Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.befand sich der Meister auf eigensten Gebiete; die oben erwähnte Vorliebe Einen weiteren Fortschritt machte die Darstellung der Könige durch Hin¬ Wenn die Herrscher der Erde solchergestalt in den Olymp versetzt werden,^ Grenzboten III. 1868. 48
befand sich der Meister auf eigensten Gebiete; die oben erwähnte Vorliebe Einen weiteren Fortschritt machte die Darstellung der Könige durch Hin¬ Wenn die Herrscher der Erde solchergestalt in den Olymp versetzt werden,^ Grenzboten III. 1868. 48
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0405" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287117"/> <p xml:id="ID_1033" prev="#ID_1032"> befand sich der Meister auf eigensten Gebiete; die oben erwähnte Vorliebe<lb/> der gleichzeitigen Poesie für scharfe Charakterzeichnung, welche von der Rhe¬<lb/> torik und Philosophie getheilt ward, hatte auf dem Felde der Kunst einen<lb/> hervorragenden Vertreter eben an Lysippos, welcher literarische und ander¬<lb/> weitige Portraits in unübertroffener Meisterschaft bildete.</p><lb/> <p xml:id="ID_1034"> Einen weiteren Fortschritt machte die Darstellung der Könige durch Hin¬<lb/> zunahme ihrer Umgebung. Eine große Reitergruppe Lysipp's zeigte Alexan¬<lb/> der im Kreise derjenigen Generale, welche ihm bei seinem ersten großen Siege<lb/> am Granikos zur Seite gestanden hatten; eine andere stellte den König und<lb/> sein Gefolge auf der Löwenjagd dar. Auch die Malerei wählte ähnliche<lb/> Stoffe. Die ägyptische Malerin Helena soll die Schlacht bei Jssos gemalt<lb/> haben, in welcher Alexander sich in die größte persönliche Gefahr begeben<lb/> und mitten im Getümmel einen Verwandten des Perserkönigs zu Boden<lb/> gestoßen hatte. Es ist der Moment, den das großartigste aus dem Alter¬<lb/> thum uns erhaltene historische Gemälde, das berühmte Alexandermosaik von<lb/> Pompeji vergegenwärtigt: unaufhaltsam dringt der Sieger vor. sodaß der<lb/> Perserkönig vor Schrecken und aus Antheil an seinem getödteten Vetter die<lb/> Flucht fast vergißt. Leicht möglich, daß wir in diesem Mosaik die Compo-<lb/> sition Helenas wiederzuerkennen haben. Aber nicht blos der Krieger Alexan¬<lb/> der gab den Malern Stoff: Action schuf jenes berühmte Bild der Hochzeit<lb/> Alexanders und Roxanes, dessen Beschreibung zwei der größten Meister mo¬<lb/> derner Malerei, Raphael und Sodoma, zu reizenden Nachschöpfungen be¬<lb/> geistert hat. Verschämt sitzt die Braut auf dem Bette, während Liebesgötter<lb/> beschäftigt sind, ihre Gewänder zu lösen; Alexander, dessen Waffen von andern<lb/> Amoren unter allerlei Kurzweil bei Seite geschafft werden, tritt zu ihr heran<lb/> und bietet ihr seine Krone dar, hinter ihm sein Brautführer Hephästion.<lb/> gestützt auf den Hochzeitsgott HymenSos, der mit den Eroten das übersinn¬<lb/> liche Element vertritt. Es ist kaum zu verwundern, daß ähnliche Auffassung<lb/> vom Königshofe sich auch auf verwandte Kreise erstreckte; malte doch z. B.<lb/> Apelles in einem historischen Galabilde den Festaufzug des Oberpriesters der<lb/> ephesischen Artemis.</p><lb/> <p xml:id="ID_1035" next="#ID_1036"> Wenn die Herrscher der Erde solchergestalt in den Olymp versetzt werden,^<lb/> so werden die Götter den Menschen gleich. Es tritt eine völlige Ver- ^<lb/> Wischung der Grenzen ein, eins der bezeichnendsten Merkmale dieser Zeit.<lb/> Die vorhergehende Periode, welche namentlich durch die Namen eines Skopas<lb/> und eines Praxiteles glänzt, hatte sich mit Vorliebe der Ausbildung jugend¬<lb/> licher Gottheiten zugewandt; der schwärmerische Jüngling Dionysos, der poe¬<lb/> tische Musengott Apollon, die reizvollste aller Göttinnen Aphrodite hatten<lb/> ihre feste Ausprägung in den Formen der vollendeten Kunst erhalten. Jetzt<lb/> ist die Zeit eine kräftigere, kriegerischere geworden, und diesem Zuge folgt</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1868. 48</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0405]
befand sich der Meister auf eigensten Gebiete; die oben erwähnte Vorliebe
der gleichzeitigen Poesie für scharfe Charakterzeichnung, welche von der Rhe¬
torik und Philosophie getheilt ward, hatte auf dem Felde der Kunst einen
hervorragenden Vertreter eben an Lysippos, welcher literarische und ander¬
weitige Portraits in unübertroffener Meisterschaft bildete.
