Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.bündig, daß sie der allgemeinen Sicherheit wegen ihre Posten streng be¬ Am Abend des 13. December erhielt ich die Privatmittheilung, daß der Am 14. December mit der Morgendämmerung versammelten sich alle bündig, daß sie der allgemeinen Sicherheit wegen ihre Posten streng be¬ Am Abend des 13. December erhielt ich die Privatmittheilung, daß der Am 14. December mit der Morgendämmerung versammelten sich alle <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0120" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287392"/> <p xml:id="ID_288" prev="#ID_287"> bündig, daß sie der allgemeinen Sicherheit wegen ihre Posten streng be¬<lb/> wahren sollten. So fest auch mein Entschluß war, mich von meinen Freun¬<lb/> den nicht zu trennen, so hielt ich es doch für unzulässig, Andere in mein<lb/> zweifelhaftes Geschick zu verflechten.</p><lb/> <p xml:id="ID_289"> Am Abend des 13. December erhielt ich die Privatmittheilung, daß der<lb/> morgende Tag zur Eidesleistung bestimmt sei. In der Nacht brachte ein Bote<lb/> aus dem Regiments den Befehl, daß sich sämmtliche Offiziere um 7 Uhr<lb/> Morgens in der Wohnung des Regimentscommandeurs zu melden hätten.</p><lb/> <p xml:id="ID_290" next="#ID_291"> Am 14. December mit der Morgendämmerung versammelten sich alle<lb/> Offiziere beim Regimentscommandeur, der uns mit einem neuen Kaiser be¬<lb/> willkommnete; er verlas hierauf das Testament Alexander's, die Thronentsagung<lb/> Constantin's und das neue Manifest. In Gegenwart aller Offiziere trat ich vor<lb/> und sagte zu dem General: „Wenn alle von Ew. Excellenz verlesenen Papiere<lb/> authentisch sind, woran zu zweifeln ich kein Recht habe, wie ist es da zu er¬<lb/> klären, daß wir nicht am 27. November sogleich dem Kaiser Nikolaus den Eid<lb/> der Treue geschworen haben?" — Der General antwortete mit sichtlicher Ver¬<lb/> legenheit: „Sie urtheilen nicht richtig; das haben Männer, die älter und er¬<lb/> fahrener sind, als Sie, schon überdacht. Meine Herren, begeben Sie sich in<lb/> Ihre Bataillone, um den Eid zu leisten." — Unser zweites Bataillon unter<lb/> Obrist Moller bezog die Wachen im Winterpalast und die Posten des ersten<lb/> Stadttheils. Das erste Bataillon leistete den Eid in den Casernen, ausge¬<lb/> nommen meinen Scharfschützenzug, der den Tag zuvor die Wache im Ga-<lb/> leererchafen bezogen hatte und noch nicht abgelöst war. Aus den Casernen<lb/> begab ich mich in den Winterpalast zur Wachparade, die ohne Ceremonien statt¬<lb/> fand. Noch war Alles ruhig, keine Bewegung zu spüren. Nach Hause zu¬<lb/> rückgekehrt fand ich ein Billet von RylHew, nach welchem man mich im<lb/> Hause des moskau'schen Regiments erwartete. Die Uhr war zwischen 10<lb/> und 11. Mich der Jsaaksbrücke im Schlitten nähernd, sah ich am andern<lb/> Ende derselben eine dichte Masse Volks und auf dem Platze eine im Viereck<lb/> aufgestellte Abtheilung des moskau'schen Regiments. Zu Fuß drängte ich<lb/> mich durch den Haufen, ging gerade zum Quarre', das jenseits des Denkmals<lb/> Peter's I. stand, und wurde mit lautem Hurrah begrüßt. In dem Quarre<lb/> stand der Fürst Tschepin-Rostowsky. sich auf seinen Säbel stützend, ermüdet,<lb/> erschöpft von dem Kampfe in der Caserne, wo er mit der größten Schwierigkeit<lb/> gekämpft, den Eid verweigert, seinen Brigadechef, den Regiments- und den Ba¬<lb/> taillonscommandeur schwer verwundet und endlich seine Compagnie mit der<lb/> Fahne herausgeführt hatte; ihm folgte die Compagnie von Michael Bestushew<lb/> und noch einige Haufen aus den übrigen Compagnien. Beide Capitaine standen<lb/> neben einander und warteten auf Hilfe. Am ruhigsten stand im Quarre' I.<lb/> I. Puschtschin; er hatte seit zwei Jahren seinen Abschied genommen, und ob-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0120]
bündig, daß sie der allgemeinen Sicherheit wegen ihre Posten streng be¬
wahren sollten. So fest auch mein Entschluß war, mich von meinen Freun¬
den nicht zu trennen, so hielt ich es doch für unzulässig, Andere in mein
zweifelhaftes Geschick zu verflechten.
