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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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kommen? Hamburg ist allerdings reich, aber die Steuern sind schon hoch
und neue stehen in Aussicht, da der norddeutsche Bund unsre frühern Ueber¬
schüsse in ein Deficit von 1 Mill. verwandelt hat; wird man unter solchen
Umständen nicht Bedenken tragen müssen, das Budget in so starkem Maße
mehr zu belasten, wie eine Universität es verlangen würde? Diese Belastung
bliebe auch dann noch groß, wenn Preußen sich etwa bereit zeigte, die Kosten
zur Hälfte zu tragen, und außerdem würden bet solcher Eventualität sehr
verwickelte Verhältnisse durch eine gemeinsame Verwaltung geschaffen.

Aber auch hiervon abgesehen halten wir Hamburg nicht für den Boden,
wo eine Universität recht gedeihen würde; daß sein geistiges Leben durch die¬
selbe in realer Beziehung eine große Bereicherung erfahren würde ist gewiß,
aber dieser Aussicht glauben wir auch auf andere Weise gerecht werden zu
können, wobei alle die vom Verfasser gerühmten Vorzüge für naturwissen¬
schaftliche, mathematische, geschichtliche und staatswissenschaftliche Studien zur
Geltung kommen würden. Doch zu einer Universität gehört noch mehr: für
Philologie, Philosophie, Theologie ist Hamburg absolut kein Feld, ja wir
möchten bezweifeln, ob es für das eigentliche Studium der Jurisprudenz
wesentliche Vorzüge bietet, denn Studenten würden wenig von dem Handels¬
gericht haben können. Endlich, ist das Leben in Kiel theuer, so ist es doch
in Hamburg gewiß noch kostspieliger.

Aus diesen Gründen müssen wir dem drastischen Ausdruck eines Freun¬
des beipflichten, der auf die Frage, was er von der Gründung einer Uni¬
versität in Hamburg halte, erwiderte: "das wäre Runkelrübenbau auf
Getraideboden." > -

Aber darin hat die Stimme aus Holstein auch unserer Ansicht nach voll¬
kommen Recht, daß Hamburg eine große Anstalt entbehrt, welche für über
die Schulbildung hinausgehende Studien bestimmt ist, und daß dies als ein
empfindlicher Mangel gefühlt wird. Diese Lücke müßte unsrer Ansicht nach
ausgefüllt werden durch die Umbildung des akademischen Gymnasiums in
eine Akademie für Nichtstudirende.

Das akademische Gymnasium ward wie das Carolinum in Braunschweig
gegründet, um eine Uebergangsstufe zwischen Schule und Universität zu sein.
Durch die höhere Ausbildung der gelehrten Schulen sind solche Mittelan¬
stalten überflüssig geworden, sie können Nichts mehr leisten was bei richtiger
Anordnung und Leitung nicht eben so gut oder besser in der ersten Classe
der Gelehrtenschule oder im ersten Stadium der Universitätsstudien erreicht
werden kann. Nachdem sich die Hamburger gelehrte Schule unter Classen's
trefflicher Leitung in neuester Zeit sehr gehoben, ist das akademische Gymnasium
fast ohne Schüler, die Professoren haben entweder gar keine Zuhörer in
der classischen und biblischen Philologie, oder finden den Schwerpunkt ihres


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kommen? Hamburg ist allerdings reich, aber die Steuern sind schon hoch
und neue stehen in Aussicht, da der norddeutsche Bund unsre frühern Ueber¬
schüsse in ein Deficit von 1 Mill. verwandelt hat; wird man unter solchen
Umständen nicht Bedenken tragen müssen, das Budget in so starkem Maße
mehr zu belasten, wie eine Universität es verlangen würde? Diese Belastung
bliebe auch dann noch groß, wenn Preußen sich etwa bereit zeigte, die Kosten
zur Hälfte zu tragen, und außerdem würden bet solcher Eventualität sehr
verwickelte Verhältnisse durch eine gemeinsame Verwaltung geschaffen.

Aber auch hiervon abgesehen halten wir Hamburg nicht für den Boden,
wo eine Universität recht gedeihen würde; daß sein geistiges Leben durch die¬
selbe in realer Beziehung eine große Bereicherung erfahren würde ist gewiß,
aber dieser Aussicht glauben wir auch auf andere Weise gerecht werden zu
können, wobei alle die vom Verfasser gerühmten Vorzüge für naturwissen¬
schaftliche, mathematische, geschichtliche und staatswissenschaftliche Studien zur
Geltung kommen würden. Doch zu einer Universität gehört noch mehr: für
Philologie, Philosophie, Theologie ist Hamburg absolut kein Feld, ja wir
möchten bezweifeln, ob es für das eigentliche Studium der Jurisprudenz
wesentliche Vorzüge bietet, denn Studenten würden wenig von dem Handels¬
gericht haben können. Endlich, ist das Leben in Kiel theuer, so ist es doch
in Hamburg gewiß noch kostspieliger.

