Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.zu lenken. Der eingebornen Protestanten sind zu wenige, als daß auf ihre So denken etwa die Eingebornen und Eingewanderten; begünstigt die zu lenken. Der eingebornen Protestanten sind zu wenige, als daß auf ihre So denken etwa die Eingebornen und Eingewanderten; begünstigt die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0084" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286796"/> <p xml:id="ID_217" prev="#ID_216"> zu lenken. Der eingebornen Protestanten sind zu wenige, als daß auf ihre<lb/> bezügliche Meinung ein Gewicht zu legen wäre; die eingewanderten Glieder<lb/> dieser Kirche aber sind diejenigen, welche am meisten und vor Andern sich<lb/> mit der Zukunft des Landes beschäftigen; ist doch gerade ihr Herkommen und<lb/> Hierbleiben Zeugniß und Ausdruck der in vielen Kreisen der Heimath wal¬<lb/> tenden, mehr oder minder berechtigten klaren Ideen von den für Palä¬<lb/> stina kommenden Zeiten. Die Einen suchen freilich nicht allein, sondern neben<lb/> (mit) den Katholiken die neue Zeit durch geistige Hebung des Volkes in<lb/> Schulen und Gemeinden anzubahnen; Andere versuchen ihren Antheil an dieser<lb/> Weltfrage durch Gründung von Colonien zu beweisen; wieder Andere hoffen<lb/> in thätigem Sinne auf die Wiederherstellung des israelitischen Reiches; ja eine<lb/> süddeutsche Secte von nicht geringer Bedeutung, die des deutschen Tempels,<lb/> tritt mit der ausgesprochenen Absicht auf, einen strengchristlichm, die Welt<lb/> reformirenden Musterstaat im „wichtigsten Lande der Erde zu gründen". Mag<lb/> man über die Tendenzen dieser und anderer in Palästina auftretender Seelen<lb/> urtheilen, wie man will, so muß man doch wünschen, daß die Einwanderung<lb/> deutscher Männer und Familien zunehme und die Ansiedelungen Bestand<lb/> haben. Denn einmal wenden sich dadurch tüchtige Kräfte der Cultur des Lan¬<lb/> des zu, zum andern kommen die durchaus nicht stumpfsinnigen Landeskinder<lb/> in heilsam anregende Berührung mit gutgesinnten Leuten, vor deren unschein¬<lb/> barem Auftreten die von Ungerechtigkeit lebenden Beamten sich doch zuweilen<lb/> scheuen müssen; und zuletzt mag die Meinung einigen Grund haben, daß<lb/> Palästina dem christlichen, also vorzugsweise dem deutschen Abendlande an¬<lb/> gehöre, auch wenn der lieblichste Dichter unserer Nation, Walther von der<lb/> Vogelweide, von unserm Rechte am heiligen Lande nicht gesungen, noch auch<lb/> der Herrlichste der Hohenstaufen sein Leben dafür gelassen hätte.</p><lb/> <p xml:id="ID_218" next="#ID_219"> So denken etwa die Eingebornen und Eingewanderten; begünstigt die<lb/> Landesregierung solche Ideen, hat sie ein Verständniß dafür, begreift sie die<lb/> Ursache des engen Anschlusses der Gemeinden an ihre Klöster und den Zweck<lb/> der Niederlassung seitens der Europäer? Selbstverständlich „nein". Und doch<lb/> ist die vielfach aufgestellte Behauptung, daß das Vorgefühl einer bald zu<lb/> Ende gehenden Herrschaft all' den Handlungen der frankenfeindlichen Beam¬<lb/> ten eigen sei, nicht aus der Luft gegriffen. Eine leichterkennbare systematische<lb/> Eifersucht ist es. welche den Einfluß der Consulate lahm zu legen sucht und<lb/> ein wachsames Auge auf das noch ziemlich versteckte, aber doch vorhandene<lb/> Streben der verschiedenen Nationen, die Oberhand zu gewinnen, richtet und den<lb/> unter allerlei Namen auftretenden Versuchen, festen Fuß zu fassen, entgegen<lb/> arbeitend sehr zähen Widerstand darbietet. Aber auch unpolitischen Unter¬<lb/> nehmungen, z. B. den Missionsschüler und Ackerbaucolonien, wird der oft<lb/> sehr nöthige Beistand höchst ungern und ohne Nachdruck gewährt. Vor 13</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0084]