Am Abend des 13. December erhielt ich die Privatmittheilung, daß der
morgende Tag zur Eidesleistung bestimmt sei. In der Nacht brachte ein Bote
aus dem Regiments den Befehl, daß sich sämmtliche Offiziere um 7 Uhr
Morgens in der Wohnung des Regimentscommandeurs zu melden hätten.
Am 14. December mit der Morgendämmerung versammelten sich alle
Offiziere beim Regimentscommandeur, der uns mit einem neuen Kaiser be¬
willkommnete; er verlas hierauf das Testament Alexander's, die Thronentsagung
Constantin's und das neue Manifest. In Gegenwart aller Offiziere trat ich vor
und sagte zu dem General: „Wenn alle von Ew. Excellenz verlesenen Papiere
authentisch sind, woran zu zweifeln ich kein Recht habe, wie ist es da zu er¬
klären, daß wir nicht am 27. November sogleich dem Kaiser Nikolaus den Eid
der Treue geschworen haben?" — Der General antwortete mit sichtlicher Ver¬
legenheit: „Sie urtheilen nicht richtig; das haben Männer, die älter und er¬
fahrener sind, als Sie, schon überdacht. Meine Herren, begeben Sie sich in
Ihre Bataillone, um den Eid zu leisten." — Unser zweites Bataillon unter
Obrist Moller bezog die Wachen im Winterpalast und die Posten des ersten
Stadttheils. Das erste Bataillon leistete den Eid in den Casernen, ausge¬
nommen meinen Scharfschützenzug, der den Tag zuvor die Wache im Ga-
leererchafen bezogen hatte und noch nicht abgelöst war. Aus den Casernen
begab ich mich in den Winterpalast zur Wachparade, die ohne Ceremonien statt¬
fand. Noch war Alles ruhig, keine Bewegung zu spüren. Nach Hause zu¬
rückgekehrt fand ich ein Billet von RylHew, nach welchem man mich im
Hause des moskau'schen Regiments erwartete. Die Uhr war zwischen 10
und 11. Mich der Jsaaksbrücke im Schlitten nähernd, sah ich am andern
Ende derselben eine dichte Masse Volks und auf dem Platze eine im Viereck
aufgestellte Abtheilung des moskau'schen Regiments. Zu Fuß drängte ich
mich durch den Haufen, ging gerade zum Quarre', das jenseits des Denkmals
Peter's I. stand, und wurde mit lautem Hurrah begrüßt. In dem Quarre
stand der Fürst Tschepin-Rostowsky. sich auf seinen Säbel stützend, ermüdet,
erschöpft von dem Kampfe in der Caserne, wo er mit der größten Schwierigkeit
gekämpft, den Eid verweigert, seinen Brigadechef, den Regiments- und den Ba¬
taillonscommandeur schwer verwundet und endlich seine Compagnie mit der
Fahne herausgeführt hatte; ihm folgte die Compagnie von Michael Bestushew
und noch einige Haufen aus den übrigen Compagnien. Beide Capitaine standen
neben einander und warteten auf Hilfe. Am ruhigsten stand im Quarre' I.
I. Puschtschin; er hatte seit zwei Jahren seinen Abschied genommen, und ob-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |