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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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gäbe den besten Malern zugemuthet werden konnte. Geschmack und Methode
dieser Malerei aus den spärlichen Ueberresten der Farbe, welche an neuen
Funden noch erkennbar sind, zu begreifen, ist, wie man aus dem Buche sieht,
gerade jetzt eine lockende Aufgabe für unsere Archäologen.

Es sind die Trümmer einer vergangenen Kunstwelt, von denen das
Buch handelt; aber wer diese Ueberreste antiker Schöpferkraft mustert, den
überwältigt fast die Ahnung einer unermeßlichen Fülle von Glanz, Farbe
und schönen Formen, von Technik, Kunst und Pracht des antiken Lebens.
Wohl wissen wir, auch dieser Lichthimmel der antiken Bildung mußte bis
auf vereinzelte Strahlen umdämmert werden, damit wir Germanen unser
Volksthum behaupten und ein eigenes Leben in der Zeit uns retten
konnten. Aber unsere Abhängigkeit von antiker Cultur ist doch so innig ge¬
blieben, daß wir aus ihrem versunkenen Glänze unablässig für uns zu ge¬
winnen suchen, gerade so viel, als wir verarbeiten können. Und
diesen lebenbringenden Zusammenhang der germanischen und antiken Zeit
stellen die letzten Aufsätze des Buches an drei wohlgewählten Beispielen dar.
Ein italienischer Antiquar im Aufgange des Is. Jahrhunderts zeichnet die
Umrisse einer -- für uns verlorenen -- Antike; nach dieser Handschrift des
Jtalieners zeichnet kurz darauf ein ehrlicher Deutscher rohe Abrisse in sein
Reisebuch; diese findet Albrecht Dürer und benutzt sie als Motiv für eine
reizende Zeichnung: Arion aus dem Delphin. -- Später als den Italienern kam
den Deutschen die lateinische Bildung; wie schwer der Kampf des armen
Schülers war. der die Cultur der lateinischen Schule gewinnen wollte, zeigt
ein anderes Bild. Das dritte endlich, wie von moderner Dichtkunst eine
antike Kunstidee neu aufgenommen und nach den Bedürfnissen des deutschen
Gemüthes verarbeitet wurde: Iphigenie auf Tauris.

Zu lange war es Brauch der namhaften deutschen Gelehrten, die Po-
pularisirung ihrer Arbeit den kleineren Leuten ihrer Wissenschaft zu überlas¬
sen. Wir freuen uns, daß dies jetzt anders wird. Es wäre eine sehr un¬
richtige Annahme, daß ein Buch wie das vorliegende auch irgend ein Andrer
schreiben konnte, und es ist völlig unwahr, daß Würde und Gründlichkeit
eines ernsten Forschers bei solchen Werken leidet, welche verstehen, eine große
Zahl gebildeter Zeitgenossen zu achtungsvoller Theilnahme an den Resulta¬
ten ernster Wissenschaft heranzuziehen. Dem Verfasser des vorliegenden Wer¬
kes aber werden die Leser für ein sehr lehrreiches und fesselndes Buch ebenso
dankbar sein, als ihrem treuen Correspondenten die grünen Blätter.


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gäbe den besten Malern zugemuthet werden konnte. Geschmack und Methode
dieser Malerei aus den spärlichen Ueberresten der Farbe, welche an neuen
Funden noch erkennbar sind, zu begreifen, ist, wie man aus dem Buche sieht,
gerade jetzt eine lockende Aufgabe für unsere Archäologen.

Es sind die Trümmer einer vergangenen Kunstwelt, von denen das
Buch handelt; aber wer diese Ueberreste antiker Schöpferkraft mustert, den
überwältigt fast die Ahnung einer unermeßlichen Fülle von Glanz, Farbe
und schönen Formen, von Technik, Kunst und Pracht des antiken Lebens.
Wohl wissen wir, auch dieser Lichthimmel der antiken Bildung mußte bis
auf vereinzelte Strahlen umdämmert werden, damit wir Germanen unser
Volksthum behaupten und ein eigenes Leben in der Zeit uns retten
konnten. Aber unsere Abhängigkeit von antiker Cultur ist doch so innig ge¬
blieben, daß wir aus ihrem versunkenen Glänze unablässig für uns zu ge¬
winnen suchen, gerade so viel, als wir verarbeiten können. Und
diesen lebenbringenden Zusammenhang der germanischen und antiken Zeit
stellen die letzten Aufsätze des Buches an drei wohlgewählten Beispielen dar.
Ein italienischer Antiquar im Aufgange des Is. Jahrhunderts zeichnet die
Umrisse einer — für uns verlorenen — Antike; nach dieser Handschrift des
Jtalieners zeichnet kurz darauf ein ehrlicher Deutscher rohe Abrisse in sein
Reisebuch; diese findet Albrecht Dürer und benutzt sie als Motiv für eine
reizende Zeichnung: Arion aus dem Delphin. — Später als den Italienern kam
den Deutschen die lateinische Bildung; wie schwer der Kampf des armen
Schülers war. der die Cultur der lateinischen Schule gewinnen wollte, zeigt
ein anderes Bild. Das dritte endlich, wie von moderner Dichtkunst eine
antike Kunstidee neu aufgenommen und nach den Bedürfnissen des deutschen
Gemüthes verarbeitet wurde: Iphigenie auf Tauris.

Zu lange war es Brauch der namhaften deutschen Gelehrten, die Po-
pularisirung ihrer Arbeit den kleineren Leuten ihrer Wissenschaft zu überlas¬
sen. Wir freuen uns, daß dies jetzt anders wird. Es wäre eine sehr un¬
richtige Annahme, daß ein Buch wie das vorliegende auch irgend ein Andrer
schreiben konnte, und es ist völlig unwahr, daß Würde und Gründlichkeit
eines ernsten Forschers bei solchen Werken leidet, welche verstehen, eine große
Zahl gebildeter Zeitgenossen zu achtungsvoller Theilnahme an den Resulta¬
ten ernster Wissenschaft heranzuziehen. Dem Verfasser des vorliegenden Wer¬
kes aber werden die Leser für ein sehr lehrreiches und fesselndes Buch ebenso
dankbar sein, als ihrem treuen Correspondenten die grünen Blätter.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/266>, abgerufen am 05.02.2025.