Aus diesen Gründen müssen wir dem drastischen Ausdruck eines Freun¬
des beipflichten, der auf die Frage, was er von der Gründung einer Uni¬
versität in Hamburg halte, erwiderte: „das wäre Runkelrübenbau auf
Getraideboden." > -

Aber darin hat die Stimme aus Holstein auch unserer Ansicht nach voll¬
kommen Recht, daß Hamburg eine große Anstalt entbehrt, welche für über
die Schulbildung hinausgehende Studien bestimmt ist, und daß dies als ein
empfindlicher Mangel gefühlt wird. Diese Lücke müßte unsrer Ansicht nach
ausgefüllt werden durch die Umbildung des akademischen Gymnasiums in
eine Akademie für Nichtstudirende.

Das akademische Gymnasium ward wie das Carolinum in Braunschweig
gegründet, um eine Uebergangsstufe zwischen Schule und Universität zu sein.
Durch die höhere Ausbildung der gelehrten Schulen sind solche Mittelan¬
stalten überflüssig geworden, sie können Nichts mehr leisten was bei richtiger
Anordnung und Leitung nicht eben so gut oder besser in der ersten Classe
der Gelehrtenschule oder im ersten Stadium der Universitätsstudien erreicht
werden kann. Nachdem sich die Hamburger gelehrte Schule unter Classen's
trefflicher Leitung in neuester Zeit sehr gehoben, ist das akademische Gymnasium
fast ohne Schüler, die Professoren haben entweder gar keine Zuhörer in
der classischen und biblischen Philologie, oder finden den Schwerpunkt ihres


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[0247] kommen? Hamburg ist allerdings reich, aber die Steuern sind schon hoch und neue stehen in Aussicht, da der norddeutsche Bund unsre frühern Ueber¬ schüsse in ein Deficit von 1 Mill. verwandelt hat; wird man unter solchen Umständen nicht Bedenken tragen müssen, das Budget in so starkem Maße mehr zu belasten, wie eine Universität es verlangen würde? Diese Belastung bliebe auch dann noch groß, wenn Preußen sich etwa bereit zeigte, die Kosten zur Hälfte zu tragen, und außerdem würden bet solcher Eventualität sehr verwickelte Verhältnisse durch eine gemeinsame Verwaltung geschaffen. Aber auch hiervon abgesehen halten wir Hamburg nicht für den Boden, wo eine Universität recht gedeihen würde; daß sein geistiges Leben durch die¬ selbe in realer Beziehung eine große Bereicherung erfahren würde ist gewiß, aber dieser Aussicht glauben wir auch auf andere Weise gerecht werden zu können, wobei alle die vom Verfasser gerühmten Vorzüge für naturwissen¬ schaftliche, mathematische, geschichtliche und staatswissenschaftliche Studien zur Geltung kommen würden. Doch zu einer Universität gehört noch mehr: für Philologie, Philosophie, Theologie ist Hamburg absolut kein Feld, ja wir möchten bezweifeln, ob es für das eigentliche Studium der Jurisprudenz wesentliche Vorzüge bietet, denn Studenten würden wenig von dem Handels¬ gericht haben können. Endlich, ist das Leben in Kiel theuer, so ist es doch in Hamburg gewiß noch kostspieliger. Aus diesen Gründen müssen wir dem drastischen Ausdruck eines Freun¬ des beipflichten, der auf die Frage, was er von der Gründung einer Uni¬ versität in Hamburg halte, erwiderte: „das wäre Runkelrübenbau auf Getraideboden." > - Aber darin hat die Stimme aus Holstein auch unserer Ansicht nach voll¬ kommen Recht, daß Hamburg eine große Anstalt entbehrt, welche für über die Schulbildung hinausgehende Studien bestimmt ist, und daß dies als ein empfindlicher Mangel gefühlt wird. Diese Lücke müßte unsrer Ansicht nach ausgefüllt werden durch die Umbildung des akademischen Gymnasiums in eine Akademie für Nichtstudirende. Das akademische Gymnasium ward wie das Carolinum in Braunschweig gegründet, um eine Uebergangsstufe zwischen Schule und Universität zu sein. Durch die höhere Ausbildung der gelehrten Schulen sind solche Mittelan¬ stalten überflüssig geworden, sie können Nichts mehr leisten was bei richtiger Anordnung und Leitung nicht eben so gut oder besser in der ersten Classe der Gelehrtenschule oder im ersten Stadium der Universitätsstudien erreicht werden kann. Nachdem sich die Hamburger gelehrte Schule unter Classen's trefflicher Leitung in neuester Zeit sehr gehoben, ist das akademische Gymnasium fast ohne Schüler, die Professoren haben entweder gar keine Zuhörer in der classischen und biblischen Philologie, oder finden den Schwerpunkt ihres 29"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/247>, abgerufen am 05.02.2025.