Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.Reichstagsbeschlüsse in fast allen außerungarischen Theilen der Monarchie die Sind es im Augenblick auch die böhmischen Wirren, welche trotz der Reichstagsbeschlüsse in fast allen außerungarischen Theilen der Monarchie die Sind es im Augenblick auch die böhmischen Wirren, welche trotz der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0210" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287482"/> <p xml:id="ID_545" prev="#ID_544"> Reichstagsbeschlüsse in fast allen außerungarischen Theilen der Monarchie die<lb/> gleiche ist, das wichtige Kronland Throl stellt sich als solches in das Lager<lb/> der Opposition gegen das neue östreichische Staatsleben und zerreißt damit<lb/> die Phalanx der deutschen Landtage, welche das Gegengewicht gegen die<lb/> Separatisten von Prag und Lemberg bilden sollten!</p><lb/> <p xml:id="ID_546" next="#ID_547"> Sind es im Augenblick auch die böhmischen Wirren, welche trotz der<lb/> energischen Maßnahmen des F. M L. v. Koller den Hauptgegenstand der ministe¬<lb/> riellen Sorgen bilden, so erscheinen die galizischen Schwierigkeiten doch als die<lb/> ernsteren, vielleicht die ernstesten mit denen der Versuch einer Regeneration<lb/> des Kaiserstaates zu kämpfen hat. Daß Böhmen trotz seiner Nähe von dem<lb/> Centrum der Regierung und trotz der zwei Millionen deutscher Bewohner,<lb/> welche zur schwarz-gelben Fahne halten, überhaupt als bedrohter Punkt er¬<lb/> scheinen kann, zeigt, auf wie schwankendem Fundament das gesammte Staats¬<lb/> gebäude steht; immerhin wird es einer energischen Regierung möglich sein,<lb/> der Gefährlichkeit der czechischen Opposition gewisse Schranken zu setzen. In<lb/> Galizien dagegen hat das Cabinet mit zwei gleich gefährlichen Parteien zu<lb/> rechnen, ohne denselben innerhalb Landes irgend ein anderes Gegengewicht als<lb/> die soldatische Gewalt entgegen setzen zu können. Hier wo es sich ausschließlich<lb/> um rivalisirende Nationalansprüche handelt, ist die Wirkung der liberalen Re¬<lb/> formen gleich Null; Polen und Ruthenen sind für die Angebote, welche ihnen der<lb/> abstracte wiener Liberalismus machen kann, gleich unzugänglich. Ob man in<lb/> Wien das Concordat auslöst oder nicht auflöst, Preßprocesse durch Geschworene<lb/> oder staatlich bestellte Richter austragen läßt, ist den hier streitenden Mäch¬<lb/> ten im Grunde völlig gleichgiltig; alles was in Wien geschieht und nicht ge¬<lb/> schieht wird lediglich aus dem einen Gesichtspunkte beurtheilt, ob es ein Ge¬<lb/> wicht in die polnische oder in die ruthenische Wagschale wirst; an die Bedürf¬<lb/> nisse Deutschöstreichs und den Maßstab, mit dem man hier die Brauchbarkeit<lb/> der Staatslenker ausmißt, reichen beide galizische Stämme noch nicht heran. —<lb/> Dem Zusammentritt des wiener Reichstags folgt die vorläufige Vertagung des¬<lb/> selben so rasch auf dem Fuß, daß dieses Parlament noch nicht Zeit gehabt zu<lb/> haben scheint, sich zu den Ereignissen der letzten Monate zu äußern. Das<lb/> Präsidium des cisleithanischen Cabinets ist vorläufig in den Händen des Grasen<lb/> Taaffe geblieben und die konstitutionelle Maschine arbeitet mit Reformen des<lb/> Ehe- und Preßgesetzes weiter, als sei ihr Apparat noch derselbe, wie am<lb/> 24. Juni d. I. Daß das wankende Vertrauen des deutsch-östreichischen Libera¬<lb/> lismus durch die bevorstehenden Delegationsberathungen (die in Pesth und<lb/> nicht in Wien abgehalten werden sollen) gekräftigt werden wird, erscheint<lb/> trotz der befestigten Stellung der Deäkisten wenig wahrscheinlich — man braucht<lb/> nur auf die kleinlaute Sprache der liberalen und officiösen Organe Wiens<lb/> zu achten, um zu merken, daß die Schwingen des östreichischen Doppeladlers</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0210]
Reichstagsbeschlüsse in fast allen außerungarischen Theilen der Monarchie die
gleiche ist, das wichtige Kronland Throl stellt sich als solches in das Lager
der Opposition gegen das neue östreichische Staatsleben und zerreißt damit
die Phalanx der deutschen Landtage, welche das Gegengewicht gegen die
Separatisten von Prag und Lemberg bilden sollten!
