Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

Bild:
<< vorherige Seite

lich noch die Republik, und obwohl diese das Thörichtste wäre, was man
wählen könnte, so ist es doch sehr möglich, daß man dazu kommt. Einmal
weil die Nation so überaus schlechte Erfahrungen mit ihren absoluten wie
konstitutionellen Monarchen gemacht hat, sodann weil jeder der Revolutions¬
generale hoffen könnte, in dieser Staatsform die erste Rolle zu spielen. Kommt
es zur Republik, so kann man sich mit Sicherheit auf den gewöhnlichen Kreis¬
lauf von einer unpraktischen Verfassung zur Anarchie und schließlich zur Dik¬
tatur gefaßt machen. Aber auch wenn ein König gewählt wird, so wird er
schwerlich nach seiner Tüchtigkeit erkoren, sondern je nachdem die Generale
hoffen können, ihn zu beherrschen. Dazu kommt die traurige finanzielle Lage;
der Schatz ist leer, die vorige Ernte ist ungenügend, die diesmalige so schlecht,
daß große Kornzufuhr von außen nöthig sein wird. Alles genommen wird
man gut thun, kein schnelles Definitionen von der Revolution zu hoffen und
zunächst abzuwarten, ob die Nation zeigt, daß sie etwas durch ihre Vergan¬
genheit gelernt hat und daß die Eisenbahnen auch moderne Ideen ins Land
gebracht haben.

Eine andere Seite der Bewegung ist die, welchen Einfluß sie auf die
europäische Politik haben wird; wir glauben, daß man denselben überschätzt.
Daß die Revolution augenblicklich dem Kaiser Napoleon sehr ungelegen kam und
als ein Ableiter wirkt, ist nicht zu leugnen, aber wir halten es für fraglich,
ob diese Einwirkung lange dauern wird. Frankreich seinerseits wird sich passiv
verhalten. Niemand denkt an eine Intervention, die Wahl des einzigen Can-
didaten, welche eine offensive Seite für die napoleonische Dynastie hätte, des
Herzogs von Montpensier. ist zur Zeit noch wenig wahrscheinlich; Spanien
seinerseits wird zu viel mit sich selbst zu thun haben, um Zeit und Geld für
europäische Politik übrig zu behalten, und weder ein neuer König noch eine
Republik wird daran denken können, Napoleon durch actives Eingreifen
Schwierigkeiten zu bereiten. Für diesen würde sich also der ganze Ausfall dar-
auf beschränken, daß er die projectirte Ersetzung der französischen Garnison
Roms durch eine spanische aus seinen Plänen zu streichen hat und dieser Ausfall
ist nicht groß, zumal zweifelhaft erscheint, ob ein solcher Wechsel der Garnison
nicht für den Kaiser zu unangenehmen Weiterungen mit Italien geführt hätte,
das keinen Septembervertrag mit Spanien abgeschlossen hat. Ebenso wenig
können wir viel auf das Argument geben, daß die Revolution einen großen
Rückschlag auf die innern Zustände Frankreichs üben werde. Das würde
richtig sein, wenn der Aufbau eines festen, wirklich freiheitlichen Staatswesens
in Aussicht stände. Sind aber erst die schönen Zeiten der Programme und
des Füllhorns ihrer Versprechungen vorüber, so dürfte der innere Zustand
Spaniens wenig beneidenswerth werden und auch die pariser Opposition das
Beispiel schwerlich zur Nachahmung empfehlen können. Wir werden also gut


lich noch die Republik, und obwohl diese das Thörichtste wäre, was man
wählen könnte, so ist es doch sehr möglich, daß man dazu kommt. Einmal
weil die Nation so überaus schlechte Erfahrungen mit ihren absoluten wie
konstitutionellen Monarchen gemacht hat, sodann weil jeder der Revolutions¬
generale hoffen könnte, in dieser Staatsform die erste Rolle zu spielen. Kommt
es zur Republik, so kann man sich mit Sicherheit auf den gewöhnlichen Kreis¬
lauf von einer unpraktischen Verfassung zur Anarchie und schließlich zur Dik¬
tatur gefaßt machen. Aber auch wenn ein König gewählt wird, so wird er
schwerlich nach seiner Tüchtigkeit erkoren, sondern je nachdem die Generale
hoffen können, ihn zu beherrschen. Dazu kommt die traurige finanzielle Lage;
der Schatz ist leer, die vorige Ernte ist ungenügend, die diesmalige so schlecht,
daß große Kornzufuhr von außen nöthig sein wird. Alles genommen wird
man gut thun, kein schnelles Definitionen von der Revolution zu hoffen und
zunächst abzuwarten, ob die Nation zeigt, daß sie etwas durch ihre Vergan¬
genheit gelernt hat und daß die Eisenbahnen auch moderne Ideen ins Land
gebracht haben.

Eine andere Seite der Bewegung ist die, welchen Einfluß sie auf die
europäische Politik haben wird; wir glauben, daß man denselben überschätzt.
Daß die Revolution augenblicklich dem Kaiser Napoleon sehr ungelegen kam und
als ein Ableiter wirkt, ist nicht zu leugnen, aber wir halten es für fraglich,
ob diese Einwirkung lange dauern wird. Frankreich seinerseits wird sich passiv
verhalten. Niemand denkt an eine Intervention, die Wahl des einzigen Can-
didaten, welche eine offensive Seite für die napoleonische Dynastie hätte, des
Herzogs von Montpensier. ist zur Zeit noch wenig wahrscheinlich; Spanien
seinerseits wird zu viel mit sich selbst zu thun haben, um Zeit und Geld für
europäische Politik übrig zu behalten, und weder ein neuer König noch eine
Republik wird daran denken können, Napoleon durch actives Eingreifen
Schwierigkeiten zu bereiten. Für diesen würde sich also der ganze Ausfall dar-
auf beschränken, daß er die projectirte Ersetzung der französischen Garnison
Roms durch eine spanische aus seinen Plänen zu streichen hat und dieser Ausfall
ist nicht groß, zumal zweifelhaft erscheint, ob ein solcher Wechsel der Garnison
nicht für den Kaiser zu unangenehmen Weiterungen mit Italien geführt hätte,
das keinen Septembervertrag mit Spanien abgeschlossen hat. Ebenso wenig
können wir viel auf das Argument geben, daß die Revolution einen großen
Rückschlag auf die innern Zustände Frankreichs üben werde. Das würde
richtig sein, wenn der Aufbau eines festen, wirklich freiheitlichen Staatswesens
in Aussicht stände. Sind aber erst die schönen Zeiten der Programme und
des Füllhorns ihrer Versprechungen vorüber, so dürfte der innere Zustand
Spaniens wenig beneidenswerth werden und auch die pariser Opposition das
Beispiel schwerlich zur Nachahmung empfehlen können. Wir werden also gut


