Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.Die Provinz Schleswig-Holstein ist sehr reich an Grabalterthümern aus Die Gräberfunde auf Sylt scheinen nicht reich an Schmuck und Metall¬ Die Provinz Schleswig-Holstein ist sehr reich an Grabalterthümern aus Die Gräberfunde auf Sylt scheinen nicht reich an Schmuck und Metall¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0172" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287444"/> <p xml:id="ID_433"> Die Provinz Schleswig-Holstein ist sehr reich an Grabalterthümern aus<lb/> der deutschen Heidenzeit. Alljährlich wird gefunden, wahrscheinlich kommt<lb/> nur Weniges aus erster Hand in respectable Sammlungen, das Meiste wird<lb/> schon beim Ausgraben zerstört oder bei Seite geworfen, Auffallendes von den<lb/> Findern unter der Hand verkauft. — Kein Theil der Landschaft aber bietet<lb/> nach dieser Richtung höheres Interesse, als die Insel Sylt. Dort erheben<lb/> sich auf dem ältesten Geestboden der Insel, welcher kaum die Hälfte derselben,<lb/> weniger als eine Quadratmeile, ausmacht, eine große Anzahl Grabhügel von<lb/> verschiedener Construction — nach der Zählung eines dortigen Sammlers an<lb/> hundert, von denen etwa die Hälfte noch ungeöffnet sein soll. Die Insel<lb/> ist seit ältester Zeit von deutschen Stämmen bewohnt, wahrscheinlich zuerst<lb/> von dem großen Volk der Chauken. dann von Friesen, sie hat bis in die<lb/> Neuzeit ihre friesische Bevölkerung verhältnißmäßig wenig gemischt bewahrt<lb/> unter den alten einfachen Lebensbedingungen als Landbauer, welche ihre<lb/> Jugend zu Handel, Abenteuer und Gewinn auf die See senden. Spät hat<lb/> das Christenthum dort den Heidenglauben verdrängt, über das Meer kam<lb/> alles Metall und bessere Töpferarbeit.</p><lb/> <p xml:id="ID_434" next="#ID_435"> Die Gräberfunde auf Sylt scheinen nicht reich an Schmuck und Metall¬<lb/> arbeit, wohl aber an Waffen und Werkzeugen von Feuerstein. Stein-<lb/> geräth mag bis in die christliche Zeit — auf Sylt etwa bis zum Jahr 1000<lb/> unserer Zeitrechnung — gebraucht worden sein; die alte Technik, den Stein<lb/> durch Steinschläge zu verarbeiten, wurde kunstvoll, zuweilen zierlich geübt.<lb/> Was zur Todtenasche in den Grabhügel gelegt wurde, war selbstverständlich,<lb/> wie das ganze Ceremoniell der Bestattung, durch alten heiligen Brauch<lb/> bestimmt. Nun ist allerdings zweifellos, daß Steingeräth zu den ältesten<lb/> Erfindungen des Menschengeschlechts gehört, aber aus dem Vorhandensein<lb/> solcher Geräthe in Grabstätten auf eine unermeßliche Zeitentfernung ihrer<lb/> Eingrabung schließen zu wollen, wäre verkehrt. Denn noch lange nachdem<lb/> Eisenwaffen im Kriege verwandt wurden, blieb das Material, aus welchem der<lb/> Hammer des Gottes Donar gefügt war, im Ritual und Gesetz ehrwürdig. Zu der<lb/> Deposition von Steinwerkzeugen hatten die Bestattenden noch einen beson¬<lb/> deren Grund, der nirgend zwingender war, als an der Seeküste: die Grab¬<lb/> kammer galt für das Gemach des Todten, aus dem er zu den Göttern zog,<lb/> zu dem er wohl auch zurückkehrte, man wußte aber, daß Metallgeräth, wenn<lb/> es nicht von Gold oder Silber war, in der nassen Erde leicht unbrauchbar<lb/> wurde, ja ganz dahin schwand. Wir sind endlich zu der Annahme berech¬<lb/> tigt, daß bei germanischen so gut wie bei altitalischen Gräbern niedergesetztes<lb/> Geräth und Schmuck zum Theil für den Grabritus eigens angefertigt wurde.<lb/> Dies dürfen wir z. B. von manchen Bronzewaffen annehmen. Einige gefundene<lb/> Bronzeschwerter scheinen niemals dem praktischen Gebrauch des Lebens gedient</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0172]
