Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.der König zauderte freilich zuerst etwas vor einer Ernennung, die so sehr der König zauderte freilich zuerst etwas vor einer Ernennung, die so sehr <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0494" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287206"/> <p xml:id="ID_1262" prev="#ID_1261" next="#ID_1263"> der König zauderte freilich zuerst etwas vor einer Ernennung, die so sehr<lb/> allen Traditionen des berliner Cabinets widersprach und präsentirte der<lb/> Königin die Kandidaten mit der Bitte, unter ihnen den zu wählen, welcher<lb/> ihr als preußischer Vertreter am angenehmsten sein werde, aber, die Königin<lb/> erbat sich sogleich und in bestimmter Weise Bunsen, den sie bereits hatte<lb/> kennen und schätzen lernen, und so durfte derselbe Ende 1841 sein Beglaubi¬<lb/> gungsschreiben übergeben. — Die zwölf Jahre, welche er in dieser Stel¬<lb/> lung verbrachte, fallen zusammen mit einem Höhepunkt der neuern englischen<lb/> Geschichte. Die Loyalität der Nation war neu belebt seit eine Monarchin<lb/> auf dem Thron saß, welche das langentbehrte Schauspiel eines fleckenlosen<lb/> Familienlebens gab und dabei mit kluger Zurückhaltung ihren Ministern die<lb/> Negierung überließ, wenngleich sie alles überwachte und da, wo es Noth<lb/> schien, mehrmals mit fester Hand eingriff; die Nation war in einem mäch¬<lb/> tigen Aufschwung begriffen, der riesig wachsende Verkehr drängte zu Refor¬<lb/> men und nacheinander fielen die Korngesetze, das Schutzzollsystem und die<lb/> Navigationsacte. Noch standen die altbewährten Staatsmänner an der Spitze,<lb/> Wellington, Peel. Russell, Palmerston, gefolgt von einer Schaar vielver¬<lb/> sprechender Schüler wie Gladstone, Cardwell, Herbert, Molesworth, Lewis<lb/> u. A. in.; noch pochte die Demokratie nicht an die Thore des festgesügten<lb/> Baues der englischen Gesellschaft, welche 1848 mit stolzer Ruhe dem Zu¬<lb/> sammenbrechen so mancher continentalen Throne zusah und 1851 mit der<lb/> ersten Weltausstellung vielleicht ihren größten Triumph feierte- Man kann<lb/> denken, mit welcher Befriedigung Bunsen sich der Theilnahme an einem poli¬<lb/> tischen Leben hingab, welches seinen Sympathien so sehr entsprach; sein Ver¬<lb/> hältniß zum Hofe ward bald ein vertrautes, er weilte künstig als Gast in<lb/> Windsor und Osborne und durfte sich mit voller Offenheit gegen die Königin<lb/> und Prinz Albert aussprechen. Dabei vermied er es mit richtigem Takt, diese<lb/> Beziehungen zu politischen Intriguen zu mißbrauchen, beobachtete vielmehr<lb/> bei allen eigenen Geschäften den regelmäßigen Weg der Verhandlung mit<lb/> den Ministern. Als z. B. 1847 der König ihm einen Brief an die Königin<lb/> in Betreff Neuenburgs übersandte, legte er denselben zuerst Lord Palmerston<lb/> vor, der den Einwand erhob, es sei ganz ungebräuchlich, daß ein fremder<lb/> Fürst an den Souverän von England über Politik schreibe. „Aber" erwiederte<lb/> Bunsen, „Sie rühmten doch neulich die Königin und Prinz Albert wegen ihres<lb/> trefflichen politischen Briefes an die Königin von Portugal?" — „Ja, aber<lb/> das war zwischen Verwandten." — „Und dies zwischen Freunden; Sie kennen<lb/> den Brief, ich will wenn ich ihn der Königin überreiche nur einige höfliche<lb/> Redensarten hinzufügen und werde dann am nächsten Tage in Ihrer Gegen¬<lb/> wart die Sache meines Königs Plaidiren in der Weise, in der die Königin<lb/> es wünscht. Sind Sie damit einverstanden?" — „Vollkommen" war die Ant-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0494]
der König zauderte freilich zuerst etwas vor einer Ernennung, die so sehr
allen Traditionen des berliner Cabinets widersprach und präsentirte der
Königin die Kandidaten mit der Bitte, unter ihnen den zu wählen, welcher
ihr als preußischer Vertreter am angenehmsten sein werde, aber, die Königin
erbat sich sogleich und in bestimmter Weise Bunsen, den sie bereits hatte
kennen und schätzen lernen, und so durfte derselbe Ende 1841 sein Beglaubi¬
gungsschreiben übergeben. — Die zwölf Jahre, welche er in dieser Stel¬
lung verbrachte, fallen zusammen mit einem Höhepunkt der neuern englischen
Geschichte. Die Loyalität der Nation war neu belebt seit eine Monarchin
auf dem Thron saß, welche das langentbehrte Schauspiel eines fleckenlosen
Familienlebens gab und dabei mit kluger Zurückhaltung ihren Ministern die
Negierung überließ, wenngleich sie alles überwachte und da, wo es Noth
schien, mehrmals mit fester Hand eingriff; die Nation war in einem mäch¬
tigen Aufschwung begriffen, der riesig wachsende Verkehr drängte zu Refor¬
men und nacheinander fielen die Korngesetze, das Schutzzollsystem und die
Navigationsacte. Noch standen die altbewährten Staatsmänner an der Spitze,
Wellington, Peel. Russell, Palmerston, gefolgt von einer Schaar vielver¬
sprechender Schüler wie Gladstone, Cardwell, Herbert, Molesworth, Lewis
u. A. in.; noch pochte die Demokratie nicht an die Thore des festgesügten
Baues der englischen Gesellschaft, welche 1848 mit stolzer Ruhe dem Zu¬
sammenbrechen so mancher continentalen Throne zusah und 1851 mit der
ersten Weltausstellung vielleicht ihren größten Triumph feierte- Man kann
denken, mit welcher Befriedigung Bunsen sich der Theilnahme an einem poli¬
tischen Leben hingab, welches seinen Sympathien so sehr entsprach; sein Ver¬
hältniß zum Hofe ward bald ein vertrautes, er weilte künstig als Gast in
Windsor und Osborne und durfte sich mit voller Offenheit gegen die Königin
und Prinz Albert aussprechen. Dabei vermied er es mit richtigem Takt, diese
Beziehungen zu politischen Intriguen zu mißbrauchen, beobachtete vielmehr
bei allen eigenen Geschäften den regelmäßigen Weg der Verhandlung mit
den Ministern. Als z. B. 1847 der König ihm einen Brief an die Königin
in Betreff Neuenburgs übersandte, legte er denselben zuerst Lord Palmerston
vor, der den Einwand erhob, es sei ganz ungebräuchlich, daß ein fremder
Fürst an den Souverän von England über Politik schreibe. „Aber" erwiederte
Bunsen, „Sie rühmten doch neulich die Königin und Prinz Albert wegen ihres
trefflichen politischen Briefes an die Königin von Portugal?" — „Ja, aber
das war zwischen Verwandten." — „Und dies zwischen Freunden; Sie kennen
den Brief, ich will wenn ich ihn der Königin überreiche nur einige höfliche
Redensarten hinzufügen und werde dann am nächsten Tage in Ihrer Gegen¬
wart die Sache meines Königs Plaidiren in der Weise, in der die Königin
es wünscht. Sind Sie damit einverstanden?" — „Vollkommen" war die Ant-
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