Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.Jahren etwa galten die Consuln ungleich mehr; besonders die englischen Mit den schlechtesten Credit haben die Handelsgerichte. Wie soll man aber Grenzboten III. 18S8. 10
Jahren etwa galten die Consuln ungleich mehr; besonders die englischen Mit den schlechtesten Credit haben die Handelsgerichte. Wie soll man aber Grenzboten III. 18S8. 10
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Jahren etwa galten die Consuln ungleich mehr; besonders die englischen
Agenten besaßen großen Einfluß und setzten manches Gute und Gerechte
durch; aber seit 1860 ist es hierin ganz anders geworden und sind, so lange
das Land unter türkischer Herrschaft bleibt, alle Hoffnungen auf eine bessere
Zukunft Illusionen. Wie in Europa selbst, so hat auch in der Levante das
Ansehen der Engländer gewaltig gelitten; die reformirenden Staatsmänner
des Osmanenreiches haben die Furcht vor dem hochfahrenden Auftreten der
Briten ziemlich überwunden. Und wie den stolzen Engländern, so geht es
den Andern, Bescheidenern: etwas'energisch durchzusetzen, selbst wenn das
Recht klar zu Tage liegt, vermag Keiner mehr, was die Schutzbefohlenen der,
Consulate in ihren geschäftlichen Beziehungen zu den Eingebornen zu ihrem
Schaden oft genug erfahren müssen. Trotz hochtönender Leitartikel in den
officiellen stambuler Zeitungen liegen die Gerichtseinrichtungen gerade wie
früher noch heute im Argen; noch immer erhebt sich allseitig die Klage über
Bestechlichkeit und Parteilichkeit der Behörden, über gewissenloses Urtheilspre¬
chen und arge Bedrückung.
Mit den schlechtesten Credit haben die Handelsgerichte. Wie soll man aber
auch vom Handelsgerichte der Stadt Jerusalem rechtliches Urtheil erwarten, wenn
alle Welt weiß, daß die Richter, meist große Efendis, Hauptsächlich durch die
rohen Scherze und Spöttereien bekannt sind, mit denen sie das rechtsuchende
Publikum regaliren? Wehe der Firma, welche sich gezwungen sieht, bei die¬
ser Behörde eine Klage einzureichen. Verbrieft und proclamtrt ist es oft,
daß die verschiedenen Nationen einander gleichgestellt seien; in Praxi besteht
dies aber nicht; die Muslimin sind und bleiben die Begünstigten, besonders
wenn sie als böse Schuldner verklagt werden. In sittlicher Hinsicht ist
es bei den anderen Gerichten besser bestellt. Was das eigentliche Verfahren
anlangt, so besitzen Türken wie Araber das seltene Talent, eine Sache ins
Unendliche hinauszuziehen, in manchen Fällen sogar unmöglich zu machen,
wenn für-gewisse Leute kein Vortheil zu erlangen ist. Auf Protection und
Fürsprache, welche selbstverständlich nicht gratis geleistet werden können,
kommt sehr viel, wenn nicht Alles an. Die Consulate können mit den ver¬
schiedenen Behörden nicht direct. sondern nur durch den Pascha verkehren;
an Höflichkeiten und Verbindlichkeiten ist die amtliche arabische Sprache sehr
reich, und mit solch' feinen Brocken werden die Diplomaten meistens ge-
speist und abgespeist. Europäer sitzen, als Fremdlinge, nicht in den Behörden;
Ausnahme macht allein der vor Kurzem organisirte Stadtrath, der in Nach-
ahmung der Municipalitäten der Städte des Westens für das Wohl des
Orts in selbständiger Weise sorgen soll. Trotz des Eifers, welchen sammt-
liche Mitglieder dieser gemischten Behörde an den Tag legen, liegt ein Bann
der Halbheit und Verschleppung auf allen Maßnahmen und schließlich wird
Grenzboten III. 18S8. 10
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