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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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sieben Kirchspiele untergingen, und nicht minder furchtbare Ueberfluthungen, die
im 16. Jahrhundert (namentlich 1528) noch weiter in das Festland ein¬
brachen und dasselbe dauernd überschwemmten, vollendeten die Erweiterung
M jenem großen Wasserbecken, das heut unserer Kriegsmarine so trefflich zu
statten kommt, da es in der Mitte einen tiefen Strom enthält, wenn auch
ein Theil des Bassins während der Ebbe trocken liegt. Allerdings ist seit
jener Zeit eine Eigenthümlichkeit schon wieder verschwunden, die (durch
Schleusen geregelt) für unsere Kriegsmarine den Werth des Beckens noch
bedeutend steigern würde, wir meinen die directe Binnen-Wasserverbindung
Mit der Weser. Damals, im 16. Jahrhundert, führte aus der Unterweser
der Lockfleet und die Lieue nach dem Jahdebusen, sodaß der letztere gleichsam
einen westlichen Mündungsarm der Weser bildete, welcher sich beim Ausfluß
'n die Nordsee nochmals in zwei Arme theilte, den heutigen Jcchdeaus-
siuß und die noch weiter westlich mündende Made: letztere floß aus der
jetzigen Nordwestecke des herzförmigen Jahdebusens bei dem Rustringer Siel
gerade nach Norden und mündete bei dem jetzigen Marien-Siel in die Nord¬
see, sodaß sie das Rustringer Land, das Westufer des eigentlichen Jahdeaus-
.siusses, d. h. das Terrain, auf welchem das preußische Kriegshafen-Etablisse-
Ment liegt, völlig zu einer Insel machte -- ein Zustand, der erst durch die
Coupirung der Made sein Ende gefunden hat. Dadurch ward nun einerseits
der eigentliche Jahdeaussluß stärker, er spülte vom Rustringer Land ein
ganzes Stück ab und gewann so an Breite und Tiefe, wobei das tiefste Fahr¬
wasser glücklicherweise hart an das Rustringer Land gerückt wurde: das
Bassin der Jahde aber ward durch eben jene Coupirung der Made zu
einem ruhigen Becken gestaltet, das gegenwärtig bei gewöhnlicher Fluthhöhe
einen Flächenraum von 3,""" Quadratmeilen bedeckt und durch 16--18 Fuß
über die Fluthhöhe emporragende Deiche ringsum abgeschlossen ist. Eine
derartige Sicherung vor Abspülungen ist nicht blos nöthig, um das Cul¬
turland vor Verlusten zu bewahren, sondern ebenso, um die Tiefe
des Fahrwassers im Ausfluß des Jahdebusens d. h. also auf der Rhede des
Kriegshafens zu erhalten. Denn je mehr Theile von dem Kleiboden (fettem
Thonboden) der oberen Schicht des Marschlandes durch den Wellenschlag
losgelöst werden, desto mehr von diesen Theilen setzt sich als Schlick (brei-
brtige hellgraue Masse) auf dem ganzen Wege vom Innern des Jahde¬
busens bis in die Nordsee als Niederschlag aus dem Grunde ab und ver¬
hindert allmählich die tiefer gehenden Schiffe am Einlaufen. Hiergegen sucht
Man sich nun außer durch Baggern noch in zweifacher Weise zu wahren.
Erstens gibt man durch Uferbauten dem im Busen selbst losgelösten Schlick
Gelegenheit, sich an den Ecken der Ränder festzusetzen, bis der Ansatz eine
solche Höhe erreicht hat, daß er über den Wasserspiegel der Ebbe hervorragt