Sind es im Augenblick auch die böhmischen Wirren, welche trotz der
energischen Maßnahmen des F. M L. v. Koller den Hauptgegenstand der ministe¬
riellen Sorgen bilden, so erscheinen die galizischen Schwierigkeiten doch als die
ernsteren, vielleicht die ernstesten mit denen der Versuch einer Regeneration
des Kaiserstaates zu kämpfen hat. Daß Böhmen trotz seiner Nähe von dem
Centrum der Regierung und trotz der zwei Millionen deutscher Bewohner,
welche zur schwarz-gelben Fahne halten, überhaupt als bedrohter Punkt er¬
scheinen kann, zeigt, auf wie schwankendem Fundament das gesammte Staats¬
gebäude steht; immerhin wird es einer energischen Regierung möglich sein,
der Gefährlichkeit der czechischen Opposition gewisse Schranken zu setzen. In
Galizien dagegen hat das Cabinet mit zwei gleich gefährlichen Parteien zu
rechnen, ohne denselben innerhalb Landes irgend ein anderes Gegengewicht als
die soldatische Gewalt entgegen setzen zu können. Hier wo es sich ausschließlich
um rivalisirende Nationalansprüche handelt, ist die Wirkung der liberalen Re¬
formen gleich Null; Polen und Ruthenen sind für die Angebote, welche ihnen der
abstracte wiener Liberalismus machen kann, gleich unzugänglich. Ob man in
Wien das Concordat auslöst oder nicht auflöst, Preßprocesse durch Geschworene
oder staatlich bestellte Richter austragen läßt, ist den hier streitenden Mäch¬
ten im Grunde völlig gleichgiltig; alles was in Wien geschieht und nicht ge¬
schieht wird lediglich aus dem einen Gesichtspunkte beurtheilt, ob es ein Ge¬
wicht in die polnische oder in die ruthenische Wagschale wirst; an die Bedürf¬
nisse Deutschöstreichs und den Maßstab, mit dem man hier die Brauchbarkeit
der Staatslenker ausmißt, reichen beide galizische Stämme noch nicht heran. —
Dem Zusammentritt des wiener Reichstags folgt die vorläufige Vertagung des¬
selben so rasch auf dem Fuß, daß dieses Parlament noch nicht Zeit gehabt zu
haben scheint, sich zu den Ereignissen der letzten Monate zu äußern. Das
Präsidium des cisleithanischen Cabinets ist vorläufig in den Händen des Grasen
Taaffe geblieben und die konstitutionelle Maschine arbeitet mit Reformen des
Ehe- und Preßgesetzes weiter, als sei ihr Apparat noch derselbe, wie am
24. Juni d. I. Daß das wankende Vertrauen des deutsch-östreichischen Libera¬
lismus durch die bevorstehenden Delegationsberathungen (die in Pesth und
nicht in Wien abgehalten werden sollen) gekräftigt werden wird, erscheint
trotz der befestigten Stellung der Deäkisten wenig wahrscheinlich — man braucht
nur auf die kleinlaute Sprache der liberalen und officiösen Organe Wiens
zu achten, um zu merken, daß die Schwingen des östreichischen Doppeladlers
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |