Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.haben, welchen Eindruck das Erscheinen der ersten Nummern der Lantcone haben, welchen Eindruck das Erscheinen der ersten Nummern der Lantcone <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0049" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286761"/> <p xml:id="ID_101" prev="#ID_100" next="#ID_102"> haben, welchen Eindruck das Erscheinen der ersten Nummern der Lantcone<lb/> von Rochefort machte! Ueberall tauchen neue Journale auf und fast alle<lb/> sind von der Opposition gegründet, um auf die kommenden Wahlen zu<lb/> wirken, die kleine Phalanx der vereinigten Liberalen im Palais Bourbon ist<lb/> sehr zuversichtlich gestimmt und hofft ihre Zahl auf 100 zu bringen, was<lb/> eine sehr stattliche Minorität wäre, zumal wenn man bedenkt, welchen Ein¬<lb/> fluß schon die Wenigen geübt. Die große Frage ist jetzt: werden die Wahlen<lb/> in diesem Herbst stattfinden oder erst im nächsten, wo das Mandat der gegen¬<lb/> wärtigen Versammlung abläuft? Die Minister sind für baldige Auflösung,<lb/> weil sie wahrscheinlich mit Recht glauben, daß die Chancen im nächsten<lb/> Jahre nicht besser, sondern ungünstiger sein werden, der Kaiser schwankt<lb/> noch, aber scheint für die Vertagung, woraus man schließen könnte, daß er<lb/> auf einer Coup sinnt, welcher seine Stellung verbessern würde. Sie werden<lb/> von dem Project der sogenannten union 6^RA8ti<zuo gehört haben, wonach<lb/> die Regierung alle die Candidaten acceptiren sollte, welche sich verpflichteten,<lb/> die gegenwärtige Dynastie zu erhalten. Der Minister des Innern Pinard,<lb/> und die Kaiserin waren hiefür gewonnen, aber der Scharfblick Rouhers und<lb/> seiner rechten Hand, des Direktors im Ministerium des Innern Se. Paul<lb/> durchschauten, wie wenig mit einem solchen vagen Glaubensbekenntniß ge¬<lb/> wonnen, auch I. Favre und Glais Bizoin haben den Eid auf die Ver¬<lb/> fassung geleistet und wer glaubt wohl, daß sie den Kaiser halten würden?<lb/> Rouher sprach sich im Ministerrath bestimmt gegen das Projekt aus und<lb/> Se. Paul verlangte für den Fall der Annahme seine Entlassung; der Kaiser<lb/> entschied sich dagegen und die Sache hat nun Pinards Stellung so erschüt¬<lb/> tert, daß er die Wahlen schwerlich noch leiten wird. — Die gesammte<lb/> liberale Partei ist für Auflösung, um mit verstärkten Kräften dem gegen¬<lb/> wärtigen Regiment zu Leibe zu gehen und eben darum gegen Krieg;<lb/> sie weiß, daß ein glücklicher Feldzug den Absolutismus auf Jahre hinaus<lb/> befestigen würde, und die Folgen eineH unglücklichen wünscht sie begreiflicher¬<lb/> weise Frankreich zu ersparen, umsomehr, als es sehr zweifelhaft wäre, ob<lb/> der Sturz des Kaisers dem Liberalismus zu gute käme, es wäre vielmehr<lb/> weit wahrscheinlicher, daß wir vorerst eine neue Auflage der socialen Repub¬<lb/> lik erlebten. Beiläufig möchte ich übrigens warnen, in Deutschland nicht zu<lb/> großes Vertrauen aus die Freundschaft der französischen Liberalen zu setzen,<lb/> und nicht nach den Reden von Garnier Pages und E. Ollivier zu urtheilen,<lb/> die große Menge theilt vielmehr Thiers' Ansichten und ich bin sehr zweifel¬<lb/> haft, ob eine republikanische oder orleanistische Regierung sich zu dem wer¬<lb/> denden Deutschland freundlicher verhalten würde als Napoleon. Man wird<lb/> gut thun, sich der Unterredungen des Generals Lamoriciere mit dem Kaiser<lb/> Nicolaus von 1848 über die deutsche Einheit zu erinnern, und der Graf von</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0049]
haben, welchen Eindruck das Erscheinen der ersten Nummern der Lantcone
von Rochefort machte! Ueberall tauchen neue Journale auf und fast alle
sind von der Opposition gegründet, um auf die kommenden Wahlen zu
wirken, die kleine Phalanx der vereinigten Liberalen im Palais Bourbon ist
sehr zuversichtlich gestimmt und hofft ihre Zahl auf 100 zu bringen, was
eine sehr stattliche Minorität wäre, zumal wenn man bedenkt, welchen Ein¬
fluß schon die Wenigen geübt. Die große Frage ist jetzt: werden die Wahlen
in diesem Herbst stattfinden oder erst im nächsten, wo das Mandat der gegen¬
wärtigen Versammlung abläuft? Die Minister sind für baldige Auflösung,
weil sie wahrscheinlich mit Recht glauben, daß die Chancen im nächsten
Jahre nicht besser, sondern ungünstiger sein werden, der Kaiser schwankt
noch, aber scheint für die Vertagung, woraus man schließen könnte, daß er
auf einer Coup sinnt, welcher seine Stellung verbessern würde. Sie werden
von dem Project der sogenannten union 6^RA8ti<zuo gehört haben, wonach
die Regierung alle die Candidaten acceptiren sollte, welche sich verpflichteten,
die gegenwärtige Dynastie zu erhalten. Der Minister des Innern Pinard,
und die Kaiserin waren hiefür gewonnen, aber der Scharfblick Rouhers und
seiner rechten Hand, des Direktors im Ministerium des Innern Se. Paul
durchschauten, wie wenig mit einem solchen vagen Glaubensbekenntniß ge¬
wonnen, auch I. Favre und Glais Bizoin haben den Eid auf die Ver¬
fassung geleistet und wer glaubt wohl, daß sie den Kaiser halten würden?
Rouher sprach sich im Ministerrath bestimmt gegen das Projekt aus und
Se. Paul verlangte für den Fall der Annahme seine Entlassung; der Kaiser
entschied sich dagegen und die Sache hat nun Pinards Stellung so erschüt¬
tert, daß er die Wahlen schwerlich noch leiten wird. — Die gesammte
liberale Partei ist für Auflösung, um mit verstärkten Kräften dem gegen¬
wärtigen Regiment zu Leibe zu gehen und eben darum gegen Krieg;
sie weiß, daß ein glücklicher Feldzug den Absolutismus auf Jahre hinaus
befestigen würde, und die Folgen eineH unglücklichen wünscht sie begreiflicher¬
weise Frankreich zu ersparen, umsomehr, als es sehr zweifelhaft wäre, ob
der Sturz des Kaisers dem Liberalismus zu gute käme, es wäre vielmehr
weit wahrscheinlicher, daß wir vorerst eine neue Auflage der socialen Repub¬
lik erlebten. Beiläufig möchte ich übrigens warnen, in Deutschland nicht zu
großes Vertrauen aus die Freundschaft der französischen Liberalen zu setzen,
und nicht nach den Reden von Garnier Pages und E. Ollivier zu urtheilen,
die große Menge theilt vielmehr Thiers' Ansichten und ich bin sehr zweifel¬
haft, ob eine republikanische oder orleanistische Regierung sich zu dem wer¬
denden Deutschland freundlicher verhalten würde als Napoleon. Man wird
gut thun, sich der Unterredungen des Generals Lamoriciere mit dem Kaiser
Nicolaus von 1848 über die deutsche Einheit zu erinnern, und der Graf von
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