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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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suchen zu lassen; er verwandte lieber das Talent des Mannes für nützlichere
Unternehmungen und übertrug ihm die Anlage Alexandriens. der vornehm¬
sten aller seiner Städtegründungen. Deinokrates entledigte sich der Aufgabe
glänzend; wie sehr aber auch hier die orientalische Anschauung vom Herrscher
hervortrat, erkennen wir daraus, daß die ausgedehnten Baulichkeiten des
Königspalastes mit allen seinen Nebenanlagen fast ein Drittel der Stadt be¬
anspruchten.

Mit der Baukunst nahmen Plastik und Malerei den Wettkampf aus.
Vollendete Technik war längst so sehr Gemeingut der Künstler geworden, daß
es des Raffinements und der Virtuosität bedürfte, um neue Effecte zu er¬
reichen. Dies tritt nicht blos in der technischen und formalen Behandlung
hervor, sondern ebenso in Wahl und Auffassung der Gegenstände. Den ersten
Platz nehmen darunter die Könige und ihr Hof ein. Philipp und
Alexander wurden in allen Lebensaltern, von der Kindheit an, in so zahl¬
losen Werken dargestellt, daß spätere Kunstschriftsteller auf eine Aufzählung,
ja auch nur auf eine Zählung verzichteten. Den ersten Preis schien aber
ein Gemälde des Apelles zu verdienen, welches den unbesieglichen Alexander
in unübertrefflicher Weise darstellte. Der Maler hatte sich die Aufgabe ge¬
setzt, den Sohn des Zeus, wofür der König gelten wollte, vorzuführen. Er
hatte zu diesem Ende die helle zarte Hautfarbe des Herrschers in eine kräf¬
tigere dunklere verwandelt, vor Allem aber bezeichnete der Blitz in der Hand
den Sohn und Stellvertreter des Götterfürsten. Daß diese Darstellungsweise
dem Könige nicht mißfiel, bewies er durch das Honorar von 20 Talenten
Goldes (welche dem Metallwerthe nach eine Summe von reichlich 300,000
Thalern darstellen). Es war nur ein andrer Ausdruck desselben Gedankens,
wenn auf einem anderen Bilde Alexander inmitten der längst von der
Mythologie anerkannten Zeussöhne Kastor und Pollux als Dritter im Bunde
erschien.

Bezeichnend ist es, daß hier wie so oft in der griechischen Kunstgeschichte die
Malerei voranging, die Kunst, welche leichter von der Wirklichkeit absehen
kann und dem Scheine, der Illusion ungescheuter nachstreben darf, während
die körperlichere und daher auch mehr an die Wirklichkeit gebundene Plastik
etwas zurückbleibt. Lysippos der Erzgießer gab dem königlichen Helden nicht
das Abzeichen der Gottheit in die Hand, sondern den Speer, womit er den
Erdkreis bezwungen hatte; zugleich aber wußte er dadurch, daß er die Eigen¬
thümlichkeiten in der Erscheinung des Heldenjünglings, die schiefe Kopfhal¬
tung, das sich bäumende Löwenhaar über der Stirn, den klaren männlich
kräftigen Blick nicht blos äußerlich nachbildete, sondern als Elemente einer
wahrhaft idealen Charakterschilderung benutzte, der Würde des Künstlers
und den Ansprüchen des Königs in gleichem Maße gerecht zu werden. Hier


suchen zu lassen; er verwandte lieber das Talent des Mannes für nützlichere
Unternehmungen und übertrug ihm die Anlage Alexandriens. der vornehm¬
sten aller seiner Städtegründungen. Deinokrates entledigte sich der Aufgabe
glänzend; wie sehr aber auch hier die orientalische Anschauung vom Herrscher
hervortrat, erkennen wir daraus, daß die ausgedehnten Baulichkeiten des
Königspalastes mit allen seinen Nebenanlagen fast ein Drittel der Stadt be¬
anspruchten.

Mit der Baukunst nahmen Plastik und Malerei den Wettkampf aus.
Vollendete Technik war längst so sehr Gemeingut der Künstler geworden, daß
es des Raffinements und der Virtuosität bedürfte, um neue Effecte zu er¬
reichen. Dies tritt nicht blos in der technischen und formalen Behandlung
hervor, sondern ebenso in Wahl und Auffassung der Gegenstände. Den ersten
Platz nehmen darunter die Könige und ihr Hof ein. Philipp und
Alexander wurden in allen Lebensaltern, von der Kindheit an, in so zahl¬
losen Werken dargestellt, daß spätere Kunstschriftsteller auf eine Aufzählung,
ja auch nur auf eine Zählung verzichteten. Den ersten Preis schien aber
ein Gemälde des Apelles zu verdienen, welches den unbesieglichen Alexander
in unübertrefflicher Weise darstellte. Der Maler hatte sich die Aufgabe ge¬
setzt, den Sohn des Zeus, wofür der König gelten wollte, vorzuführen. Er
hatte zu diesem Ende die helle zarte Hautfarbe des Herrschers in eine kräf¬
tigere dunklere verwandelt, vor Allem aber bezeichnete der Blitz in der Hand
den Sohn und Stellvertreter des Götterfürsten. Daß diese Darstellungsweise
dem Könige nicht mißfiel, bewies er durch das Honorar von 20 Talenten
Goldes (welche dem Metallwerthe nach eine Summe von reichlich 300,000
Thalern darstellen). Es war nur ein andrer Ausdruck desselben Gedankens,
wenn auf einem anderen Bilde Alexander inmitten der längst von der
Mythologie anerkannten Zeussöhne Kastor und Pollux als Dritter im Bunde
erschien.

