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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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im kann, hergestellt sein werden, dann darf Kiel wohl einer neuen Blüthe
entgegensehen. So glauben wir, man könnte der Stadt das Opfer ersparen,
welches ihr eine Verlegung der Universität nach Hamburg auferlegen würde,
und welches auch in den Herzogthümern, mit deren Geschichte Kiel so eng
verwachsen ist, sehr gefühlt werden müßte, man sollte nicht ohne Noth den
Faden einer 200jährigen Geschichte abschneiden.

Allerdings diese Gründe müssen weichen, wenn Hamburg die Aufgabe
einer Universität für die Herzogthümer entschieden besser erfüllen würde.
Dies aber müssen wir bestreiten. Daß es rationell die Hauptstadt, nicht
nur für Schleswig-Holstein, sondern für die ganze cimbrische Halbinsel ist,
wird nicht bestritten; der jüdische Kaufmann arbeitet fast ausschließlich mit
Hamburger Credit; daß es aber auch schon der geistige Mittelpunkt geworden,
wie der Verfasser sagt, möchte zweifelhaft sein. Eine Universität würde frei¬
lich viel beitragen es dazu zu machen, aber doch halten wir Hamburg nicht
für geeignet. -- Zunächst bleiben wir der Ansicht, daß in der Regel große
Städte weniger geeignet für akademische Studien sind als kleinere, die Zer¬
streuungen, welche sie bieten, das theure Leben wirken ungünstig. Allerdings
haben auch die Großstädte ihre Vorzüge, durch das sich entfaltende, reichere
Leben, die umfassenden Anstalten, die Sammlungen, das Theater ze. Indeß
uns will bedünken, daß wir in Deutschland solcher großstädtischer Universitä¬
ten schon genug haben und als solche eignen sich Residenzen wie Berlin,
München, Wien für den Ausenthalt der studirenden Jugend doch besonders,
weil sich in der Anlehnung an die Fürsten am meisten jener edle geistige Luxus
von Museen, Theatern, Concerten ze. entfaltet, zu denen kleineren Städten
die Mittel fehlen müssen. So ist auch das Verhältniß in Großbrittannien;
die beiden großen Hauptuniversitäten Oxford und Cambridge sind kleine Städte,
außerdem gibt es Hochschulen in London, Edinburgh und Dublin; aber Nie¬
mand hat daran gedacht solche in Liverpool, Manchester, Bristol oder Bel¬
fast zu gründen. Dieselben Gründe sprechen gegen Hamburg als eigentliche
Universität.

Zunächst würde der materielle Punkt große Schwierigkeit machen. Wenn
in Kiel viele neue Baulichkeiten herzustellen sind, so würde in Hamburg fast
Alles neu zubauen sein; schon der Platz für Auditoriengebäude, der doch in
der Nähe der Bibliothek und einigermaßen im Mittelpunkt liegen müßte, wäre
nur dadurch zu gewinnen, daß man einen bedeutenden Häusercomplex expropriirte
und niederrisse; wir gehen gewiß nicht zu weit, wenn wir annehmen, daß die noth¬
wendigen Gebäude allein 1^ Million Thaler kosten würden; dazu rechne man
nun die fortlaufenden Kosten der Universität, welche, wenn man überhaupt daran
ginge, doch im großen Stil zu projectiren wäre; wir werden diese Unter¬
haltung jährlich auf 200,000 Thlr. anschlagen müssen. Woher soll das Geld


im kann, hergestellt sein werden, dann darf Kiel wohl einer neuen Blüthe
entgegensehen. So glauben wir, man könnte der Stadt das Opfer ersparen,
welches ihr eine Verlegung der Universität nach Hamburg auferlegen würde,
und welches auch in den Herzogthümern, mit deren Geschichte Kiel so eng
verwachsen ist, sehr gefühlt werden müßte, man sollte nicht ohne Noth den
Faden einer 200jährigen Geschichte abschneiden.

Allerdings diese Gründe müssen weichen, wenn Hamburg die Aufgabe
einer Universität für die Herzogthümer entschieden besser erfüllen würde.
Dies aber müssen wir bestreiten. Daß es rationell die Hauptstadt, nicht
nur für Schleswig-Holstein, sondern für die ganze cimbrische Halbinsel ist,
wird nicht bestritten; der jüdische Kaufmann arbeitet fast ausschließlich mit
Hamburger Credit; daß es aber auch schon der geistige Mittelpunkt geworden,
wie der Verfasser sagt, möchte zweifelhaft sein. Eine Universität würde frei¬
lich viel beitragen es dazu zu machen, aber doch halten wir Hamburg nicht
für geeignet. — Zunächst bleiben wir der Ansicht, daß in der Regel große
Städte weniger geeignet für akademische Studien sind als kleinere, die Zer¬
streuungen, welche sie bieten, das theure Leben wirken ungünstig. Allerdings
haben auch die Großstädte ihre Vorzüge, durch das sich entfaltende, reichere
Leben, die umfassenden Anstalten, die Sammlungen, das Theater ze. Indeß
uns will bedünken, daß wir in Deutschland solcher großstädtischer Universitä¬
ten schon genug haben und als solche eignen sich Residenzen wie Berlin,
München, Wien für den Ausenthalt der studirenden Jugend doch besonders,
weil sich in der Anlehnung an die Fürsten am meisten jener edle geistige Luxus
von Museen, Theatern, Concerten ze. entfaltet, zu denen kleineren Städten
die Mittel fehlen müssen. So ist auch das Verhältniß in Großbrittannien;
die beiden großen Hauptuniversitäten Oxford und Cambridge sind kleine Städte,
außerdem gibt es Hochschulen in London, Edinburgh und Dublin; aber Nie¬
mand hat daran gedacht solche in Liverpool, Manchester, Bristol oder Bel¬
fast zu gründen. Dieselben Gründe sprechen gegen Hamburg als eigentliche
Universität.

Zunächst würde der materielle Punkt große Schwierigkeit machen. Wenn
in Kiel viele neue Baulichkeiten herzustellen sind, so würde in Hamburg fast
Alles neu zubauen sein; schon der Platz für Auditoriengebäude, der doch in
der Nähe der Bibliothek und einigermaßen im Mittelpunkt liegen müßte, wäre
nur dadurch zu gewinnen, daß man einen bedeutenden Häusercomplex expropriirte
und niederrisse; wir gehen gewiß nicht zu weit, wenn wir annehmen, daß die noth¬
wendigen Gebäude allein 1^ Million Thaler kosten würden; dazu rechne man
nun die fortlaufenden Kosten der Universität, welche, wenn man überhaupt daran
ginge, doch im großen Stil zu projectiren wäre; wir werden diese Unter¬
haltung jährlich auf 200,000 Thlr. anschlagen müssen. Woher soll das Geld


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/246>, abgerufen am 05.02.2025.