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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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zu haben, sondern zu herkömmlichen Requisit eines vornehmen Grabes
gerade so als stehender Handelsartikel von Kaufleuten des Mittel¬
meeres bezogen worden zu sein, wie durch Jahrhunderte die sogenannten
etrurischen Vasen von italischen Völkern aus griechischen Töpfereien. Denn
die Construction der Schwertgriffe macht sehr unwahrscheinlich, daß die¬
selben jemals von der Faust eines Kriegers im Kampfe geführt sind. -- Wir
haben aus diesen Gründen für die Zeitbestimmung der Gräberfunde aus
Sylt noch gar keine Handhabe. Auch die einfacheren oder kunstvolleren For¬
men des Steingeräths, an welchem man uralte Typen oder Nachbildung von
Bronzewaffen zu erkennen bemüht ist, lassen uns unsicher. Wir wissen nur,
daß die Leichenverbrennung der vorchristlichen Zeit angehört; selbst das neue
Christenthum mag in den ersten Jahrhunderten gegenüber altem Krieger- und
Seefahrerbrauch die Volkssitte nicht sofort beseitigt haben. Es ist also wahr¬
scheinlich, daß die jüngsten Grabhügel bis zum Jahre 1000 nach Christus auf¬
geschüttet worden sind, die ältesten, welche vielleicht kaum noch über den Boden
ragen, wenn sie nicht auf dem höchsten Kamm eines Erdrückens stehen, können
leicht mehrere Jahrtausende älter sein.

Ohne Zweifel wird aus den Gräberfunden selbst allmählich darüber
bessere Sicherheit zu gewinnen sein. Aber für eine wissenschaftliche Ausbeu¬
tung derselben ist zur Zeit noch wenig gethan, die Nachgrabungen, wie
sie von Neugierigen etwa unternommen werden, geschehen in der Regel sehr
unbehilflich; ungeübte Arbeiter zerstechen und zerstampfen vielleicht das
Werthvollste, am meisten, wenn sie selbst eifrig werden. Und selten wird ein
Grabhügel vollständig aufgedeckt, auch wenn man, wie in der Regel ge¬
schieht, einen Stollen seitwärts nach der Grabkammer treibt, darauf achtet,
stets die Sohle zu erreichen, von der eingeschwemmten Erde innerhalb
der Grabkammer den Spaten und die Rodehacke ganz fern hält und darin
vorsichtig mit kleinem Gartengeräth arbeitet.

Da die Heidengräber auf der Insel zwei sehr von einander abweichende
Constructionen zeigen, so wäre das nächste Interesse, aus den Gräbersunden
festzustellen, ob irgend welche Verschiedenheiten in Arbeit, Zeitalter, Verkehrs¬
beziehungen zur Fremde erkennbar sind.

Man darf annehmen, daß auch die konischen Grabhügel der Insel aus
sehr verschiedenen Zeiten stammen; auch ihre Construction ist nicht ganz gleich.
Die gewöhnliche Construction ist dieselbe, welche in einem hübschen Modell
des kieler Museums dargestellt ist. Ein kreisrunder Raum wurde keller¬
artig vertieft und dieser so vertiefte Grund mit Steinen gepflastert, in die
Mitte eine Anzahl großer erratischer Steinblöcke so zusammengestellt, daß sie
einen leeren Raum, die Grabkammer, einschließen, gegen Südosten zuweilen die
Steine so gefügt, daß sie eine Pforte bildeten, über die Steinblöcke Deck-


zu haben, sondern zu herkömmlichen Requisit eines vornehmen Grabes
gerade so als stehender Handelsartikel von Kaufleuten des Mittel¬
meeres bezogen worden zu sein, wie durch Jahrhunderte die sogenannten
etrurischen Vasen von italischen Völkern aus griechischen Töpfereien. Denn
die Construction der Schwertgriffe macht sehr unwahrscheinlich, daß die¬
selben jemals von der Faust eines Kriegers im Kampfe geführt sind. — Wir
haben aus diesen Gründen für die Zeitbestimmung der Gräberfunde aus
Sylt noch gar keine Handhabe. Auch die einfacheren oder kunstvolleren For¬
men des Steingeräths, an welchem man uralte Typen oder Nachbildung von
Bronzewaffen zu erkennen bemüht ist, lassen uns unsicher. Wir wissen nur,
daß die Leichenverbrennung der vorchristlichen Zeit angehört; selbst das neue
Christenthum mag in den ersten Jahrhunderten gegenüber altem Krieger- und
Seefahrerbrauch die Volkssitte nicht sofort beseitigt haben. Es ist also wahr¬
scheinlich, daß die jüngsten Grabhügel bis zum Jahre 1000 nach Christus auf¬
geschüttet worden sind, die ältesten, welche vielleicht kaum noch über den Boden
ragen, wenn sie nicht auf dem höchsten Kamm eines Erdrückens stehen, können
leicht mehrere Jahrtausende älter sein.

Ohne Zweifel wird aus den Gräberfunden selbst allmählich darüber
bessere Sicherheit zu gewinnen sein. Aber für eine wissenschaftliche Ausbeu¬
tung derselben ist zur Zeit noch wenig gethan, die Nachgrabungen, wie
sie von Neugierigen etwa unternommen werden, geschehen in der Regel sehr
unbehilflich; ungeübte Arbeiter zerstechen und zerstampfen vielleicht das
Werthvollste, am meisten, wenn sie selbst eifrig werden. Und selten wird ein
Grabhügel vollständig aufgedeckt, auch wenn man, wie in der Regel ge¬
schieht, einen Stollen seitwärts nach der Grabkammer treibt, darauf achtet,
stets die Sohle zu erreichen, von der eingeschwemmten Erde innerhalb
der Grabkammer den Spaten und die Rodehacke ganz fern hält und darin
vorsichtig mit kleinem Gartengeräth arbeitet.

Da die Heidengräber auf der Insel zwei sehr von einander abweichende
Constructionen zeigen, so wäre das nächste Interesse, aus den Gräbersunden
festzustellen, ob irgend welche Verschiedenheiten in Arbeit, Zeitalter, Verkehrs¬
beziehungen zur Fremde erkennbar sind.

Man darf annehmen, daß auch die konischen Grabhügel der Insel aus
sehr verschiedenen Zeiten stammen; auch ihre Construction ist nicht ganz gleich.
Die gewöhnliche Construction ist dieselbe, welche in einem hübschen Modell
des kieler Museums dargestellt ist. Ein kreisrunder Raum wurde keller¬
artig vertieft und dieser so vertiefte Grund mit Steinen gepflastert, in die
Mitte eine Anzahl großer erratischer Steinblöcke so zusammengestellt, daß sie
einen leeren Raum, die Grabkammer, einschließen, gegen Südosten zuweilen die
Steine so gefügt, daß sie eine Pforte bildeten, über die Steinblöcke Deck-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/173>, abgerufen am 05.02.2025.