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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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dem ist schwer zu steuern, zumal in vielen Fällen nicht feststeht, ob ein Erd¬
aufwurf ein Hünengrab ist oder nicht. Denn bekanntlich sind nicht immer
und nicht überall die Grabstätten durch ausgezeichnete Gestalt von außen
kenntlich. Der Wunsch, eine Ungleichheit vom Ackerfeld zu tilgen, oder her¬
vorragende Steine zu Bauzwecken zu benutzen, bestimmt den Landmann, die
Stätte zu verwerfen. Was er dabei etwa Auffallendes findet, gibt er, da
ihm ein Verhandeln mit der Obrigkeit unbequem ist, unter der Hand an
Aufkäufer weg, welche jetzt auch entlegene Dörfer nach Antiquitäten ab¬
suchen, nach geschnitzten Holzmöbeln, alten Thronkrügen, Münzen und der¬
gleichen. Möge man da, wo einiges Interesse an solchen Alterthümern in
der Bevölkerung aufgeregt ist, wie z. B. in Sylt, Fremden wie Einheimi¬
schen das Graben nur dann gestatten, wenn sie sich verpflichten, das Gefun¬
dene einer öffentlichen Sammlung einzuverleiben. Noch besser wäre, wenn
sich einer der gescheidten Bewohner der Insel im Einvernehmen mit dem
Herrn Landvogt und den Herren Bauervögten bereit erklärte, diese Grab¬
sunde, bis eine Ablieferung an das Museum in Kiel rathsam wird, pflicht¬
getreu und uneigennützig und unter guter Aufsicht aufzustellen und zu be¬
wahren. Zur Zeit ist unzweckmäßig, die Fremden, welche ein Hünengrab
öffnen, zu beargwöhnen, während die Einheimischen die Hügel achtlos als
Steingruben benutzen.

Leider ist der Zustand des Schleswig-holsteinschen Museums für vater¬
ländische Alterthümer gegenwärtig derart, daß eine Aufstellung neuer Funde
fast unmöglich ist. Die Räumlichkeiten desselben sind so dürftig und so
wenig zweckentsprechend, dass vielleicht nur die Hälfte des Vorhandenen dem
Publicum sichtbar ist, vieles Werthvolle liegt seit Jahren verpackt und auf¬
geschichtet.

Außerdem stehen noch die Kisten mit allen den Alterthümern uneröffnet,
zu deren Herausgabe die Dänen durch den Friedensschluß von 1864 ge¬
nöthigt worden sind, und man kann von sehr patriotischen preußischen Ge¬
lehrten die Ansicht aussprechen hören, es wäre für die Wissenschaft besser
gewesen, wenn diese Alterthümer nutzbar und wohlgeordnet in Kopenhagen
geblieben wären, anstatt jetzt verpackt in einem Lagerraum der Feuchtigkeit
und dem Rost achtlos überlassen zu werden.

Es ist unbillig, der Staatsregierung aus diesen dürftigen Zuständen
des Museums einen Vorwurf zu machen, sie hat für die nächste Zeit in der
Provinz sehr viel zu schaffen, der Universität Kiel fehlt Universitätsgebäude,
Bibliothek, mit Ausnahme der medicinischen Anstalten jede zeitgemäße
Etablirung der Naturwissenschaften durch Laboratorien und Apparate. Und
sie wird voraussichtlich durch eine Reihe von Jahren für die Herzogthümer große
Summen auszugeben haben. Aber die antiquarische Sammlung der Herzog¬
thümer zu erhalten, ist auch nicht Pflicht der Staatsregierung. Das
Museum für vaterländische Alterthümer ist zunächst eine Anstalt von pro¬
vinziellen Interesse und es ist Aufgabe der Provinz, dasselbe der Wissen¬
schaft zu bewahren, für zweckmäßige Räumlichkeiten zu sorgen und die Mittel
zu einer Ergänzung zu gewähren.