Die Provinz Schleswig-Holstein ist sehr reich an Grabalterthümern aus
der deutschen Heidenzeit. Alljährlich wird gefunden, wahrscheinlich kommt
nur Weniges aus erster Hand in respectable Sammlungen, das Meiste wird
schon beim Ausgraben zerstört oder bei Seite geworfen, Auffallendes von den
Findern unter der Hand verkauft. — Kein Theil der Landschaft aber bietet
nach dieser Richtung höheres Interesse, als die Insel Sylt. Dort erheben
sich auf dem ältesten Geestboden der Insel, welcher kaum die Hälfte derselben,
weniger als eine Quadratmeile, ausmacht, eine große Anzahl Grabhügel von
verschiedener Construction — nach der Zählung eines dortigen Sammlers an
hundert, von denen etwa die Hälfte noch ungeöffnet sein soll. Die Insel
ist seit ältester Zeit von deutschen Stämmen bewohnt, wahrscheinlich zuerst
von dem großen Volk der Chauken. dann von Friesen, sie hat bis in die
Neuzeit ihre friesische Bevölkerung verhältnißmäßig wenig gemischt bewahrt
unter den alten einfachen Lebensbedingungen als Landbauer, welche ihre
Jugend zu Handel, Abenteuer und Gewinn auf die See senden. Spät hat
das Christenthum dort den Heidenglauben verdrängt, über das Meer kam
alles Metall und bessere Töpferarbeit.
Die Gräberfunde auf Sylt scheinen nicht reich an Schmuck und Metall¬
arbeit, wohl aber an Waffen und Werkzeugen von Feuerstein. Stein-
geräth mag bis in die christliche Zeit — auf Sylt etwa bis zum Jahr 1000
unserer Zeitrechnung — gebraucht worden sein; die alte Technik, den Stein
durch Steinschläge zu verarbeiten, wurde kunstvoll, zuweilen zierlich geübt.
Was zur Todtenasche in den Grabhügel gelegt wurde, war selbstverständlich,
wie das ganze Ceremoniell der Bestattung, durch alten heiligen Brauch
bestimmt. Nun ist allerdings zweifellos, daß Steingeräth zu den ältesten
Erfindungen des Menschengeschlechts gehört, aber aus dem Vorhandensein
solcher Geräthe in Grabstätten auf eine unermeßliche Zeitentfernung ihrer
Eingrabung schließen zu wollen, wäre verkehrt. Denn noch lange nachdem
Eisenwaffen im Kriege verwandt wurden, blieb das Material, aus welchem der
Hammer des Gottes Donar gefügt war, im Ritual und Gesetz ehrwürdig. Zu der
Deposition von Steinwerkzeugen hatten die Bestattenden noch einen beson¬
deren Grund, der nirgend zwingender war, als an der Seeküste: die Grab¬
kammer galt für das Gemach des Todten, aus dem er zu den Göttern zog,
zu dem er wohl auch zurückkehrte, man wußte aber, daß Metallgeräth, wenn
es nicht von Gold oder Silber war, in der nassen Erde leicht unbrauchbar
wurde, ja ganz dahin schwand. Wir sind endlich zu der Annahme berech¬
tigt, daß bei germanischen so gut wie bei altitalischen Gräbern niedergesetztes
Geräth und Schmuck zum Theil für den Grabritus eigens angefertigt wurde.
Dies dürfen wir z. B. von manchen Bronzewaffen annehmen. Einige gefundene
Bronzeschwerter scheinen niemals dem praktischen Gebrauch des Lebens gedient
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