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0109" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287381"/>
          <p xml:id="ID_257" prev="#ID_256"> lich noch die Republik, und obwohl diese das Thörichtste wäre, was man<lb/>
wählen könnte, so ist es doch sehr möglich, daß man dazu kommt. Einmal<lb/>
weil die Nation so überaus schlechte Erfahrungen mit ihren absoluten wie<lb/>
konstitutionellen Monarchen gemacht hat, sodann weil jeder der Revolutions¬<lb/>
generale hoffen könnte, in dieser Staatsform die erste Rolle zu spielen. Kommt<lb/>
es zur Republik, so kann man sich mit Sicherheit auf den gewöhnlichen Kreis¬<lb/>
lauf von einer unpraktischen Verfassung zur Anarchie und schließlich zur Dik¬<lb/>
tatur gefaßt machen. Aber auch wenn ein König gewählt wird, so wird er<lb/>
schwerlich nach seiner Tüchtigkeit erkoren, sondern je nachdem die Generale<lb/>
hoffen können, ihn zu beherrschen. Dazu kommt die traurige finanzielle Lage;<lb/>
der Schatz ist leer, die vorige Ernte ist ungenügend, die diesmalige so schlecht,<lb/>
daß große Kornzufuhr von außen nöthig sein wird. Alles genommen wird<lb/>
man gut thun, kein schnelles Definitionen von der Revolution zu hoffen und<lb/>
zunächst abzuwarten, ob die Nation zeigt, daß sie etwas durch ihre Vergan¬<lb/>
genheit gelernt hat und daß die Eisenbahnen auch moderne Ideen ins Land<lb/>
gebracht haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_258" next="#ID_259"> Eine andere Seite der Bewegung ist die, welchen Einfluß sie auf die<lb/>
europäische Politik haben wird; wir glauben, daß man denselben überschätzt.<lb/>
Daß die Revolution augenblicklich dem Kaiser Napoleon sehr ungelegen kam und<lb/>
als ein Ableiter wirkt, ist nicht zu leugnen, aber wir halten es für fraglich,<lb/>
ob diese Einwirkung lange dauern wird. Frankreich seinerseits wird sich passiv<lb/>
verhalten. Niemand denkt an eine Intervention, die Wahl des einzigen Can-<lb/>
didaten, welche eine offensive Seite für die napoleonische Dynastie hätte, des<lb/>
Herzogs von Montpensier. ist zur Zeit noch wenig wahrscheinlich; Spanien<lb/>
seinerseits wird zu viel mit sich selbst zu thun haben, um Zeit und Geld für<lb/>
europäische Politik übrig zu behalten, und weder ein neuer König noch eine<lb/>
Republik wird daran denken können, Napoleon durch actives Eingreifen<lb/>
Schwierigkeiten zu bereiten. Für diesen würde sich also der ganze Ausfall dar-<lb/>
auf beschränken, daß er die projectirte Ersetzung der französischen Garnison<lb/>
Roms durch eine spanische aus seinen Plänen zu streichen hat und dieser Ausfall<lb/>
ist nicht groß, zumal zweifelhaft erscheint, ob ein solcher Wechsel der Garnison<lb/>
nicht für den Kaiser zu unangenehmen Weiterungen mit Italien geführt hätte,<lb/>
das keinen Septembervertrag mit Spanien abgeschlossen hat. Ebenso wenig<lb/>
können wir viel auf das Argument geben, daß die Revolution einen großen<lb/>
Rückschlag auf die innern Zustände Frankreichs üben werde. Das würde<lb/>
richtig sein, wenn der Aufbau eines festen, wirklich freiheitlichen Staatswesens<lb/>
in Aussicht stände. Sind aber erst die schönen Zeiten der Programme und<lb/>
des Füllhorns ihrer Versprechungen vorüber, so dürfte der innere Zustand<lb/>
Spaniens wenig beneidenswerth werden und auch die pariser Opposition das<lb/>
Beispiel schwerlich zur Nachahmung empfehlen können. Wir werden also gut</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0109] lich noch die Republik, und obwohl diese das Thörichtste wäre, was man wählen könnte, so ist es doch sehr möglich, daß man dazu kommt. Einmal weil die Nation so überaus schlechte Erfahrungen mit ihren absoluten wie konstitutionellen Monarchen gemacht hat, sodann weil jeder der Revolutions¬ generale hoffen könnte, in dieser Staatsform die erste Rolle zu spielen. Kommt es zur Republik, so kann man sich mit Sicherheit auf den gewöhnlichen Kreis¬ lauf von einer unpraktischen Verfassung zur Anarchie und schließlich zur Dik¬ tatur gefaßt machen. Aber auch wenn ein König gewählt wird, so wird er schwerlich nach seiner Tüchtigkeit erkoren, sondern je nachdem die Generale hoffen können, ihn zu beherrschen. Dazu kommt die traurige finanzielle Lage; der Schatz ist leer, die vorige Ernte ist ungenügend, die diesmalige so schlecht, daß große Kornzufuhr von außen nöthig sein wird. Alles genommen wird man gut thun, kein schnelles Definitionen von der Revolution zu hoffen und zunächst abzuwarten, ob die Nation zeigt, daß sie etwas durch ihre Vergan¬ genheit gelernt hat und daß die Eisenbahnen auch moderne Ideen ins Land gebracht haben. Eine andere Seite der Bewegung ist die, welchen Einfluß sie auf die europäische Politik haben wird; wir glauben, daß man denselben überschätzt. Daß die Revolution augenblicklich dem Kaiser Napoleon sehr ungelegen kam und als ein Ableiter wirkt, ist nicht zu leugnen, aber wir halten es für fraglich, ob diese Einwirkung lange dauern wird. Frankreich seinerseits wird sich passiv verhalten. Niemand denkt an eine Intervention, die Wahl des einzigen Can- didaten, welche eine offensive Seite für die napoleonische Dynastie hätte, des Herzogs von Montpensier. ist zur Zeit noch wenig wahrscheinlich; Spanien seinerseits wird zu viel mit sich selbst zu thun haben, um Zeit und Geld für europäische Politik übrig zu behalten, und weder ein neuer König noch eine Republik wird daran denken können, Napoleon durch actives Eingreifen Schwierigkeiten zu bereiten. Für diesen würde sich also der ganze Ausfall dar- auf beschränken, daß er die projectirte Ersetzung der französischen Garnison Roms durch eine spanische aus seinen Plänen zu streichen hat und dieser Ausfall ist nicht groß, zumal zweifelhaft erscheint, ob ein solcher Wechsel der Garnison nicht für den Kaiser zu unangenehmen Weiterungen mit Italien geführt hätte, das keinen Septembervertrag mit Spanien abgeschlossen hat. Ebenso wenig können wir viel auf das Argument geben, daß die Revolution einen großen Rückschlag auf die innern Zustände Frankreichs üben werde. Das würde richtig sein, wenn der Aufbau eines festen, wirklich freiheitlichen Staatswesens in Aussicht stände. Sind aber erst die schönen Zeiten der Programme und des Füllhorns ihrer Versprechungen vorüber, so dürfte der innere Zustand Spaniens wenig beneidenswerth werden und auch die pariser Opposition das Beispiel schwerlich zur Nachahmung empfehlen können. Wir werden also gut

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/109
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/109>, abgerufen am 05.02.2025.