Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.die Standbilder, welche der Patriotismus des Gutsbesitzers Fall im vorigen Die kurze, dem Rundgang durch das Museum gewidmete Zeit ist unter¬ Aber das Theater ist zu eng, um die Schaaren zu fassen, auf welche die Standbilder, welche der Patriotismus des Gutsbesitzers Fall im vorigen Die kurze, dem Rundgang durch das Museum gewidmete Zeit ist unter¬ Aber das Theater ist zu eng, um die Schaaren zu fassen, auf welche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0057" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286769"/> <p xml:id="ID_113" prev="#ID_112"> die Standbilder, welche der Patriotismus des Gutsbesitzers Fall im vorigen<lb/> Jahre gestiftet hat, aus die mächtig bewegte Versammlung'herab: Ziska,<lb/> Huß, Georg Podiebraed, Ernst von Pardubitz. der erste Erzbischof Prags,<lb/> Libussa und Przemysl ragen vor den übrigen mächtig hervor, sie sind bereits<lb/> Bewohner jenes czechischen Pantheons, das sich in naher Zukunft zu einer<lb/> ganzen Welt erweitern soll.</p><lb/> <p xml:id="ID_114"> Die kurze, dem Rundgang durch das Museum gewidmete Zeit ist unter¬<lb/> dessen längst verstrichen: draußen harren ungeduldige Massen, die sich mit<lb/> dem esoterischen Theil der Feier nicht genügen lassen, denen ihr Antheil an<lb/> dem großen Tage reichlich und mit der Speise, nach der sie verlangen, zu¬<lb/> gemessen werden muß. Mit richtigem Tact vermeidet man das Volk für den<lb/> Jahrestag einer gelehrten Anstalt in Anspruch zu nehmen, dasselbe mit Aus¬<lb/> führungen über die Wichtigkeit eines Museums zu belästigen. Die Masse<lb/> ist am raschesten orientirt, wenn sie einen bekannten Namen hört, sie ist am<lb/> besten zu brauchen, wenn sie tumultuiren und demonstriren soll — sie hat<lb/> es nur mit Personen und Schlagworten zu thun, den gelehrten Kram, der<lb/> drum und dran hängt, überläßt sie willig den Fanatikern der Reflexion.<lb/> Für das xrotanum ont^us ist der 13. Juni der Vorabend von Palazkys<lb/> 70Stein Geburtstage, der mit einer Festvorstellung der Oper „Trovatore" be¬<lb/> gangen ward. Zwar ist die Musik nicht alt-ezechischen, sondern neu-italieni¬<lb/> schen Ursprungs — was ihr an nationalem Colorit abgeht, wird aber ohne<lb/> große Mühe durch Beschaffung eines czechischen Librettos ersetzt. Die Vor¬<lb/> stellung bietet nur zwei hervorragende Momente: den Beginn und den<lb/> Schluß — bei seinem Erscheinen, wie bei seinem Abgang wird Palazky mit<lb/> einem Blumenregen und mit donnerndem Slava begrüßt.</p><lb/> <p xml:id="ID_115" next="#ID_116"> Aber das Theater ist zu eng, um die Schaaren zu fassen, auf welche<lb/> heute gewirkt werden soll. Zum Aktschluß gehört ein zahlreicher Chor, nur<lb/> die Masse kann auf die Masse wirken. Kaum ist der Vorhang hinter dem<lb/> „Trovatore" gefallen, so strömt alles auf den Wenzelsplatz, um sich zu mäch¬<lb/> tigem Fackelzuge zu formiren. Zehntausend Fackeln verwandeln die Finster¬<lb/> niß der Nacht in blendende Tageshelle — die Zuschauer, welche den riesen¬<lb/> haften Zug in freudigem Gewimmel begleiten, hat Niewand gezählt. Als<lb/> Festordner fungiren die Vorsteher der Vereine und Gesellschaften, welche sich<lb/> zu dieser Feier verbunden haben, ihre Adjutanten sind die Glieder des Tur-<lb/> nerbundes „Sokol" („der Falke"), — kräftige junge Gestalten, die sich durch<lb/> das rothe nationale Hemd, die weiten in die Stiefel gesteckten Beinkleider,<lb/> die weiße schimmernde Kafaika (Oberrock) als echte Träger des nationalen<lb/> Gedankens bekunden. Auf dem Balkon des Gesellschaftshauses Bezeda steht<lb/> Palazky, den tausendstimmiger, von den Tönen einer Musikbande beglei¬<lb/> teter Jubelruf begrüßt. An dem Fenster eines benachbarten Gasthofs ist</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0057]
die Standbilder, welche der Patriotismus des Gutsbesitzers Fall im vorigen
Jahre gestiftet hat, aus die mächtig bewegte Versammlung'herab: Ziska,
Huß, Georg Podiebraed, Ernst von Pardubitz. der erste Erzbischof Prags,
Libussa und Przemysl ragen vor den übrigen mächtig hervor, sie sind bereits
Bewohner jenes czechischen Pantheons, das sich in naher Zukunft zu einer
ganzen Welt erweitern soll.
