Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.Geister der Zeit, die Männer, welche den Geist ihrer Zeit begriffen, stehen, Die Nächstliegende Frage ist die nach der Thronfolge in Spanien. Grenzboten IV. 1868. 13
Geister der Zeit, die Männer, welche den Geist ihrer Zeit begriffen, stehen, Die Nächstliegende Frage ist die nach der Thronfolge in Spanien. Grenzboten IV. 1868. 13
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Geister der Zeit, die Männer, welche den Geist ihrer Zeit begriffen, stehen,
gleichviel welcher Parteischattirung angehörig, im Bunde gegen die Bornirtheit
und die Bedrückung im Denken und Handeln. Wie sie jetzt auf der iberischen
Halbinsel gesiegt haben, so werden sie auch über kurz oder lang eine andere
Prophezeihung des „Monde" erfüllen. „Wenn der spanischen Revolution"
klagt der entsetzte Monde, „ihre Sache glückt, so wird demnächst Rom in
die Hände des revolutionären Italiens fallen, während man Frankreich im
Namen der Freiheit in Aufregung stürzen wird."
Die Nächstliegende Frage ist die nach der Thronfolge in Spanien.
Wird die Abstimmung des spanischen Volkes, oder das dictatorische Votum
der Junta darüber entscheiden? Und wer wird von der Volksstimme oder
von der der Delegirten zum Throncandidaten auserlesen werden? Die erste
Zeitung, die authentische und detailirte Nachrichten über den spanischen
Aufstand brachte, war die „Times". Mit kluger Vorsicht äußern sich ihre
spanischen Korrespondenten, aufmerksamstes Ohr leihen sie der Stimmung
des Volkes, über dessen Schicksal sie referiren. „Spanien — meint ein Korre¬
spondent vom 26, September — wird sich für eine Republik nicht eignen.
Zwar gibt es eine republikanische Partei, gerade wie es Parteien für die
Erhebung eines italienischen oder englischen Prinzen auf den spanischen Thron
gibt, Parteien für eine Vereinigung mit Portugal unter dem Hause Bra-
ganza-Coburg, für Montpensier, den Prinzen von Asturien. Aber jede dieser
Parteien betrachtet die andere als wahnwitzig." Als ein paar Namen von
Mitgliedern der madrider Junta bekannt wurden, mußte es dem Einsichtigen
klar werden, daß sich bei der Verschiedenheit der Parteien, die jene Namen
vertreten, schwer eine baldige Einigung für eine Regierungsform und deren
Spitzen finden würde. Unionisten, wie Cantero, Progressisten, wie Olozaga
und Figuerola, Radikale wie Rivero finden sich in jeder Provincialjunta
gewiß ebenso zahlreich wie in Madrid. Was nun die madrider Junta be¬
trifft, so wird sie nicht ohne großen Einfluß auf die constituirenden Cortes,
die über die neue Regierungsform entscheiden sollen, bleiben. Die Freunde
der Republik haben nicht viel Chancen für sich. Die englische Presse, die sich
in langer Schulung politischen Lebens einen freien Blick für politische Zustände
fremder Völker erworben hat. spricht sich in ihrer Majorität gegen die Re¬
publik aus. Nur Daily Telegraph und das Wochenblatt spectator sind der re¬
publikanischen Form günstig gesinnt. Die Bestätigung der Abfassung eines
republikanischen Programms, das eine Föderativrepublik verlangen soll, ist
noch abzuwarten. Von den Führern des Aufstandes scheint General Pierrad
der einzige Republikaner zu sein, der nach einer ebenso unverbürgten Nachricht
seinen Soldaten sogar den Eid auf die Republik abgenommen haben
Grenzboten IV. 1868. 13
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