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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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der Industrie. Die Amerikaner wollen sich nämlich nicht blos auf Agricul-
tur und den Betrieb der gewöhnlichen, überall unentbehrlichen Gewerbe be¬
schränken, sondern Industrie in ihrem ganzen Umfang treiben.

Sie haben auch, unterstützt durch eine Menge aus Europa eingewan¬
derter Arbeiter, es unternommen, beinahe alle die mannigfaltigen Artikel der
europäischen Industrie -- Spitzen, steck- und Nähnadeln fast allein ausge¬
nommen -- selbst zu erzeugen. Sie haben dabei in vielen Zweigen der Industrie
bedeutende Fortschritte gemacht, blieben aber doch in Bezug auf Qualität
und Preise weit hinter den fremden Producten zurück, sodaß der Import der
letztern immer größer wurde. Vom Jahr 1844--1860 erhob er sich:

von Doll. 108,435.035
auf " 362.163,941, also auf das Dreifache.

Und dieser Import muß immer höher steigen, weil eben die europäische
Arbeit viel billiger ist als die amerikanische, weil Eisen und Steinkohlen,
so reichlich sie auch im Schoße der Erde vorhanden sind, in Amerika viel
höher zu stehen kommen als in der alten Welt, die Steuern hier viel kleiner
sind als dort und endlich die Vorliebe für fremde Industrie-Erzeugnisse nicht
unterdrückt werden kann.

Die hohen Tarife, welche in den letzten Jahren zum Schutze der in¬
ländischen Industrie erlassen wurden, haben übrigens die amerikanische
Arbeit, die wir hier ins Auge fassen, nicht veredelt, wie leicht voraus¬
zusehen war, sondern verschlechtert, und das Loos der Arbeiter so wenig
verbessert, daß die Verkürzung der Arbeitszeit von 10 auf 8 Stunden erst
neuerdings und mühsam durchgesetzt wird -- eine Bewegung, die, wenn
sie nicht blos theilweise, wie bisher, sondern gänzlich durchdringt, den
Preis der inländischen Artikel abermals erhöhen muß.

Unter den hohen Tarifen leidet, wie-man allgemein einzusehen beginnt,
die ganze Nation zu Gunsten einiger Fabrikanten des Nordens.

Lange Zeit wird dieser Zustand nicht bestehen können und die Gegen¬
partei wird auch immer stärker und verlangt gemäßigte Schutzzölle.

Im weiten Westen, der sich immer großartiger entwickelt und keine
Manufacturen hat, im Süden, wo es noch fast gar keine Industrie, ja an
vielen Punkten nicht einmal die gewöhnlichen Gewerbe gibt, wird das be¬
stehende Zollsystem mit gerechtem Unwillen betrachtet.

Offenbar kann dieses Prohibitivsystem nicht lange anhalten und der
gegenwärtige Tarif wird ebenso fallen, wie in den letzten paar Jahren so
viele seiner Vorgänger fielen, nachdem sie nur eine ephemere Existenz hatten.

Bei Schätzung ihrer Manufacturerzeugnisse befinden sich die Amerikaner
in ganz seltsamen Irrthümern, indem sie beispielsweise Bauholz als Erzeug¬
nisse von Sägemühlen, oder das Einkommen von den Fischereien zu den Pro-


der Industrie. Die Amerikaner wollen sich nämlich nicht blos auf Agricul-
tur und den Betrieb der gewöhnlichen, überall unentbehrlichen Gewerbe be¬
schränken, sondern Industrie in ihrem ganzen Umfang treiben.

Sie haben auch, unterstützt durch eine Menge aus Europa eingewan¬
derter Arbeiter, es unternommen, beinahe alle die mannigfaltigen Artikel der
europäischen Industrie — Spitzen, steck- und Nähnadeln fast allein ausge¬
nommen — selbst zu erzeugen. Sie haben dabei in vielen Zweigen der Industrie
bedeutende Fortschritte gemacht, blieben aber doch in Bezug auf Qualität
und Preise weit hinter den fremden Producten zurück, sodaß der Import der
letztern immer größer wurde. Vom Jahr 1844—1860 erhob er sich:

von Doll. 108,435.035
auf „ 362.163,941, also auf das Dreifache.

Und dieser Import muß immer höher steigen, weil eben die europäische
Arbeit viel billiger ist als die amerikanische, weil Eisen und Steinkohlen,
so reichlich sie auch im Schoße der Erde vorhanden sind, in Amerika viel
höher zu stehen kommen als in der alten Welt, die Steuern hier viel kleiner
sind als dort und endlich die Vorliebe für fremde Industrie-Erzeugnisse nicht
unterdrückt werden kann.