Einen weiteren Fortschritt machte die Darstellung der Könige durch Hin¬
zunahme ihrer Umgebung. Eine große Reitergruppe Lysipp's zeigte Alexan¬
der im Kreise derjenigen Generale, welche ihm bei seinem ersten großen Siege
am Granikos zur Seite gestanden hatten; eine andere stellte den König und
sein Gefolge auf der Löwenjagd dar. Auch die Malerei wählte ähnliche
Stoffe. Die ägyptische Malerin Helena soll die Schlacht bei Jssos gemalt
haben, in welcher Alexander sich in die größte persönliche Gefahr begeben
und mitten im Getümmel einen Verwandten des Perserkönigs zu Boden
gestoßen hatte. Es ist der Moment, den das großartigste aus dem Alter¬
thum uns erhaltene historische Gemälde, das berühmte Alexandermosaik von
Pompeji vergegenwärtigt: unaufhaltsam dringt der Sieger vor. sodaß der
Perserkönig vor Schrecken und aus Antheil an seinem getödteten Vetter die
Flucht fast vergißt. Leicht möglich, daß wir in diesem Mosaik die Compo-
sition Helenas wiederzuerkennen haben. Aber nicht blos der Krieger Alexan¬
der gab den Malern Stoff: Action schuf jenes berühmte Bild der Hochzeit
Alexanders und Roxanes, dessen Beschreibung zwei der größten Meister mo¬
derner Malerei, Raphael und Sodoma, zu reizenden Nachschöpfungen be¬
geistert hat. Verschämt sitzt die Braut auf dem Bette, während Liebesgötter
beschäftigt sind, ihre Gewänder zu lösen; Alexander, dessen Waffen von andern
Amoren unter allerlei Kurzweil bei Seite geschafft werden, tritt zu ihr heran
und bietet ihr seine Krone dar, hinter ihm sein Brautführer Hephästion.
gestützt auf den Hochzeitsgott HymenSos, der mit den Eroten das übersinn¬
liche Element vertritt. Es ist kaum zu verwundern, daß ähnliche Auffassung
vom Königshofe sich auch auf verwandte Kreise erstreckte; malte doch z. B.
Apelles in einem historischen Galabilde den Festaufzug des Oberpriesters der
ephesischen Artemis.
Wenn die Herrscher der Erde solchergestalt in den Olymp versetzt werden,^
so werden die Götter den Menschen gleich. Es tritt eine völlige Ver- ^
Wischung der Grenzen ein, eins der bezeichnendsten Merkmale dieser Zeit.
Die vorhergehende Periode, welche namentlich durch die Namen eines Skopas
und eines Praxiteles glänzt, hatte sich mit Vorliebe der Ausbildung jugend¬
licher Gottheiten zugewandt; der schwärmerische Jüngling Dionysos, der poe¬
tische Musengott Apollon, die reizvollste aller Göttinnen Aphrodite hatten
ihre feste Ausprägung in den Formen der vollendeten Kunst erhalten. Jetzt
ist die Zeit eine kräftigere, kriegerischere geworden, und diesem Zuge folgt
Grenzboten III. 1868. 48
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