Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.gleich er in Civilkleidung war, gehorchten die Soldaten gern seinem Befehle. Eiligst kehrte ich in die Caserne meines Regiments (finnländische Garde- 14*
gleich er in Civilkleidung war, gehorchten die Soldaten gern seinem Befehle. Eiligst kehrte ich in die Caserne meines Regiments (finnländische Garde- 14*
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gleich er in Civilkleidung war, gehorchten die Soldaten gern seinem Befehle.
Auf meine Frage, wo ich den Dictator Trubetzky antreffen könne, sagte er mir:
„Er ist verschwunden; wenn Du kannst, so führe uns noch Mannschaft zu;
wo nicht, so sind auch ohne dich schon genug Opfer hier!"
Eiligst kehrte ich in die Caserne meines Regiments (finnländische Garde-
Jäger) zurück, wo nur das erste Bataillon und mein inzwischen von der
Wache abgelöster Scharfschützenzug anwesend waren. Ich ging durch alle
vier Compagnien, befahl den Leuten sich geschwind anzukleiden, Feuersteine
einzuschrauben, Patronen mitzunehmen und sich auf der Straße in Reih und
Glied aufzustellen, mit dem Hinzufügen, wir müßten unsern Brüdern zu Hilfe
eilen. In einer halben Stunde war das Bataillon bereit, von den Offizieren
fanden sich nur einzelne ein; Niemand wußte, auf wessen Befehl die Soldaten aus¬
gerückt waren. Adjutanten zu Pferde sprengten unaufhörlich hin und her; einer
von ihnen war zu unserm Brigadechef abgeordnet mit dem Befehl, unser Batail¬
lon auf den Jsaaksplatz zu sühren. Wir marschirten in Compagnie-Colonnen.
Bei dem Seecadettencorps begegnete uns der Generaladjutant Graf Komo-
rowsky zu Pferde; er war nach uns abgeschickt. Auf der Mitte der Jsaaks-
brücke beim Wtrthshäuschen wurde angehalten und befohlen, scharf zu laden;
fast alle Soldaten bekreuzigten sich. Von der Fügsamkeit meiner Soldaten voll¬
kommen überzeugt, beabsichtigte ich anfangs, mich mit ihnen durch den vor
uns stehenden Carabinierzug und durch eine Compagnie des Prekbreschenski'-
schen Regimentes, welche das andere Ende der Brücke zum Senatsplatze be¬
setzt hielt, durchzuschlagen. Da ich mich aber kurz vorher persönlich davon
überzeugt hatte, daH der Aufstand keinen Führer habe und jeder Einheit der
Leitung entbehrte und da ich meine Leute nicht zwecklos aufopfern wollte,
zugleich aber auch außer Stande war. in die Reihe der Gegenpartei zu tre¬
ten, so beschloß ich. meinen Zug in demselben Augenblicke stille stehen zu lassen,
indem Graf Komarowsky und der Brigadechef befahlen, vorwärts zu rücken.
Ich wollte auf diese Weise nicht nur verhindern, daß meine Leute gegen
meine Freunde verwandt wurden, sondern zugleich den nacheilenden Regi¬
mentern die Möglichkeit benehmen, die von meinem Zug besetzte Brücke zu
überschreiten und gegen die Aufständischen zu operiren. Beides gelang mir
vollständig. Meine Soldaten schrieen einstimmig Halt! so daß der vor uns
stehende Carabinierzug sich nicht formiren konnte; nur den persönlichen Be¬
mühungen des Capitains A. S. Wiatkin. der seine Fäuste nicht schonte, ge-
lang es, seinen Zug weiter zu führen. Zweimal kehrte der Brigadechef zu-
rück, um meinen Zug nachrücken zu lassen, aber sein Zureden und seine
Drohungen waren umsonst. Der Bataillonscommandeur war verschwunden
und ich beherrschte die Position an der Brücke. Drei ganze Compagnien, die
hinter meinem Zuge standen, waren bereits zum Stillstand gebracht; die
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