Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.Stammes. In einem etwas dunkel gehaltenen Artikel der "Times" äußert Aus den Memoiren eines russischen BeKabristm: I. Der 14. December 1825. Die große Mehrzahl unserer Leser wird schon die Ueberschrift der Auf¬ Stammes. In einem etwas dunkel gehaltenen Artikel der „Times" äußert Aus den Memoiren eines russischen BeKabristm: I. Der 14. December 1825. Die große Mehrzahl unserer Leser wird schon die Ueberschrift der Auf¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0114" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287386"/> <p xml:id="ID_269" prev="#ID_268"> Stammes. In einem etwas dunkel gehaltenen Artikel der „Times" äußert<lb/> das einflußreiche Blatt: „es gäbe noch eine Reihe anderer Prinzen außer den<lb/> bourbonischen, denen sich die Augen des spanischen Volkes billigerweise zu¬<lb/> wenden und deren Verdienste in Bälde wahrscheinlich lebhaft erörtert werden<lb/> dürften." Es ist bei dieser Andeutung der Times wohl in erster Reihe an<lb/> den Prinzen Alfred, den Herzog von Edinburgh zu denken. Desgleichen schlägt<lb/> die „Liberte" — allerdings in der uneigennützigen Weise, die Herrn von Girar-<lb/> din sogleich erkennen läßt — die Candidatur des Königs der Belgier vor, „wenn<lb/> dafür — das ist des Pudels Kern — Belgien an Frankreich fiele". In<lb/> pariser Kreisen wird jedoch noch allgemeiner der Herzog von Aosta (Victor<lb/> Emanuel's zweiter Sohn) als zukünftiger spanischer König genannt; auch hier<lb/> vermuthet man preußischen Einfluß und wird Graf Bismarck als energischer<lb/> Freund dieser Candidatur bezeichnet. Wir glauben nicht recht an die Realisirung<lb/> dieses Planes; ebenso wenig an die Thronfolge des Königs der Belgier. Letzterer<lb/> aber wie Prinz Alfred und Ludwig von Portugal sind alle drei Sprößlinge<lb/> desselben Hauses, des Hauses Sachsen-Coburg-Gotha; die Thronfolge eines<lb/> dieser drei Kandidaten würde demnach einem sächsischen Ernestiner die Krone<lb/> von Spanien bringen, immerhin ein Gewinn sür Deutschland und seine na¬<lb/> tionale Politik."</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Aus den Memoiren eines russischen BeKabristm:</head><lb/> <div n="2"> <head> I. Der 14. December 1825.</head><lb/> <p xml:id="ID_270" next="#ID_271"> Die große Mehrzahl unserer Leser wird schon die Ueberschrift der Auf¬<lb/> zeichnungen, welche wir nachstehend der Oeffentlichkeit übergeben, fremd an-<lb/> muthen. Es handelt sich um die Erlebnisse eines der wenigen überlebenden<lb/> Theilnehmer des Petersburger Aufstandes vom December 1825, die in Ru߬<lb/> land technisch „Dekabristen" d. h. Decembermänner genannt werden (der Mo¬<lb/> nat December heißt russisch Dekalier). Den Verfasser, der die Theilnahme an<lb/> jener Verschwörung mit vieljähriger harter Verbannung in Sibirien und dem<lb/> Kaukasus büßte, hat es gedrängt am Abend seines Lebens ein einfaches,<lb/> wahrheitsgetreues Bild seiner Erlebnisse zu entwerfen, und dadurch einen Bei¬<lb/> trag zur Charakteristik der Menschen und Verhältnisse zu liefern, welche an<lb/> jenem merkwürdigen Ereigniß betheiligt waren. Es kann sich selbstverständlich<lb/> nicht um eine Apologie des unseligen Unternehmens vom 14. December 1825<lb/> handeln, über welches die Geschichte längst zur Tagesordnung übergegangen ist,<lb/> sondern blos um die objective Zusammenstellung interessanter Thatsachen, wie<lb/> sie im Gedächtniß eines Greises haftend geblieben waren, der an den An¬<lb/> schauungen, Irrthümern und Ueberzeugungen seiner Zeit und Umgebung red-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0114]
Stammes. In einem etwas dunkel gehaltenen Artikel der „Times" äußert
das einflußreiche Blatt: „es gäbe noch eine Reihe anderer Prinzen außer den
bourbonischen, denen sich die Augen des spanischen Volkes billigerweise zu¬
wenden und deren Verdienste in Bälde wahrscheinlich lebhaft erörtert werden
dürften." Es ist bei dieser Andeutung der Times wohl in erster Reihe an
den Prinzen Alfred, den Herzog von Edinburgh zu denken. Desgleichen schlägt
die „Liberte" — allerdings in der uneigennützigen Weise, die Herrn von Girar-
din sogleich erkennen läßt — die Candidatur des Königs der Belgier vor, „wenn
dafür — das ist des Pudels Kern — Belgien an Frankreich fiele". In
pariser Kreisen wird jedoch noch allgemeiner der Herzog von Aosta (Victor
Emanuel's zweiter Sohn) als zukünftiger spanischer König genannt; auch hier
vermuthet man preußischen Einfluß und wird Graf Bismarck als energischer
Freund dieser Candidatur bezeichnet. Wir glauben nicht recht an die Realisirung
dieses Planes; ebenso wenig an die Thronfolge des Königs der Belgier. Letzterer
aber wie Prinz Alfred und Ludwig von Portugal sind alle drei Sprößlinge
desselben Hauses, des Hauses Sachsen-Coburg-Gotha; die Thronfolge eines
dieser drei Kandidaten würde demnach einem sächsischen Ernestiner die Krone
von Spanien bringen, immerhin ein Gewinn sür Deutschland und seine na¬
tionale Politik."
Aus den Memoiren eines russischen BeKabristm:
I. Der 14. December 1825.
Die große Mehrzahl unserer Leser wird schon die Ueberschrift der Auf¬
zeichnungen, welche wir nachstehend der Oeffentlichkeit übergeben, fremd an-
muthen. Es handelt sich um die Erlebnisse eines der wenigen überlebenden
Theilnehmer des Petersburger Aufstandes vom December 1825, die in Ru߬
land technisch „Dekabristen" d. h. Decembermänner genannt werden (der Mo¬
nat December heißt russisch Dekalier). Den Verfasser, der die Theilnahme an
jener Verschwörung mit vieljähriger harter Verbannung in Sibirien und dem
Kaukasus büßte, hat es gedrängt am Abend seines Lebens ein einfaches,
wahrheitsgetreues Bild seiner Erlebnisse zu entwerfen, und dadurch einen Bei¬
trag zur Charakteristik der Menschen und Verhältnisse zu liefern, welche an
jenem merkwürdigen Ereigniß betheiligt waren. Es kann sich selbstverständlich
nicht um eine Apologie des unseligen Unternehmens vom 14. December 1825
handeln, über welches die Geschichte längst zur Tagesordnung übergegangen ist,
sondern blos um die objective Zusammenstellung interessanter Thatsachen, wie
sie im Gedächtniß eines Greises haftend geblieben waren, der an den An¬
schauungen, Irrthümern und Ueberzeugungen seiner Zeit und Umgebung red-
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