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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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currenz. Diese könne nun in das Eisenbahnwesen eingeführt werden auf
dem Wege, den man in England schon längst eingeschlagen und welchen für
Deutschland schon im I. 1860 die Hamburger Generalversammlung des Ver¬
eins deutscher Eisenbahnverwaltungen in Vorschlag gebracht habe, daß man
nämlich unterscheide

a. Den Frachtverkehr, bei welchem die Eisenbahnverwaltung die
Güter in Empfang nimmt, sie verladet und nach vollbrachter Beförderung
auf der Bahn sie an dem Bestimmungsorte an den ihr angewiesenen Em¬
pfänger abliefert,

b. von dem Fahrverkehr, bei welchem die Eisenbahnverwaltung einen
Eisenbahnwagen dem Absender zur Verladung der Güter bereit stellt und
nach vollbrachter Beförderung auf der Bahn dem ihr angewiesenen Empfän¬
ger zur Entladung der Güter wiederum bereit stellen läßt.

Referent konnte sich auch auf ein Beispiel aus der Praxis einer deut¬
schen Bahn beziehen: die nassauische Eisenbahn stellt einzelnen Absendern leere
Waggons zur Verfügung und erhebt dafür, ohne von dem Inhalt der Wagen¬
ladungen Kenntniß zu nehmen, eine Pauschal - Miethe. Man hat, so fuhr
Referent fort, gegen diesen Vorschlag eingewendet, daß ja in England selbst
der Fahrverkehr mehr und mehr außer Uebung komme. Dies ist innerhalb
gewisser Grenzen wahr; die bloße gesetzliche Möglichkeit der Concurrenz der
Spediteure hat eben die Bahnverwaltungen genöthigt, ihre Sätze so niedrig
zu stellen, daß sie die Concurrenz nicht zu scheuen brauchen. Für gewisse
Güter bildet aber doch die Beförderung im Fahrverkehr die entschiedene Regel.
Es führt sich auf diese Weise von selbst eine Arbeitstheilung ein, die allen
Interessenten zugute kommt. Man mag übrigens ja nicht von der gesetzt
lichen Einführung jenes Unterschieds, der ein rein faculrativer bleiben soll,
eine plötzliche großartige Umwandelung erwarten; der Ausschuß gibt sich
darüber keinen Illusionen hin. daß die Wirkung nur eine leise und allmä-
lige sein kann; aber besser leise und allmälig, als nicht und niemals."

Auf einige specielle Reformen, die der Ausschuß noch befürwortete, kom¬
men wir unten zurück. Rücksichtlich der Stromschifffahrt beantragte er noch¬
malige Verweisung des neuen Materials an eine Commission behufs Aus¬
arbeitung einer Denkschrift. Einen redegewandten und schlagfertigen Gegner
fand der Referent in dem schon genannten Moll, einem langjährigen Mit¬
gliede des badischen Landtags, der, wie er sich ausdrückte, dem ausgezeichne¬
ten theoretischen Vortrag des Ersteren gegenüber doch auch einige bescheidene
praktische Gesichtspunkte zur Geltung zu bringen hoffte. Die sreie Concur¬
renz sei gewiß ein sehr beachtenswerthes Princip, nur werde leider selbst im
großen Verkehr ihre Wirkung durch Compromisse der Bahnen ausgeschlossen
und im internen Verkehr sei von ihr gar keine Rede. Von dem Fahrver-


currenz. Diese könne nun in das Eisenbahnwesen eingeführt werden auf
dem Wege, den man in England schon längst eingeschlagen und welchen für
Deutschland schon im I. 1860 die Hamburger Generalversammlung des Ver¬
eins deutscher Eisenbahnverwaltungen in Vorschlag gebracht habe, daß man
nämlich unterscheide

a. Den Frachtverkehr, bei welchem die Eisenbahnverwaltung die
Güter in Empfang nimmt, sie verladet und nach vollbrachter Beförderung
auf der Bahn sie an dem Bestimmungsorte an den ihr angewiesenen Em¬
pfänger abliefert,

b. von dem Fahrverkehr, bei welchem die Eisenbahnverwaltung einen
Eisenbahnwagen dem Absender zur Verladung der Güter bereit stellt und
nach vollbrachter Beförderung auf der Bahn dem ihr angewiesenen Empfän¬
ger zur Entladung der Güter wiederum bereit stellen läßt.

