß das gepriesene gouverinzment personnkl ein Provisorium war, von Hause
aus mehr darauf angelegt dem Ehrgeiz eines Einzelnen zu entsprechen, als
den Bedürfnissen einer Nation. Entschließt der Kaiser sich nicht noch in der
elften Stunde dazu, eine Modifikation eintreten zulassen, welche wenigstens
einzelnen Trägern der öffentlichen Meinung Frankreichs innerhalb des Kaiser-
thums Platz schafft — und das wird täglich unwahrscheinlicher — so kann
die von ihm geschaffene Regierungsform ihren Schöpfer kaum überleben. Die
Todesangst mit der die pariser Börse jede Nachricht von Schwankungen des
kaiserlichen Gesundheitszustandes aufnimmt, hat uns noch neuerdings darüber
belehrt, daß diese Meinung in den Kreisen Derer am weitesten verbreitet ist,
die sie am wenigsten wahr haben wollen.
In Spanien hat die Fortdauer des ungewissen Gährungszustandes, in
welchem das Land sich befindet, die Lage der provisorischen Regierung und
die Aussichten der monarchisch-konstitutionellen Partei entschieden zum Un¬
günstigen verändert. Das von Olozaza veröffentlichte Rundschreiben des
Centralcomites, welches die liberalen Spanier zu festem Zusammenstehen gegen
die klerikalen Wühlereien für die Republik einladet, ist ein Symptom dafür,
daß die bisherigen Leiter der Bewegung den Boden unter ihren Füßen
schwinden fühlen. Noch sind es nicht zwei Monate, daß sie diesen Boden
betreten haben und bis zum Zusammentritt der Cortes werden mindestens
noch zwei weitere Monate vergehen. Es fehlt vielleicht nur noch, daß Prim
mit seiner Candidatur für die spanische Krone offen hervortritt, um dem
Faß den Boden auszuschlagen. Die Unfähigkeit der Regierung, ihr monarchi¬
sches Programm durch eine bestimmte Throncandidatur zu vervollständigen,
hat nicht nur ihrem Credit, sondern zugleich dem der monarchischen Sache
unendlichen Schaden gethan und den Republikanern und Pseudorepublicanern
direct in die Hände gearbeitet. Die clericale Partei ist zu klug, um ihre Sache
durch sofortiges Eintreten für die vertriebene Dynastie zu compromittiren;
ihren Zwecken läßt sich sehr viel erfolgreicher durch Unterstützung republikanischer
Gelüste nachgehen, da diese mit Nothwendigkeit zu Zerrüttung und Bürger-
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