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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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soll.*) Die übrigen londoner Organe glauben dagegen nicht an die Constituirung
eines spanischen Freistaates. "Star" und "Daily News" bezweifeln die Qua-
lification der Spanier zu Republikanern. "Post" und "Globe", "Herald"
und "Standard" wollen noch weniger etwas von der Republik wissen. Die
"Saturday Review" glaubt, ehe das geschähe, würde die Königin wieder¬
eingesetzt werden.

Als ganz grundlos müssen die Gerüchte bezeichnet werden, die einen bour-
bonischen Prinzen zum spanischen König machen. Ein Regent aus dem¬
selben Stamm, über dessen jüngsten Negentensproß die empörte Nation zur
Tagesordnung der Freiheit übergegangen ist, dürfte in einem Lande, das
unter den Bourbonen noch mehr als unter den Habsburgischen Regenten
gelitten, unmöglich sein. Damitfällt die Candidatur Alfons' XII. (des Prin¬
zen von Asturten) unter der Vormundschaft des Grafen von Girgenti, ebenso
zu Boden wie die Karl's VII., des Grafen Montemolin (Don Carlos' Enkel).
Die Candidatur Anton's I., des Herzogs von Montpensier (Louis Philipp's
Sohn), immerhin eines Bourbon, wenn auch von der orleans'schen Linie, ist viel¬
leicht populärer, allein die Realisirung dieses Planes würde, wie die officiöse
"Patrie" andeutet, in den Tuilerien nimmermehr geduldet werden. Alle
Combinationen über die etwaigen bourbonischen Thronfolger, alle Hoff¬
nungen der Prätendenten selbst sind jedoch durch den Erlaß der Junta von
Madrid vom 30. September vernichtet, der in dürren Worten "die Un¬
fähigkeit aller Bourbonen, den Thron zu besteigen" erklärt.

Die Romanen haben in unserem Zeitalter kein Glück bei der Besetzung
europäischer Throne, der Zug der Zeit ist für die Germanen. Die deutsche
Fürstenfamilie der Coburger, die schon vier Throne inne hat, hat jetzt Aus¬
sicht den fünften zu besetzen. Der Könige von Portugal und Algarbien gibt
es jetzt zwei: den Titularkönig Ferdinand und dessen Sohn Ludwig, den
jetzt regierenden König, beide aus dem Hause Coburg-Kohary. Es ist nicht
unwahrscheinlich, daß die spanische Krone Ferdinand VIII. oder Ludwig I.
zu Theil wird. Ludwig I. würde dann der Schöpfer einer iberischen Perso¬
nalunion werden: Portugal und Spanien erhielten in ihm einen gemein¬
samen Monarchen, ein Ereigniß von großer politischer und wirthschaftlicher
Tragweite. Mit England, ja mit Preußen und durch die Gemahlin Lud¬
wig's mit Italien verschwägert, würde in den vereinigten iberischen König¬
reichen eine westeuropäische Macht geschaffen, die etwaigen französischen Ueber¬
griffen ein Achtung gebietendes Gegengewicht halten würde. Dazu sind die
transpyrenäischen Nachbarn den Spaniern lange verhaßt gewesen, während



-) Das Treiben Escalante's. des Commandanten der madrider Nationalgarde scheint nach
den neuesten Nachrichten unschädlicher zu sein, als die französischen Correspondenten uns glauben
machen wollten.

soll.*) Die übrigen londoner Organe glauben dagegen nicht an die Constituirung
eines spanischen Freistaates. „Star" und „Daily News" bezweifeln die Qua-
lification der Spanier zu Republikanern. „Post" und „Globe", „Herald"
und „Standard" wollen noch weniger etwas von der Republik wissen. Die
„Saturday Review" glaubt, ehe das geschähe, würde die Königin wieder¬
eingesetzt werden.

Als ganz grundlos müssen die Gerüchte bezeichnet werden, die einen bour-
bonischen Prinzen zum spanischen König machen. Ein Regent aus dem¬
selben Stamm, über dessen jüngsten Negentensproß die empörte Nation zur
Tagesordnung der Freiheit übergegangen ist, dürfte in einem Lande, das
unter den Bourbonen noch mehr als unter den Habsburgischen Regenten
gelitten, unmöglich sein. Damitfällt die Candidatur Alfons' XII. (des Prin¬
zen von Asturten) unter der Vormundschaft des Grafen von Girgenti, ebenso
zu Boden wie die Karl's VII., des Grafen Montemolin (Don Carlos' Enkel).
Die Candidatur Anton's I., des Herzogs von Montpensier (Louis Philipp's
Sohn), immerhin eines Bourbon, wenn auch von der orleans'schen Linie, ist viel¬
leicht populärer, allein die Realisirung dieses Planes würde, wie die officiöse
„Patrie" andeutet, in den Tuilerien nimmermehr geduldet werden. Alle
Combinationen über die etwaigen bourbonischen Thronfolger, alle Hoff¬
nungen der Prätendenten selbst sind jedoch durch den Erlaß der Junta von
Madrid vom 30. September vernichtet, der in dürren Worten „die Un¬
fähigkeit aller Bourbonen, den Thron zu besteigen" erklärt.

Die Romanen haben in unserem Zeitalter kein Glück bei der Besetzung
europäischer Throne, der Zug der Zeit ist für die Germanen. Die deutsche
Fürstenfamilie der Coburger, die schon vier Throne inne hat, hat jetzt Aus¬
sicht den fünften zu besetzen. Der Könige von Portugal und Algarbien gibt
es jetzt zwei: den Titularkönig Ferdinand und dessen Sohn Ludwig, den
jetzt regierenden König, beide aus dem Hause Coburg-Kohary. Es ist nicht
unwahrscheinlich, daß die spanische Krone Ferdinand VIII. oder Ludwig I.
zu Theil wird. Ludwig I. würde dann der Schöpfer einer iberischen Perso¬
nalunion werden: Portugal und Spanien erhielten in ihm einen gemein¬
samen Monarchen, ein Ereigniß von großer politischer und wirthschaftlicher
Tragweite. Mit England, ja mit Preußen und durch die Gemahlin Lud¬
wig's mit Italien verschwägert, würde in den vereinigten iberischen König¬
reichen eine westeuropäische Macht geschaffen, die etwaigen französischen Ueber¬
griffen ein Achtung gebietendes Gegengewicht halten würde. Dazu sind die
transpyrenäischen Nachbarn den Spaniern lange verhaßt gewesen, während



-) Das Treiben Escalante's. des Commandanten der madrider Nationalgarde scheint nach
den neuesten Nachrichten unschädlicher zu sein, als die französischen Correspondenten uns glauben
machen wollten.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/112>, abgerufen am 05.02.2025.