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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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deren Eingeborenen, sowohl Stadt- als Landbewohner, in allen ihren wohl¬
erworbenen Gerechtsamen, Privilegien und Freiheiten zu handhaben und sie
auf keine Art, in keinem Falle und aus keinem irgend scheinbaren Grunde
in deren Genusse zu beeinträchtigen."

Die folgenden Artikel beschäftigen sich mit den seitens der neuen Herr¬
schaft gegen die Beamten, Pächter u. f. w. zu übernehmenden Verpflichtungen,
mit den Modalitäten der Auszahlung der stipulirten Summe und mit einigen
sonstigen Aeußerlichkeiten. Nur der Artikel 23 macht davon eine Ausnahme,
indem er auf die Nothwendigkeit der kaiserlichen Bestätigung des Pfandver¬
trages Bezug nimmt, welche jedoch, soviel bekannt, nicht erfolgt ist. Der
Artikel lautet: "Da auch ein über Reichslehen geschlossener Vertrag ohne
Vorwissen dessen höchsten Oberhauptes nicht vollzogen werden soll, so ver¬
sprechen Se. Majestät der König von Schweden, gegenwärtige Vereinbarung
zu Seiner kaiserlichen und königlichen Majestät Kenntniß zu befördern und
bei Seiner kaiserlichen, königlichen und apostolischen Majestät solche zweck¬
dienliche Anträge zu machen, als der hohen Paciscenten gemeinschaftliches
Interesse und Ihre wechselseitige Sicherheit erfordern dürfte."

Die Ordnung des Verhältnisses der Stadt zu den mecklenburgischen
Landständen und ihre Wiedereinfügung in den Organismus der Landesver¬
fassung, dem sie vor dem Uebergange an Schweden angehört hatte, lag
außerhalb der Rechtssphäre des Pfandvertrages und blieb daher der Verein¬
barung zwischen den Betheiligten überlassen. Der Wiedereinsetzung der Stadt
in das Recht der Landstandschast war nicht der Umstand hinderlich, daß sie
durch den Pfandvertrag nur für eine bestimmte Zeit an Mecklenburg hin¬
gegeben wurde. Denn wenn auch der Fall der Wiedereinlösung stets im
Auge behalten werden mußte, so konnte die Stadt doch jedenfalls für die
Zeit, wo sie sich im mecklenburgischen Pfandbesitz befand, in den ständischen
Organismus wieder eintreten. Die Schwierigkeit lag darin, daß die mecklen¬
burgische Verfassung während der Zeit, wo Wismar in schwedischen Besitz
war, sich weiter entwickelt hatte und daß die Rechte und Pflichten der stän¬
dischen Corporationen im Verhältnisse zur Landesherrschaft und zu einander
durch neue Verträge genauer festgestellt waren. Der Eintritt eines neuen
Gliedes war ohne Störung des mühsam gefundenen Gleichgewichts schwer
zu bewirken. Andererseits verlangte auch die Stellung und das Selbstbe¬
wußtsein Wismars bei dem Eintritt in den ständischen Organismus mancher¬
lei Vorsichtsmaßregeln zur Wahrung der Sonderrechte. Ungeachtet wieder¬
holter Versuche ist es daher bis auf diesen Tag nicht gelungen, über die der
Stadt Wismar innerhalb der ständischen Verfassung einzuräumenden Rechte
zu einem allseitigen Einverständnisse zu gelangen und Wismar ist noch jetzt
ohne Sitz und Stimme auf den Landtagen und ohne Mitwirkung bei der


deren Eingeborenen, sowohl Stadt- als Landbewohner, in allen ihren wohl¬
erworbenen Gerechtsamen, Privilegien und Freiheiten zu handhaben und sie
auf keine Art, in keinem Falle und aus keinem irgend scheinbaren Grunde
in deren Genusse zu beeinträchtigen."

Die folgenden Artikel beschäftigen sich mit den seitens der neuen Herr¬
schaft gegen die Beamten, Pächter u. f. w. zu übernehmenden Verpflichtungen,
mit den Modalitäten der Auszahlung der stipulirten Summe und mit einigen
sonstigen Aeußerlichkeiten. Nur der Artikel 23 macht davon eine Ausnahme,
indem er auf die Nothwendigkeit der kaiserlichen Bestätigung des Pfandver¬
trages Bezug nimmt, welche jedoch, soviel bekannt, nicht erfolgt ist. Der
Artikel lautet: „Da auch ein über Reichslehen geschlossener Vertrag ohne
Vorwissen dessen höchsten Oberhauptes nicht vollzogen werden soll, so ver¬
sprechen Se. Majestät der König von Schweden, gegenwärtige Vereinbarung
zu Seiner kaiserlichen und königlichen Majestät Kenntniß zu befördern und
bei Seiner kaiserlichen, königlichen und apostolischen Majestät solche zweck¬
dienliche Anträge zu machen, als der hohen Paciscenten gemeinschaftliches
Interesse und Ihre wechselseitige Sicherheit erfordern dürfte."

Die Ordnung des Verhältnisses der Stadt zu den mecklenburgischen
Landständen und ihre Wiedereinfügung in den Organismus der Landesver¬
fassung, dem sie vor dem Uebergange an Schweden angehört hatte, lag
außerhalb der Rechtssphäre des Pfandvertrages und blieb daher der Verein¬
barung zwischen den Betheiligten überlassen. Der Wiedereinsetzung der Stadt
in das Recht der Landstandschast war nicht der Umstand hinderlich, daß sie
durch den Pfandvertrag nur für eine bestimmte Zeit an Mecklenburg hin¬
gegeben wurde. Denn wenn auch der Fall der Wiedereinlösung stets im
Auge behalten werden mußte, so konnte die Stadt doch jedenfalls für die
Zeit, wo sie sich im mecklenburgischen Pfandbesitz befand, in den ständischen
Organismus wieder eintreten. Die Schwierigkeit lag darin, daß die mecklen¬
burgische Verfassung während der Zeit, wo Wismar in schwedischen Besitz
war, sich weiter entwickelt hatte und daß die Rechte und Pflichten der stän¬
dischen Corporationen im Verhältnisse zur Landesherrschaft und zu einander
durch neue Verträge genauer festgestellt waren. Der Eintritt eines neuen
Gliedes war ohne Störung des mühsam gefundenen Gleichgewichts schwer
zu bewirken. Andererseits verlangte auch die Stellung und das Selbstbe¬
wußtsein Wismars bei dem Eintritt in den ständischen Organismus mancher¬
lei Vorsichtsmaßregeln zur Wahrung der Sonderrechte. Ungeachtet wieder¬
holter Versuche ist es daher bis auf diesen Tag nicht gelungen, über die der
Stadt Wismar innerhalb der ständischen Verfassung einzuräumenden Rechte
zu einem allseitigen Einverständnisse zu gelangen und Wismar ist noch jetzt
ohne Sitz und Stimme auf den Landtagen und ohne Mitwirkung bei der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/32>, abgerufen am 05.02.2025.