zu lenken. Der eingebornen Protestanten sind zu wenige, als daß auf ihre
bezügliche Meinung ein Gewicht zu legen wäre; die eingewanderten Glieder
dieser Kirche aber sind diejenigen, welche am meisten und vor Andern sich
mit der Zukunft des Landes beschäftigen; ist doch gerade ihr Herkommen und
Hierbleiben Zeugniß und Ausdruck der in vielen Kreisen der Heimath wal¬
tenden, mehr oder minder berechtigten klaren Ideen von den für Palä¬
stina kommenden Zeiten. Die Einen suchen freilich nicht allein, sondern neben
(mit) den Katholiken die neue Zeit durch geistige Hebung des Volkes in
Schulen und Gemeinden anzubahnen; Andere versuchen ihren Antheil an dieser
Weltfrage durch Gründung von Colonien zu beweisen; wieder Andere hoffen
in thätigem Sinne auf die Wiederherstellung des israelitischen Reiches; ja eine
süddeutsche Secte von nicht geringer Bedeutung, die des deutschen Tempels,
tritt mit der ausgesprochenen Absicht auf, einen strengchristlichm, die Welt
reformirenden Musterstaat im „wichtigsten Lande der Erde zu gründen". Mag
man über die Tendenzen dieser und anderer in Palästina auftretender Seelen
urtheilen, wie man will, so muß man doch wünschen, daß die Einwanderung
deutscher Männer und Familien zunehme und die Ansiedelungen Bestand
haben. Denn einmal wenden sich dadurch tüchtige Kräfte der Cultur des Lan¬
des zu, zum andern kommen die durchaus nicht stumpfsinnigen Landeskinder
in heilsam anregende Berührung mit gutgesinnten Leuten, vor deren unschein¬
barem Auftreten die von Ungerechtigkeit lebenden Beamten sich doch zuweilen
scheuen müssen; und zuletzt mag die Meinung einigen Grund haben, daß
Palästina dem christlichen, also vorzugsweise dem deutschen Abendlande an¬
gehöre, auch wenn der lieblichste Dichter unserer Nation, Walther von der
Vogelweide, von unserm Rechte am heiligen Lande nicht gesungen, noch auch
der Herrlichste der Hohenstaufen sein Leben dafür gelassen hätte.
So denken etwa die Eingebornen und Eingewanderten; begünstigt die
Landesregierung solche Ideen, hat sie ein Verständniß dafür, begreift sie die
Ursache des engen Anschlusses der Gemeinden an ihre Klöster und den Zweck
der Niederlassung seitens der Europäer? Selbstverständlich „nein". Und doch
ist die vielfach aufgestellte Behauptung, daß das Vorgefühl einer bald zu
Ende gehenden Herrschaft all' den Handlungen der frankenfeindlichen Beam¬
ten eigen sei, nicht aus der Luft gegriffen. Eine leichterkennbare systematische
Eifersucht ist es. welche den Einfluß der Consulate lahm zu legen sucht und
ein wachsames Auge auf das noch ziemlich versteckte, aber doch vorhandene
Streben der verschiedenen Nationen, die Oberhand zu gewinnen, richtet und den
unter allerlei Namen auftretenden Versuchen, festen Fuß zu fassen, entgegen
arbeitend sehr zähen Widerstand darbietet. Aber auch unpolitischen Unter¬
nehmungen, z. B. den Missionsschüler und Ackerbaucolonien, wird der oft
sehr nöthige Beistand höchst ungern und ohne Nachdruck gewährt. Vor 13
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