Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Ouvertüre bildet ein Orchestervorspiel/ das, wie eine freie Phantasie
gestaltet, nichts mit den älteren Formen gleicher Gattung gemeinsam hat.
Sie ist aus den typischen Motiven zusammenstellt, welche das Auftreten der
Hauptpersonen in der Negel begleiten. Es hat in so fern nichts charak¬
teristisches, als es bei seinem Jnstrumentenlärm das leichte Spiel des Humors,
wie es eine Lustspielouvertüre haben sollte, nicht aufkommen läßt, sondern
ebenso gut jedem Trauerspiele vorausgehen könnte. Ein bizarrer, unschöner
Mittelsalz vermag für den verfehlten Charakter des Stückes nicht zu entschä¬
digen. Das Vorspiel leitet zu dem ersten Chöre hinüber, der beim Auf¬
ziehen des Vorhangs vor der in der Katharinenkirche zahlreich versammelten
Gemeinde ertönt. Dieser Gesang in der Weise eines Chorals ist würdig
und einfach, aber er wird durch Zwischenspiele des Orchesters unterbrochen, die
ihm heterogen sind.

Walther, an eine Säule gelehnt heftet mit stummem Gebärdenspiel die
Blicke auf die sich wiederholt zu ihm umkehrende Eva. Der Chor singt mit
Orgelbegleitung, das Orchester sucht das Gebärdenspiel musikalisch zu ver¬
sinnlichen. Folgen wir den Angaben des Clavierauszugs:


Chor: zu dir der Heiland kam"

(Walther drückt durch eine Gebärde eine schmachtende Frage an Eva aus.)


"Willig seine Taufe nahm",

(Eva's Blick und Gebärde sucht zu antworten, doch beschämt schlägt sie die
Augen wieder nieder.)


"Weiske sich dem Opfertod,"

(Sehr ausdrucksvoll.)

(Walther zärtlich, dann dringender.)


"Gab er uns des Heils Gebot:"

(Eva Waldherr abweisend, aber schnell wieder seelenvoll zu ihm auf¬
blickend.)'''


"Daß wir durch dein Taus uns weihn,
Seines Opfers werth zu sein."

(Walther entzückt, höchste Betheuerungen und Hoffnungen. Eva selig lächelnd,
dann beschämt die Augen senkend.)


"Edler Täufer,
Christ's Vorläufer!
Nimm uns freundlich an,
Dort am Fluß Jordan."

(Walther dringend -- aber schnell sich unterbrechend. Er nimmt die drin¬
gende Gebärde wieder auf, mildert sie aber sogleich wieder, um dadurch sanft
um eine Unterredung zu bitten u. s. f.)


Die Ouvertüre bildet ein Orchestervorspiel/ das, wie eine freie Phantasie
gestaltet, nichts mit den älteren Formen gleicher Gattung gemeinsam hat.
Sie ist aus den typischen Motiven zusammenstellt, welche das Auftreten der
Hauptpersonen in der Negel begleiten. Es hat in so fern nichts charak¬
teristisches, als es bei seinem Jnstrumentenlärm das leichte Spiel des Humors,
wie es eine Lustspielouvertüre haben sollte, nicht aufkommen läßt, sondern
ebenso gut jedem Trauerspiele vorausgehen könnte. Ein bizarrer, unschöner
Mittelsalz vermag für den verfehlten Charakter des Stückes nicht zu entschä¬
digen. Das Vorspiel leitet zu dem ersten Chöre hinüber, der beim Auf¬
ziehen des Vorhangs vor der in der Katharinenkirche zahlreich versammelten
Gemeinde ertönt. Dieser Gesang in der Weise eines Chorals ist würdig
und einfach, aber er wird durch Zwischenspiele des Orchesters unterbrochen, die
ihm heterogen sind.

Walther, an eine Säule gelehnt heftet mit stummem Gebärdenspiel die
Blicke auf die sich wiederholt zu ihm umkehrende Eva. Der Chor singt mit
Orgelbegleitung, das Orchester sucht das Gebärdenspiel musikalisch zu ver¬
sinnlichen. Folgen wir den Angaben des Clavierauszugs:


Chor: zu dir der Heiland kam"

(Walther drückt durch eine Gebärde eine schmachtende Frage an Eva aus.)


„Willig seine Taufe nahm",

(Eva's Blick und Gebärde sucht zu antworten, doch beschämt schlägt sie die
Augen wieder nieder.)


„Weiske sich dem Opfertod,"

(Sehr ausdrucksvoll.)

(Walther zärtlich, dann dringender.)


„Gab er uns des Heils Gebot:"

(Eva Waldherr abweisend, aber schnell wieder seelenvoll zu ihm auf¬
blickend.)'''


„Daß wir durch dein Taus uns weihn,
Seines Opfers werth zu sein."

(Walther entzückt, höchste Betheuerungen und Hoffnungen. Eva selig lächelnd,
dann beschämt die Augen senkend.)


„Edler Täufer,
Christ's Vorläufer!
Nimm uns freundlich an,
Dort am Fluß Jordan."

(Walther dringend — aber schnell sich unterbrechend. Er nimmt die drin¬
gende Gebärde wieder auf, mildert sie aber sogleich wieder, um dadurch sanft
um eine Unterredung zu bitten u. s. f.)


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0042" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286754"/>
            <p xml:id="ID_77"> Die Ouvertüre bildet ein Orchestervorspiel/ das, wie eine freie Phantasie<lb/>
gestaltet, nichts mit den älteren Formen gleicher Gattung gemeinsam hat.<lb/>
Sie ist aus den typischen Motiven zusammenstellt, welche das Auftreten der<lb/>
Hauptpersonen in der Negel begleiten. Es hat in so fern nichts charak¬<lb/>
teristisches, als es bei seinem Jnstrumentenlärm das leichte Spiel des Humors,<lb/>
wie es eine Lustspielouvertüre haben sollte, nicht aufkommen läßt, sondern<lb/>
ebenso gut jedem Trauerspiele vorausgehen könnte. Ein bizarrer, unschöner<lb/>
Mittelsalz vermag für den verfehlten Charakter des Stückes nicht zu entschä¬<lb/>
digen. Das Vorspiel leitet zu dem ersten Chöre hinüber, der beim Auf¬<lb/>
ziehen des Vorhangs vor der in der Katharinenkirche zahlreich versammelten<lb/>
Gemeinde ertönt. Dieser Gesang in der Weise eines Chorals ist würdig<lb/>
und einfach, aber er wird durch Zwischenspiele des Orchesters unterbrochen, die<lb/>
ihm heterogen sind.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_78"> Walther, an eine Säule gelehnt heftet mit stummem Gebärdenspiel die<lb/>
Blicke auf die sich wiederholt zu ihm umkehrende Eva. Der Chor singt mit<lb/>
Orgelbegleitung, das Orchester sucht das Gebärdenspiel musikalisch zu ver¬<lb/>
sinnlichen.  Folgen wir den Angaben des Clavierauszugs:</p><lb/>
            <quote> Chor:    zu dir der Heiland kam"</quote><lb/>
            <p xml:id="ID_79"> (Walther drückt durch eine Gebärde eine schmachtende Frage an Eva aus.)</p><lb/>
            <quote> &#x201E;Willig seine Taufe nahm",</quote><lb/>
            <p xml:id="ID_80"> (Eva's Blick und Gebärde sucht zu antworten, doch beschämt schlägt sie die<lb/>
Augen wieder nieder.)</p><lb/>
            <quote> &#x201E;Weiske sich dem Opfertod,"</quote><lb/>
            <p xml:id="ID_81"> (Sehr ausdrucksvoll.)</p><lb/>
            <p xml:id="ID_82"> (Walther zärtlich, dann dringender.)</p><lb/>
            <quote> &#x201E;Gab er uns des Heils Gebot:"</quote><lb/>
            <p xml:id="ID_83"> (Eva Waldherr abweisend, aber schnell wieder seelenvoll zu ihm auf¬<lb/>
blickend.)'''</p><lb/>
            <quote> &#x201E;Daß wir durch dein Taus uns weihn,<lb/>
Seines Opfers werth zu sein."</quote><lb/>
            <p xml:id="ID_84"> (Walther entzückt, höchste Betheuerungen und Hoffnungen. Eva selig lächelnd,<lb/>
dann beschämt die Augen senkend.)</p><lb/>
            <quote> &#x201E;Edler Täufer,<lb/>
Christ's Vorläufer!<lb/>
Nimm uns freundlich an,<lb/>
Dort am Fluß Jordan."</quote><lb/>
            <p xml:id="ID_85"> (Walther dringend &#x2014; aber schnell sich unterbrechend. Er nimmt die drin¬<lb/>
gende Gebärde wieder auf, mildert sie aber sogleich wieder, um dadurch sanft<lb/>
um eine Unterredung zu bitten u. s. f.)</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0042] Die Ouvertüre bildet ein Orchestervorspiel/ das, wie eine freie Phantasie gestaltet, nichts mit den älteren Formen gleicher Gattung gemeinsam hat. Sie ist aus den typischen Motiven zusammenstellt, welche das Auftreten der Hauptpersonen in der Negel begleiten. Es hat in so fern nichts charak¬ teristisches, als es bei seinem Jnstrumentenlärm das leichte Spiel des Humors, wie es eine Lustspielouvertüre haben sollte, nicht aufkommen läßt, sondern ebenso gut jedem Trauerspiele vorausgehen könnte. Ein bizarrer, unschöner Mittelsalz vermag für den verfehlten Charakter des Stückes nicht zu entschä¬ digen. Das Vorspiel leitet zu dem ersten Chöre hinüber, der beim Auf¬ ziehen des Vorhangs vor der in der Katharinenkirche zahlreich versammelten Gemeinde ertönt. Dieser Gesang in der Weise eines Chorals ist würdig und einfach, aber er wird durch Zwischenspiele des Orchesters unterbrochen, die ihm heterogen sind. Walther, an eine Säule gelehnt heftet mit stummem Gebärdenspiel die Blicke auf die sich wiederholt zu ihm umkehrende Eva. Der Chor singt mit Orgelbegleitung, das Orchester sucht das Gebärdenspiel musikalisch zu ver¬ sinnlichen. Folgen wir den Angaben des Clavierauszugs: Chor: zu dir der Heiland kam" (Walther drückt durch eine Gebärde eine schmachtende Frage an Eva aus.) „Willig seine Taufe nahm", (Eva's Blick und Gebärde sucht zu antworten, doch beschämt schlägt sie die Augen wieder nieder.) „Weiske sich dem Opfertod," (Sehr ausdrucksvoll.) (Walther zärtlich, dann dringender.) „Gab er uns des Heils Gebot:" (Eva Waldherr abweisend, aber schnell wieder seelenvoll zu ihm auf¬ blickend.)''' „Daß wir durch dein Taus uns weihn, Seines Opfers werth zu sein." (Walther entzückt, höchste Betheuerungen und Hoffnungen. Eva selig lächelnd, dann beschämt die Augen senkend.) „Edler Täufer, Christ's Vorläufer! Nimm uns freundlich an, Dort am Fluß Jordan." (Walther dringend — aber schnell sich unterbrechend. Er nimmt die drin¬ gende Gebärde wieder auf, mildert sie aber sogleich wieder, um dadurch sanft um eine Unterredung zu bitten u. s. f.)

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/42
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/42>, abgerufen am 30.06.2024.