Bezeichnend ist es, daß hier wie so oft in der griechischen Kunstgeschichte die
Malerei voranging, die Kunst, welche leichter von der Wirklichkeit absehen
kann und dem Scheine, der Illusion ungescheuter nachstreben darf, während
die körperlichere und daher auch mehr an die Wirklichkeit gebundene Plastik
etwas zurückbleibt. Lysippos der Erzgießer gab dem königlichen Helden nicht
das Abzeichen der Gottheit in die Hand, sondern den Speer, womit er den
Erdkreis bezwungen hatte; zugleich aber wußte er dadurch, daß er die Eigen¬
thümlichkeiten in der Erscheinung des Heldenjünglings, die schiefe Kopfhal¬
tung, das sich bäumende Löwenhaar über der Stirn, den klaren männlich
kräftigen Blick nicht blos äußerlich nachbildete, sondern als Elemente einer
wahrhaft idealen Charakterschilderung benutzte, der Würde des Künstlers
und den Ansprüchen des Königs in gleichem Maße gerecht zu werden. Hier


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[0404] suchen zu lassen; er verwandte lieber das Talent des Mannes für nützlichere Unternehmungen und übertrug ihm die Anlage Alexandriens. der vornehm¬ sten aller seiner Städtegründungen. Deinokrates entledigte sich der Aufgabe glänzend; wie sehr aber auch hier die orientalische Anschauung vom Herrscher hervortrat, erkennen wir daraus, daß die ausgedehnten Baulichkeiten des Königspalastes mit allen seinen Nebenanlagen fast ein Drittel der Stadt be¬ anspruchten. Mit der Baukunst nahmen Plastik und Malerei den Wettkampf aus. Vollendete Technik war längst so sehr Gemeingut der Künstler geworden, daß es des Raffinements und der Virtuosität bedürfte, um neue Effecte zu er¬ reichen. Dies tritt nicht blos in der technischen und formalen Behandlung hervor, sondern ebenso in Wahl und Auffassung der Gegenstände. Den ersten Platz nehmen darunter die Könige und ihr Hof ein. Philipp und Alexander wurden in allen Lebensaltern, von der Kindheit an, in so zahl¬ losen Werken dargestellt, daß spätere Kunstschriftsteller auf eine Aufzählung, ja auch nur auf eine Zählung verzichteten. Den ersten Preis schien aber ein Gemälde des Apelles zu verdienen, welches den unbesieglichen Alexander in unübertrefflicher Weise darstellte. Der Maler hatte sich die Aufgabe ge¬ setzt, den Sohn des Zeus, wofür der König gelten wollte, vorzuführen. Er hatte zu diesem Ende die helle zarte Hautfarbe des Herrschers in eine kräf¬ tigere dunklere verwandelt, vor Allem aber bezeichnete der Blitz in der Hand den Sohn und Stellvertreter des Götterfürsten. Daß diese Darstellungsweise dem Könige nicht mißfiel, bewies er durch das Honorar von 20 Talenten Goldes (welche dem Metallwerthe nach eine Summe von reichlich 300,000 Thalern darstellen). Es war nur ein andrer Ausdruck desselben Gedankens, wenn auf einem anderen Bilde Alexander inmitten der längst von der Mythologie anerkannten Zeussöhne Kastor und Pollux als Dritter im Bunde erschien. Bezeichnend ist es, daß hier wie so oft in der griechischen Kunstgeschichte die Malerei voranging, die Kunst, welche leichter von der Wirklichkeit absehen kann und dem Scheine, der Illusion ungescheuter nachstreben darf, während die körperlichere und daher auch mehr an die Wirklichkeit gebundene Plastik etwas zurückbleibt. Lysippos der Erzgießer gab dem königlichen Helden nicht das Abzeichen der Gottheit in die Hand, sondern den Speer, womit er den Erdkreis bezwungen hatte; zugleich aber wußte er dadurch, daß er die Eigen¬ thümlichkeiten in der Erscheinung des Heldenjünglings, die schiefe Kopfhal¬ tung, das sich bäumende Löwenhaar über der Stirn, den klaren männlich kräftigen Blick nicht blos äußerlich nachbildete, sondern als Elemente einer wahrhaft idealen Charakterschilderung benutzte, der Würde des Künstlers und den Ansprüchen des Königs in gleichem Maße gerecht zu werden. Hier

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/404>, abgerufen am 04.07.2024.