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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Paris würde als König der Franzosen schwerlich seinen wohlwollenden
Gesinnungen für Deutschland folgen können; sein Brief wird scharf als
Köimeoup trop tlllömsnä getadelt. Doch das sind spätere Sorgen, für jetzt hängt
noch alles vom Kaiser ab und die Unzufriedenheit ist groß. Im allgemeinen
herrscht der Wunsch, den Krieg zu vermeiden, aber die Regierung beherrscht
die Situation doch noch vollkommen und sie kann in jedem Augenblick das
Land in Krieg stürzen, sie würde die benöthigten Millionen finden und alles
würde ihr folgen -- so lange sie glücklich wäre. So sehe ich die hiesige
Lage an.




Kunstblätter.
Joseph Ritter von Führich: "Der bethlehemitische Weg". Zwölf Zeichnungen
mit Titelblatt in Holz geschnitten von A. Gader.
"Er ist auferstanden", fünfzehn Zeichnungen in Holzschnitten Von A. Gader und
K. Oertel. Leipzig, Verlag von Alphons Dürr.

So unerfreulich es ist, den Maler Führich um Rittersporn auf literarischem
Gebiete werben zu sehen -- wie es leider kürzlich wieder der Fall war -- um
so lieber begrüßen wir ihn, wenn er das zweischneidige Schwert des katholischen
Eiferers bei Seite legt und den einfachen Griffel zur Hand nimmt. Freilich hat
er die in obigen Cyklen behandelten Stoffe mit mancher ungenießbaren Zuthat an
Symbolik und Dogmatik behängt, aber seine ungewöhnliche Gestaltungskraft bewährt
sich nichtsdestoweniger in der Mehrzahl diese-r Blätter auss trefflichste. Könnte sich
der hochbegabte Mann entschließen, nur Künstler zu sein, er würde mit seinen
Leistungen im weitesten Umfang wirken, während sie in der That wenigstens bei
uns auf einen ungebührlich engen Kreis beschränkt sind. Wo die kirchliche Absicht¬
lichkeit zurücktritt -- und allenthalben verräth sich schöner Sinn des ästhetischen
Weltkindes -- ist ihm eine einfache Hoheit der Charakteristik, eine Gewalt des
Stiles in der Komposition eigen, 'die heute sehr vereinzelt dasteht. Die 6 ersten
Blätter des heest. Wegs, die schon früher bekannt waren, gehören zu den an¬
muthigsten und edelsten Darstellungen der modernen Bibelmalerei und Bilder wie
die Scenen in Emaus und besonders der" Hauptmann am Grabe Christi im zweiten
Cyklus offenbaren bei echt malerischer Wirkung den weihevollen Zauber der Legen¬
denpoesie in einer Schönheit, die deutlich zeigt, wo die wahre Stärke des Künst¬
lers liegt. Die Zeichnung ist durchweg von der gewissenhaften Sauberkeit und
zarten Empfindung sür das Detail, welche in dieser Verbindung mit Größe der
Composition den Meister bekundet. Die feinere Individualisirung, namentlich der
Christusgestalt, wird überhaupt nur protestantischer Empfindungskraft gelingen. --
Die Holzschnitte geben im Vergleich mit der modischen Verflachung der Xylographie
treffliche Beispiele, wie diese zum Aschenbrödel der Kunst gewordene Technik zu hand¬
haben ist und man muß dem Verleger Dank zollen für den mit diesem Werke glücklich
unternommenen Beweis, daß es zur Wiedereinsetzung in ihre ursprüngliche Würde
noch nicht zu spät ist. --




Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt.
Verlag von F. L. Herbig. -- Druck von Hüthel 6 Segler in Leipzig.

Paris würde als König der Franzosen schwerlich seinen wohlwollenden
Gesinnungen für Deutschland folgen können; sein Brief wird scharf als
Köimeoup trop tlllömsnä getadelt. Doch das sind spätere Sorgen, für jetzt hängt
noch alles vom Kaiser ab und die Unzufriedenheit ist groß. Im allgemeinen
herrscht der Wunsch, den Krieg zu vermeiden, aber die Regierung beherrscht
die Situation doch noch vollkommen und sie kann in jedem Augenblick das
Land in Krieg stürzen, sie würde die benöthigten Millionen finden und alles
würde ihr folgen — so lange sie glücklich wäre. So sehe ich die hiesige
Lage an.




Kunstblätter.
Joseph Ritter von Führich: „Der bethlehemitische Weg". Zwölf Zeichnungen
mit Titelblatt in Holz geschnitten von A. Gader.
„Er ist auferstanden", fünfzehn Zeichnungen in Holzschnitten Von A. Gader und
K. Oertel. Leipzig, Verlag von Alphons Dürr.

So unerfreulich es ist, den Maler Führich um Rittersporn auf literarischem
Gebiete werben zu sehen — wie es leider kürzlich wieder der Fall war — um
so lieber begrüßen wir ihn, wenn er das zweischneidige Schwert des katholischen
Eiferers bei Seite legt und den einfachen Griffel zur Hand nimmt. Freilich hat
er die in obigen Cyklen behandelten Stoffe mit mancher ungenießbaren Zuthat an
Symbolik und Dogmatik behängt, aber seine ungewöhnliche Gestaltungskraft bewährt
sich nichtsdestoweniger in der Mehrzahl diese-r Blätter auss trefflichste. Könnte sich
der hochbegabte Mann entschließen, nur Künstler zu sein, er würde mit seinen
Leistungen im weitesten Umfang wirken, während sie in der That wenigstens bei
uns auf einen ungebührlich engen Kreis beschränkt sind. Wo die kirchliche Absicht¬
lichkeit zurücktritt — und allenthalben verräth sich schöner Sinn des ästhetischen
Weltkindes — ist ihm eine einfache Hoheit der Charakteristik, eine Gewalt des
Stiles in der Komposition eigen, 'die heute sehr vereinzelt dasteht. Die 6 ersten
Blätter des heest. Wegs, die schon früher bekannt waren, gehören zu den an¬
muthigsten und edelsten Darstellungen der modernen Bibelmalerei und Bilder wie
die Scenen in Emaus und besonders der» Hauptmann am Grabe Christi im zweiten
Cyklus offenbaren bei echt malerischer Wirkung den weihevollen Zauber der Legen¬
denpoesie in einer Schönheit, die deutlich zeigt, wo die wahre Stärke des Künst¬
lers liegt. Die Zeichnung ist durchweg von der gewissenhaften Sauberkeit und
zarten Empfindung sür das Detail, welche in dieser Verbindung mit Größe der
Composition den Meister bekundet. Die feinere Individualisirung, namentlich der
Christusgestalt, wird überhaupt nur protestantischer Empfindungskraft gelingen. —
Die Holzschnitte geben im Vergleich mit der modischen Verflachung der Xylographie
treffliche Beispiele, wie diese zum Aschenbrödel der Kunst gewordene Technik zu hand¬
haben ist und man muß dem Verleger Dank zollen für den mit diesem Werke glücklich
unternommenen Beweis, daß es zur Wiedereinsetzung in ihre ursprüngliche Würde
noch nicht zu spät ist. —




Verantwortliche Redacteure: Gustav Freytag u. Julius Eckardt.
Verlag von F. L. Herbig. — Druck von Hüthel 6 Segler in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/50>, abgerufen am 30.06.2024.