Grenzboten III. 1868. 57

sieben Kirchspiele untergingen, und nicht minder furchtbare Ueberfluthungen, die
im 16. Jahrhundert (namentlich 1528) noch weiter in das Festland ein¬
brachen und dasselbe dauernd überschwemmten, vollendeten die Erweiterung
M jenem großen Wasserbecken, das heut unserer Kriegsmarine so trefflich zu
statten kommt, da es in der Mitte einen tiefen Strom enthält, wenn auch
ein Theil des Bassins während der Ebbe trocken liegt. Allerdings ist seit
jener Zeit eine Eigenthümlichkeit schon wieder verschwunden, die (durch
Schleusen geregelt) für unsere Kriegsmarine den Werth des Beckens noch
bedeutend steigern würde, wir meinen die directe Binnen-Wasserverbindung
Mit der Weser. Damals, im 16. Jahrhundert, führte aus der Unterweser
der Lockfleet und die Lieue nach dem Jahdebusen, sodaß der letztere gleichsam
einen westlichen Mündungsarm der Weser bildete, welcher sich beim Ausfluß
'n die Nordsee nochmals in zwei Arme theilte, den heutigen Jcchdeaus-
siuß und die noch weiter westlich mündende Made: letztere floß aus der
jetzigen Nordwestecke des herzförmigen Jahdebusens bei dem Rustringer Siel
gerade nach Norden und mündete bei dem jetzigen Marien-Siel in die Nord¬
see, sodaß sie das Rustringer Land, das Westufer des eigentlichen Jahdeaus-
.siusses, d. h. das Terrain, auf welchem das preußische Kriegshafen-Etablisse-
Ment liegt, völlig zu einer Insel machte — ein Zustand, der erst durch die
Coupirung der Made sein Ende gefunden hat. Dadurch ward nun einerseits
der eigentliche Jahdeaussluß stärker, er spülte vom Rustringer Land ein
ganzes Stück ab und gewann so an Breite und Tiefe, wobei das tiefste Fahr¬
wasser glücklicherweise hart an das Rustringer Land gerückt wurde: das
Bassin der Jahde aber ward durch eben jene Coupirung der Made zu
einem ruhigen Becken gestaltet, das gegenwärtig bei gewöhnlicher Fluthhöhe
einen Flächenraum von 3,»»» Quadratmeilen bedeckt und durch 16—18 Fuß
über die Fluthhöhe emporragende Deiche ringsum abgeschlossen ist. Eine
derartige Sicherung vor Abspülungen ist nicht blos nöthig, um das Cul¬
turland vor Verlusten zu bewahren, sondern ebenso, um die Tiefe
des Fahrwassers im Ausfluß des Jahdebusens d. h. also auf der Rhede des
Kriegshafens zu erhalten. Denn je mehr Theile von dem Kleiboden (fettem
Thonboden) der oberen Schicht des Marschlandes durch den Wellenschlag
losgelöst werden, desto mehr von diesen Theilen setzt sich als Schlick (brei-
brtige hellgraue Masse) auf dem ganzen Wege vom Innern des Jahde¬
busens bis in die Nordsee als Niederschlag aus dem Grunde ab und ver¬
hindert allmählich die tiefer gehenden Schiffe am Einlaufen. Hiergegen sucht
Man sich nun außer durch Baggern noch in zweifacher Weise zu wahren.
Erstens gibt man durch Uferbauten dem im Busen selbst losgelösten Schlick
Gelegenheit, sich an den Ecken der Ränder festzusetzen, bis der Ansatz eine
solche Höhe erreicht hat, daß er über den Wasserspiegel der Ebbe hervorragt


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[0481] sieben Kirchspiele untergingen, und nicht minder furchtbare Ueberfluthungen, die im 16. Jahrhundert (namentlich 1528) noch weiter in das Festland ein¬ brachen und dasselbe dauernd überschwemmten, vollendeten die Erweiterung M jenem großen Wasserbecken, das heut unserer Kriegsmarine so trefflich zu statten kommt, da es in der Mitte einen tiefen Strom enthält, wenn auch ein Theil des Bassins während der Ebbe trocken liegt. Allerdings ist seit jener Zeit eine Eigenthümlichkeit schon wieder verschwunden, die (durch Schleusen geregelt) für unsere Kriegsmarine den Werth des Beckens noch bedeutend steigern würde, wir meinen die directe Binnen-Wasserverbindung Mit der Weser. Damals, im 16. Jahrhundert, führte aus der Unterweser der Lockfleet und die Lieue nach dem Jahdebusen, sodaß der letztere gleichsam einen westlichen Mündungsarm der Weser bildete, welcher sich beim Ausfluß 'n die Nordsee nochmals in zwei Arme theilte, den heutigen Jcchdeaus- siuß und die noch weiter westlich mündende Made: letztere floß aus der jetzigen Nordwestecke des herzförmigen Jahdebusens bei dem Rustringer Siel gerade nach Norden und mündete bei dem jetzigen Marien-Siel in die Nord¬ see, sodaß sie das Rustringer Land, das Westufer des eigentlichen Jahdeaus- .siusses, d. h. das Terrain, auf welchem das preußische Kriegshafen-Etablisse- Ment liegt, völlig zu einer Insel machte — ein Zustand, der erst durch die Coupirung der Made sein Ende gefunden hat. Dadurch ward nun einerseits der eigentliche Jahdeaussluß stärker, er spülte vom Rustringer Land ein ganzes Stück ab und gewann so an Breite und Tiefe, wobei das tiefste Fahr¬ wasser glücklicherweise hart an das Rustringer Land gerückt wurde: das Bassin der Jahde aber ward durch eben jene Coupirung der Made zu einem ruhigen Becken gestaltet, das gegenwärtig bei gewöhnlicher Fluthhöhe einen Flächenraum von 3,»»» Quadratmeilen bedeckt und durch 16—18 Fuß über die Fluthhöhe emporragende Deiche ringsum abgeschlossen ist. Eine derartige Sicherung vor Abspülungen ist nicht blos nöthig, um das Cul¬ turland vor Verlusten zu bewahren, sondern ebenso, um die Tiefe des Fahrwassers im Ausfluß des Jahdebusens d. h. also auf der Rhede des Kriegshafens zu erhalten. Denn je mehr Theile von dem Kleiboden (fettem Thonboden) der oberen Schicht des Marschlandes durch den Wellenschlag losgelöst werden, desto mehr von diesen Theilen setzt sich als Schlick (brei- brtige hellgraue Masse) auf dem ganzen Wege vom Innern des Jahde¬ busens bis in die Nordsee als Niederschlag aus dem Grunde ab und ver¬ hindert allmählich die tiefer gehenden Schiffe am Einlaufen. Hiergegen sucht Man sich nun außer durch Baggern noch in zweifacher Weise zu wahren. Erstens gibt man durch Uferbauten dem im Busen selbst losgelösten Schlick Gelegenheit, sich an den Ecken der Ränder festzusetzen, bis der Ansatz eine solche Höhe erreicht hat, daß er über den Wasserspiegel der Ebbe hervorragt Grenzboten III. 1868. 57

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/481>, abgerufen am 04.07.2024.