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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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diesseits in dem durch Deiche coupirten Terrain tummeln sich die Schaaren
der Arbeiter. Vor uns aber zieht der breite Jahdeausstrom von rechts nach
links dahin, jenseits in einer Ferne von 6000 Schritt durch das flache Ufer
von Eckwarden begrenzt, und dieser Strom, dessen Ende nach Norden wir
nicht absehen können, geht an der Spitze des Ufers, auf der wir stehen,
selbst in den Jahdebusen über, dessen Wasserfläche in kolossaler Breite weit
nach Süden hinabreicht; die Tiefe desselben, in !der Mitte 10--11, an der
Südspitze 4 Faden, soll streckenweise 20 Faden d. h. 120 Fuß erreichen.
Ein Arm der tiefen Stelle geht bis nach Eckwarden hinüber, ein zweiter
geht nach Süden bis nach Arngast herunter, und das Gros bildet ein um¬
fängliches Bassin an der Südküste des preußischen Etablissements. Der weite
blaue Spiegel bildet hier eine kostbare Rhede, die man nicht mit Unrecht
Brest und Portsmouth hat an die Seite stellen wollen.

Von unsrem Aussichtspunkt auf der Mole steigen wir auf einer Treppe
herab zu dem Hauptfangedamm, einem gewaltigen rostartigen, massiven
Balkengerüst, das sich vom Lande aus um den Molenkopf herum und quer
vor der Einfahrt wegzieht, bis es am andern Molenkopf vorbei wieder ans
Land anschließt. Wir wandern den ganzen Fangedamm entlang und haben
von hier einen höchst stattlichen Anblick der Hafeneinfahrt mit ihren Vor¬
köpfen von der Seeseite, wie man sie künftig nur vom Schiffe aus wird
sehen können -- denn der ganze Damm ist provisorisch. Er hat viel Geld
und Mühe gekostet; mehrmals haben bei Sturmfluthen die Wellen das müh¬
same Werk von Monaten in einer Nacht durchbrochen und fortgeschwemmt:
jetzt aber ist die Natur bezwungen. Uebrigens sind wir Norddeutschen es
nicht allein, die in dieser Beziehung von der Ungunst der See zu leiden ge¬
habt haben: auch die große Schlußmole (äiFue.) des Hafens von Cherbourg
ist von der See mehrmals im Bau gestört oder -zerstört worden und noch
vor Kurzem ist den Engländern eins ihrer mitten in der See zum Schutz
der Rhede von Spithead errichteten Forts sast ganz, unterwühlt .worden und
eingestürzt. -- Wir wandern um beide Molenköpfe herum, besteigen den
Deich, der gerade nach Norden der offnen Nordsee zuführt, und werden
nun innerhalb der Flügeldeiche der Schmieden und der Blockhäuser,
welche den Arbeitern als Wohnung dienen, innerhalb des Hauptdeichs aber des
Commissions-, des Speisehauses und der Hafenwache inne und bemerken gleich¬
zeitig, wie man auf den Schutz der Einfahrt bedacht ist, indem nicht weniger
als drei Schanzen hier angelegt sind oder werden, unweit des umwallten
Pulvermagazins in der grünen Marschfläche, das der Nässe wegen verlegt
werden mußte. -- Einen mannichfaltigeren Anblick haben wir aber, wenn wir
von den Molen auf dem Deich gegen Osten schreiten. Hier präsentirt sich
in der durch Brechung der Deichlinie gebildeten kleinen Bucht der proviso-


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diesseits in dem durch Deiche coupirten Terrain tummeln sich die Schaaren
der Arbeiter. Vor uns aber zieht der breite Jahdeausstrom von rechts nach
links dahin, jenseits in einer Ferne von 6000 Schritt durch das flache Ufer
von Eckwarden begrenzt, und dieser Strom, dessen Ende nach Norden wir
nicht absehen können, geht an der Spitze des Ufers, auf der wir stehen,
selbst in den Jahdebusen über, dessen Wasserfläche in kolossaler Breite weit
nach Süden hinabreicht; die Tiefe desselben, in !der Mitte 10—11, an der
Südspitze 4 Faden, soll streckenweise 20 Faden d. h. 120 Fuß erreichen.
Ein Arm der tiefen Stelle geht bis nach Eckwarden hinüber, ein zweiter
geht nach Süden bis nach Arngast herunter, und das Gros bildet ein um¬
fängliches Bassin an der Südküste des preußischen Etablissements. Der weite
blaue Spiegel bildet hier eine kostbare Rhede, die man nicht mit Unrecht
Brest und Portsmouth hat an die Seite stellen wollen.

Von unsrem Aussichtspunkt auf der Mole steigen wir auf einer Treppe
herab zu dem Hauptfangedamm, einem gewaltigen rostartigen, massiven
Balkengerüst, das sich vom Lande aus um den Molenkopf herum und quer
vor der Einfahrt wegzieht, bis es am andern Molenkopf vorbei wieder ans
Land anschließt. Wir wandern den ganzen Fangedamm entlang und haben
von hier einen höchst stattlichen Anblick der Hafeneinfahrt mit ihren Vor¬
köpfen von der Seeseite, wie man sie künftig nur vom Schiffe aus wird
sehen können — denn der ganze Damm ist provisorisch. Er hat viel Geld
und Mühe gekostet; mehrmals haben bei Sturmfluthen die Wellen das müh¬
same Werk von Monaten in einer Nacht durchbrochen und fortgeschwemmt:
jetzt aber ist die Natur bezwungen. Uebrigens sind wir Norddeutschen es
nicht allein, die in dieser Beziehung von der Ungunst der See zu leiden ge¬
habt haben: auch die große Schlußmole (äiFue.) des Hafens von Cherbourg
ist von der See mehrmals im Bau gestört oder -zerstört worden und noch
vor Kurzem ist den Engländern eins ihrer mitten in der See zum Schutz
der Rhede von Spithead errichteten Forts sast ganz, unterwühlt .worden und
eingestürzt. — Wir wandern um beide Molenköpfe herum, besteigen den
Deich, der gerade nach Norden der offnen Nordsee zuführt, und werden
nun innerhalb der Flügeldeiche der Schmieden und der Blockhäuser,
welche den Arbeitern als Wohnung dienen, innerhalb des Hauptdeichs aber des
Commissions-, des Speisehauses und der Hafenwache inne und bemerken gleich¬
zeitig, wie man auf den Schutz der Einfahrt bedacht ist, indem nicht weniger
als drei Schanzen hier angelegt sind oder werden, unweit des umwallten
Pulvermagazins in der grünen Marschfläche, das der Nässe wegen verlegt
werden mußte. — Einen mannichfaltigeren Anblick haben wir aber, wenn wir
von den Molen auf dem Deich gegen Osten schreiten. Hier präsentirt sich
in der durch Brechung der Deichlinie gebildeten kleinen Bucht der proviso-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/21>, abgerufen am 05.02.2025.