Die kurze, dem Rundgang durch das Museum gewidmete Zeit ist unter¬
dessen längst verstrichen: draußen harren ungeduldige Massen, die sich mit
dem esoterischen Theil der Feier nicht genügen lassen, denen ihr Antheil an
dem großen Tage reichlich und mit der Speise, nach der sie verlangen, zu¬
gemessen werden muß. Mit richtigem Tact vermeidet man das Volk für den
Jahrestag einer gelehrten Anstalt in Anspruch zu nehmen, dasselbe mit Aus¬
führungen über die Wichtigkeit eines Museums zu belästigen. Die Masse
ist am raschesten orientirt, wenn sie einen bekannten Namen hört, sie ist am
besten zu brauchen, wenn sie tumultuiren und demonstriren soll — sie hat
es nur mit Personen und Schlagworten zu thun, den gelehrten Kram, der
drum und dran hängt, überläßt sie willig den Fanatikern der Reflexion.
Für das xrotanum ont^us ist der 13. Juni der Vorabend von Palazkys
70Stein Geburtstage, der mit einer Festvorstellung der Oper „Trovatore" be¬
gangen ward. Zwar ist die Musik nicht alt-ezechischen, sondern neu-italieni¬
schen Ursprungs — was ihr an nationalem Colorit abgeht, wird aber ohne
große Mühe durch Beschaffung eines czechischen Librettos ersetzt. Die Vor¬
stellung bietet nur zwei hervorragende Momente: den Beginn und den
Schluß — bei seinem Erscheinen, wie bei seinem Abgang wird Palazky mit
einem Blumenregen und mit donnerndem Slava begrüßt.
Aber das Theater ist zu eng, um die Schaaren zu fassen, auf welche
heute gewirkt werden soll. Zum Aktschluß gehört ein zahlreicher Chor, nur
die Masse kann auf die Masse wirken. Kaum ist der Vorhang hinter dem
„Trovatore" gefallen, so strömt alles auf den Wenzelsplatz, um sich zu mäch¬
tigem Fackelzuge zu formiren. Zehntausend Fackeln verwandeln die Finster¬
niß der Nacht in blendende Tageshelle — die Zuschauer, welche den riesen¬
haften Zug in freudigem Gewimmel begleiten, hat Niewand gezählt. Als
Festordner fungiren die Vorsteher der Vereine und Gesellschaften, welche sich
zu dieser Feier verbunden haben, ihre Adjutanten sind die Glieder des Tur-
nerbundes „Sokol" („der Falke"), — kräftige junge Gestalten, die sich durch
das rothe nationale Hemd, die weiten in die Stiefel gesteckten Beinkleider,
die weiße schimmernde Kafaika (Oberrock) als echte Träger des nationalen
Gedankens bekunden. Auf dem Balkon des Gesellschaftshauses Bezeda steht
Palazky, den tausendstimmiger, von den Tönen einer Musikbande beglei¬
teter Jubelruf begrüßt. An dem Fenster eines benachbarten Gasthofs ist
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