Die hohen Tarife, welche in den letzten Jahren zum Schutze der in¬
ländischen Industrie erlassen wurden, haben übrigens die amerikanische
Arbeit, die wir hier ins Auge fassen, nicht veredelt, wie leicht voraus¬
zusehen war, sondern verschlechtert, und das Loos der Arbeiter so wenig
verbessert, daß die Verkürzung der Arbeitszeit von 10 auf 8 Stunden erst
neuerdings und mühsam durchgesetzt wird — eine Bewegung, die, wenn
sie nicht blos theilweise, wie bisher, sondern gänzlich durchdringt, den
Preis der inländischen Artikel abermals erhöhen muß.

Unter den hohen Tarifen leidet, wie-man allgemein einzusehen beginnt,
die ganze Nation zu Gunsten einiger Fabrikanten des Nordens.

Lange Zeit wird dieser Zustand nicht bestehen können und die Gegen¬
partei wird auch immer stärker und verlangt gemäßigte Schutzzölle.

Im weiten Westen, der sich immer großartiger entwickelt und keine
Manufacturen hat, im Süden, wo es noch fast gar keine Industrie, ja an
vielen Punkten nicht einmal die gewöhnlichen Gewerbe gibt, wird das be¬
stehende Zollsystem mit gerechtem Unwillen betrachtet.

Offenbar kann dieses Prohibitivsystem nicht lange anhalten und der
gegenwärtige Tarif wird ebenso fallen, wie in den letzten paar Jahren so
viele seiner Vorgänger fielen, nachdem sie nur eine ephemere Existenz hatten.

Bei Schätzung ihrer Manufacturerzeugnisse befinden sich die Amerikaner
in ganz seltsamen Irrthümern, indem sie beispielsweise Bauholz als Erzeug¬
nisse von Sägemühlen, oder das Einkommen von den Fischereien zu den Pro-


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[0073] der Industrie. Die Amerikaner wollen sich nämlich nicht blos auf Agricul- tur und den Betrieb der gewöhnlichen, überall unentbehrlichen Gewerbe be¬ schränken, sondern Industrie in ihrem ganzen Umfang treiben. Sie haben auch, unterstützt durch eine Menge aus Europa eingewan¬ derter Arbeiter, es unternommen, beinahe alle die mannigfaltigen Artikel der europäischen Industrie — Spitzen, steck- und Nähnadeln fast allein ausge¬ nommen — selbst zu erzeugen. Sie haben dabei in vielen Zweigen der Industrie bedeutende Fortschritte gemacht, blieben aber doch in Bezug auf Qualität und Preise weit hinter den fremden Producten zurück, sodaß der Import der letztern immer größer wurde. Vom Jahr 1844—1860 erhob er sich: von Doll. 108,435.035 auf „ 362.163,941, also auf das Dreifache. Und dieser Import muß immer höher steigen, weil eben die europäische Arbeit viel billiger ist als die amerikanische, weil Eisen und Steinkohlen, so reichlich sie auch im Schoße der Erde vorhanden sind, in Amerika viel höher zu stehen kommen als in der alten Welt, die Steuern hier viel kleiner sind als dort und endlich die Vorliebe für fremde Industrie-Erzeugnisse nicht unterdrückt werden kann. Die hohen Tarife, welche in den letzten Jahren zum Schutze der in¬ ländischen Industrie erlassen wurden, haben übrigens die amerikanische Arbeit, die wir hier ins Auge fassen, nicht veredelt, wie leicht voraus¬ zusehen war, sondern verschlechtert, und das Loos der Arbeiter so wenig verbessert, daß die Verkürzung der Arbeitszeit von 10 auf 8 Stunden erst neuerdings und mühsam durchgesetzt wird — eine Bewegung, die, wenn sie nicht blos theilweise, wie bisher, sondern gänzlich durchdringt, den Preis der inländischen Artikel abermals erhöhen muß. Unter den hohen Tarifen leidet, wie-man allgemein einzusehen beginnt, die ganze Nation zu Gunsten einiger Fabrikanten des Nordens. Lange Zeit wird dieser Zustand nicht bestehen können und die Gegen¬ partei wird auch immer stärker und verlangt gemäßigte Schutzzölle. Im weiten Westen, der sich immer großartiger entwickelt und keine Manufacturen hat, im Süden, wo es noch fast gar keine Industrie, ja an vielen Punkten nicht einmal die gewöhnlichen Gewerbe gibt, wird das be¬ stehende Zollsystem mit gerechtem Unwillen betrachtet. Offenbar kann dieses Prohibitivsystem nicht lange anhalten und der gegenwärtige Tarif wird ebenso fallen, wie in den letzten paar Jahren so viele seiner Vorgänger fielen, nachdem sie nur eine ephemere Existenz hatten. Bei Schätzung ihrer Manufacturerzeugnisse befinden sich die Amerikaner in ganz seltsamen Irrthümern, indem sie beispielsweise Bauholz als Erzeug¬ nisse von Sägemühlen, oder das Einkommen von den Fischereien zu den Pro-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/73>, abgerufen am 26.08.2024.