Referent konnte sich auch auf ein Beispiel aus der Praxis einer deut¬
schen Bahn beziehen: die nassauische Eisenbahn stellt einzelnen Absendern leere
Waggons zur Verfügung und erhebt dafür, ohne von dem Inhalt der Wagen¬
ladungen Kenntniß zu nehmen, eine Pauschal - Miethe. Man hat, so fuhr
Referent fort, gegen diesen Vorschlag eingewendet, daß ja in England selbst
der Fahrverkehr mehr und mehr außer Uebung komme. Dies ist innerhalb
gewisser Grenzen wahr; die bloße gesetzliche Möglichkeit der Concurrenz der
Spediteure hat eben die Bahnverwaltungen genöthigt, ihre Sätze so niedrig
zu stellen, daß sie die Concurrenz nicht zu scheuen brauchen. Für gewisse
Güter bildet aber doch die Beförderung im Fahrverkehr die entschiedene Regel.
Es führt sich auf diese Weise von selbst eine Arbeitstheilung ein, die allen
Interessenten zugute kommt. Man mag übrigens ja nicht von der gesetzt
lichen Einführung jenes Unterschieds, der ein rein faculrativer bleiben soll,
eine plötzliche großartige Umwandelung erwarten; der Ausschuß gibt sich
darüber keinen Illusionen hin. daß die Wirkung nur eine leise und allmä-
lige sein kann; aber besser leise und allmälig, als nicht und niemals."

Auf einige specielle Reformen, die der Ausschuß noch befürwortete, kom¬
men wir unten zurück. Rücksichtlich der Stromschifffahrt beantragte er noch¬
malige Verweisung des neuen Materials an eine Commission behufs Aus¬
arbeitung einer Denkschrift. Einen redegewandten und schlagfertigen Gegner
fand der Referent in dem schon genannten Moll, einem langjährigen Mit¬
gliede des badischen Landtags, der, wie er sich ausdrückte, dem ausgezeichne¬
ten theoretischen Vortrag des Ersteren gegenüber doch auch einige bescheidene
praktische Gesichtspunkte zur Geltung zu bringen hoffte. Die sreie Concur¬
renz sei gewiß ein sehr beachtenswerthes Princip, nur werde leider selbst im
großen Verkehr ihre Wirkung durch Compromisse der Bahnen ausgeschlossen
und im internen Verkehr sei von ihr gar keine Rede. Von dem Fahrver-


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[0250] currenz. Diese könne nun in das Eisenbahnwesen eingeführt werden auf dem Wege, den man in England schon längst eingeschlagen und welchen für Deutschland schon im I. 1860 die Hamburger Generalversammlung des Ver¬ eins deutscher Eisenbahnverwaltungen in Vorschlag gebracht habe, daß man nämlich unterscheide a. Den Frachtverkehr, bei welchem die Eisenbahnverwaltung die Güter in Empfang nimmt, sie verladet und nach vollbrachter Beförderung auf der Bahn sie an dem Bestimmungsorte an den ihr angewiesenen Em¬ pfänger abliefert, b. von dem Fahrverkehr, bei welchem die Eisenbahnverwaltung einen Eisenbahnwagen dem Absender zur Verladung der Güter bereit stellt und nach vollbrachter Beförderung auf der Bahn dem ihr angewiesenen Empfän¬ ger zur Entladung der Güter wiederum bereit stellen läßt. Referent konnte sich auch auf ein Beispiel aus der Praxis einer deut¬ schen Bahn beziehen: die nassauische Eisenbahn stellt einzelnen Absendern leere Waggons zur Verfügung und erhebt dafür, ohne von dem Inhalt der Wagen¬ ladungen Kenntniß zu nehmen, eine Pauschal - Miethe. Man hat, so fuhr Referent fort, gegen diesen Vorschlag eingewendet, daß ja in England selbst der Fahrverkehr mehr und mehr außer Uebung komme. Dies ist innerhalb gewisser Grenzen wahr; die bloße gesetzliche Möglichkeit der Concurrenz der Spediteure hat eben die Bahnverwaltungen genöthigt, ihre Sätze so niedrig zu stellen, daß sie die Concurrenz nicht zu scheuen brauchen. Für gewisse Güter bildet aber doch die Beförderung im Fahrverkehr die entschiedene Regel. Es führt sich auf diese Weise von selbst eine Arbeitstheilung ein, die allen Interessenten zugute kommt. Man mag übrigens ja nicht von der gesetzt lichen Einführung jenes Unterschieds, der ein rein faculrativer bleiben soll, eine plötzliche großartige Umwandelung erwarten; der Ausschuß gibt sich darüber keinen Illusionen hin. daß die Wirkung nur eine leise und allmä- lige sein kann; aber besser leise und allmälig, als nicht und niemals." Auf einige specielle Reformen, die der Ausschuß noch befürwortete, kom¬ men wir unten zurück. Rücksichtlich der Stromschifffahrt beantragte er noch¬ malige Verweisung des neuen Materials an eine Commission behufs Aus¬ arbeitung einer Denkschrift. Einen redegewandten und schlagfertigen Gegner fand der Referent in dem schon genannten Moll, einem langjährigen Mit¬ gliede des badischen Landtags, der, wie er sich ausdrückte, dem ausgezeichne¬ ten theoretischen Vortrag des Ersteren gegenüber doch auch einige bescheidene praktische Gesichtspunkte zur Geltung zu bringen hoffte. Die sreie Concur¬ renz sei gewiß ein sehr beachtenswerthes Princip, nur werde leider selbst im großen Verkehr ihre Wirkung durch Compromisse der Bahnen ausgeschlossen und im internen Verkehr sei von ihr gar keine Rede. Von dem Fahrver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/250>, abgerufen am 05.02.2025.