dem ist schwer zu steuern, zumal in vielen Fällen nicht feststeht, ob ein Erd¬
aufwurf ein Hünengrab ist oder nicht. Denn bekanntlich sind nicht immer
und nicht überall die Grabstätten durch ausgezeichnete Gestalt von außen
kenntlich. Der Wunsch, eine Ungleichheit vom Ackerfeld zu tilgen, oder her¬
vorragende Steine zu Bauzwecken zu benutzen, bestimmt den Landmann, die
Stätte zu verwerfen. Was er dabei etwa Auffallendes findet, gibt er, da
ihm ein Verhandeln mit der Obrigkeit unbequem ist, unter der Hand an
Aufkäufer weg, welche jetzt auch entlegene Dörfer nach Antiquitäten ab¬
suchen, nach geschnitzten Holzmöbeln, alten Thronkrügen, Münzen und der¬
gleichen. Möge man da, wo einiges Interesse an solchen Alterthümern in
der Bevölkerung aufgeregt ist, wie z. B. in Sylt, Fremden wie Einheimi¬
schen das Graben nur dann gestatten, wenn sie sich verpflichten, das Gefun¬
dene einer öffentlichen Sammlung einzuverleiben. Noch besser wäre, wenn
sich einer der gescheidten Bewohner der Insel im Einvernehmen mit dem
Herrn Landvogt und den Herren Bauervögten bereit erklärte, diese Grab¬
sunde, bis eine Ablieferung an das Museum in Kiel rathsam wird, pflicht¬
getreu und uneigennützig und unter guter Aufsicht aufzustellen und zu be¬
wahren. Zur Zeit ist unzweckmäßig, die Fremden, welche ein Hünengrab
öffnen, zu beargwöhnen, während die Einheimischen die Hügel achtlos als
Steingruben benutzen.

Leider ist der Zustand des Schleswig-holsteinschen Museums für vater¬
ländische Alterthümer gegenwärtig derart, daß eine Aufstellung neuer Funde
fast unmöglich ist. Die Räumlichkeiten desselben sind so dürftig und so
wenig zweckentsprechend, dass vielleicht nur die Hälfte des Vorhandenen dem
Publicum sichtbar ist, vieles Werthvolle liegt seit Jahren verpackt und auf¬
geschichtet.

Außerdem stehen noch die Kisten mit allen den Alterthümern uneröffnet,
zu deren Herausgabe die Dänen durch den Friedensschluß von 1864 ge¬
nöthigt worden sind, und man kann von sehr patriotischen preußischen Ge¬
lehrten die Ansicht aussprechen hören, es wäre für die Wissenschaft besser
gewesen, wenn diese Alterthümer nutzbar und wohlgeordnet in Kopenhagen
geblieben wären, anstatt jetzt verpackt in einem Lagerraum der Feuchtigkeit
und dem Rost achtlos überlassen zu werden.

Es ist unbillig, der Staatsregierung aus diesen dürftigen Zuständen
des Museums einen Vorwurf zu machen, sie hat für die nächste Zeit in der
Provinz sehr viel zu schaffen, der Universität Kiel fehlt Universitätsgebäude,
Bibliothek, mit Ausnahme der medicinischen Anstalten jede zeitgemäße
Etablirung der Naturwissenschaften durch Laboratorien und Apparate. Und
sie wird voraussichtlich durch eine Reihe von Jahren für die Herzogthümer große
Summen auszugeben haben. Aber die antiquarische Sammlung der Herzog¬
thümer zu erhalten, ist auch nicht Pflicht der Staatsregierung. Das
Museum für vaterländische Alterthümer ist zunächst eine Anstalt von pro¬
vinziellen Interesse und es ist Aufgabe der Provinz, dasselbe der Wissen¬
schaft zu bewahren, für zweckmäßige Räumlichkeiten zu sorgen und die Mittel
zu einer Ergänzung zu gewähren.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/175>, abgerufen am 05.02.2025.