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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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preußischen Regierung, das mußte sie ernstlich stutzig machen. Sie wiesen den
Verdacht ab, der übrigens in Kurzem lautbar wurde, daß Preußen sich Ita¬
liens nur habe bedienen wollen, um Oestreich zur Bewilligung der preußi¬
schen Forderungen zu drängen, indem man ihm die Eventualität einer Alli¬
anz mit Italien vorhielt. Allein um so weniger konnte man sich in Italien
über die Macht der dem Kriege widerstrebenden Elemente in Preußen selbst
täuschen, und die Leichtigkeit mit der man von einer Anfrage wegen einer
Allianz gegen Oestreich zu einer. Friedenstransaction mit dieser Macht über¬
gegangen war, das notorische Widerstreben des Königs gegen einen Krieg,
die Erinnerung an Olmütz, endlich die durch die inneren Zustände Preußens
gefährdete Stellung des Grafen Bismarck waren ebensoviele Gründe für die
italienische Regierung, in den späteren Verhandlungen, vorausgesetzt daß sie
wieder angeknüpft würden, nur mit größter Vorsicht aufzutreten.

Versetze man sich unbefangen auf den italienischen Standpunkt, so wird
man begreiflich finden, daß dieser rasche Umschlag erkältend auf Italien
wirkte. Es war das erste Wölkchen, das zwischen Preußen und Italien auf¬
stieg. Inzwischen hat auch ein östreichischer Staatsmann (A. Allg. Ztg.
außerord. Beil. vom 8. Mai 1868), der zugleich eingesteht, daß Preußen im
gasteiner Vertrag ein definitives Abkommen sah, während Oestreich nur Zeit
zu den Kriegsrüstungen gewinnen wollte, es bestätigt: "so sehr hatte der
gasteiner Vertrag die Gemüther berückt, daß wenige Monate darauf, als die
preußische Regierung ihre kriegerischen Vorbereitungen mit Italien wieder
aufnahm, sie die größte Mühe hatte, den guten Glauben der Italiener für
ihre Absichten wieder zu gewinnen."

Die nächste- Folge war, daß Italien, von jeder Rücksicht entbunden,
von Neuem, übrigens wieder auf mittelbarem Wege, Versuche bei Oestreich
selbst machte. Es wurde eine Persönlichkeit nach Wien geschickt, welche leicht
Eingang bei vielen der einflußreichsten Männer fand. Einige derselben ge¬
standen offen ein, nach ihrer Ansicht wäre eine freundschaftliche Abtretung
Venetiens an Italien das Beste für die Interessen des Kaiserreichs und wohl
vereinbar mit der Würde des kaiserlichen Hauses. Officiöse Blätter in Wien
begannen mehr oder weniger deutlich auf die Möglichkeit einer solchen Lö¬
sung anzuspielen, für welche der fragliche Unterhändler finanzielle, wirth¬
schaftliche und politische Vortheile als Entschädigung von Seiten Italiens an¬
zubieten und zu Präcisiren hatte. Das Hinderniß kam auch nicht von den ein¬
flußreichsten politischen Persönlichkeiten des Kaiserreichs, es kam einzig von
Seiten des kaiserlichen Hofes, der die Frage der Abtretung Venetiens zu einer
Frage der militärischen Ehre machte. An dieser Klippe scheiterte der ganze
Versuch. Dennoch hatte er zwei Thatsachen bestimmt constatirt. Einmal,
daß in der östreichischen Politik nicht mehr der frühere Haß gegen Italien


preußischen Regierung, das mußte sie ernstlich stutzig machen. Sie wiesen den
Verdacht ab, der übrigens in Kurzem lautbar wurde, daß Preußen sich Ita¬
liens nur habe bedienen wollen, um Oestreich zur Bewilligung der preußi¬
schen Forderungen zu drängen, indem man ihm die Eventualität einer Alli¬
anz mit Italien vorhielt. Allein um so weniger konnte man sich in Italien
über die Macht der dem Kriege widerstrebenden Elemente in Preußen selbst
täuschen, und die Leichtigkeit mit der man von einer Anfrage wegen einer
Allianz gegen Oestreich zu einer. Friedenstransaction mit dieser Macht über¬
gegangen war, das notorische Widerstreben des Königs gegen einen Krieg,
die Erinnerung an Olmütz, endlich die durch die inneren Zustände Preußens
gefährdete Stellung des Grafen Bismarck waren ebensoviele Gründe für die
italienische Regierung, in den späteren Verhandlungen, vorausgesetzt daß sie
wieder angeknüpft würden, nur mit größter Vorsicht aufzutreten.

Versetze man sich unbefangen auf den italienischen Standpunkt, so wird
man begreiflich finden, daß dieser rasche Umschlag erkältend auf Italien
wirkte. Es war das erste Wölkchen, das zwischen Preußen und Italien auf¬
stieg. Inzwischen hat auch ein östreichischer Staatsmann (A. Allg. Ztg.
außerord. Beil. vom 8. Mai 1868), der zugleich eingesteht, daß Preußen im
gasteiner Vertrag ein definitives Abkommen sah, während Oestreich nur Zeit
zu den Kriegsrüstungen gewinnen wollte, es bestätigt: „so sehr hatte der
gasteiner Vertrag die Gemüther berückt, daß wenige Monate darauf, als die
preußische Regierung ihre kriegerischen Vorbereitungen mit Italien wieder
aufnahm, sie die größte Mühe hatte, den guten Glauben der Italiener für
ihre Absichten wieder zu gewinnen."

Die nächste- Folge war, daß Italien, von jeder Rücksicht entbunden,
von Neuem, übrigens wieder auf mittelbarem Wege, Versuche bei Oestreich
selbst machte. Es wurde eine Persönlichkeit nach Wien geschickt, welche leicht
Eingang bei vielen der einflußreichsten Männer fand. Einige derselben ge¬
standen offen ein, nach ihrer Ansicht wäre eine freundschaftliche Abtretung
Venetiens an Italien das Beste für die Interessen des Kaiserreichs und wohl
vereinbar mit der Würde des kaiserlichen Hauses. Officiöse Blätter in Wien
begannen mehr oder weniger deutlich auf die Möglichkeit einer solchen Lö¬
sung anzuspielen, für welche der fragliche Unterhändler finanzielle, wirth¬
schaftliche und politische Vortheile als Entschädigung von Seiten Italiens an¬
zubieten und zu Präcisiren hatte. Das Hinderniß kam auch nicht von den ein¬
flußreichsten politischen Persönlichkeiten des Kaiserreichs, es kam einzig von
Seiten des kaiserlichen Hofes, der die Frage der Abtretung Venetiens zu einer
Frage der militärischen Ehre machte. An dieser Klippe scheiterte der ganze
Versuch. Dennoch hatte er zwei Thatsachen bestimmt constatirt. Einmal,
daß in der östreichischen Politik nicht mehr der frühere Haß gegen Italien


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[0396] preußischen Regierung, das mußte sie ernstlich stutzig machen. Sie wiesen den Verdacht ab, der übrigens in Kurzem lautbar wurde, daß Preußen sich Ita¬ liens nur habe bedienen wollen, um Oestreich zur Bewilligung der preußi¬ schen Forderungen zu drängen, indem man ihm die Eventualität einer Alli¬ anz mit Italien vorhielt. Allein um so weniger konnte man sich in Italien über die Macht der dem Kriege widerstrebenden Elemente in Preußen selbst täuschen, und die Leichtigkeit mit der man von einer Anfrage wegen einer Allianz gegen Oestreich zu einer. Friedenstransaction mit dieser Macht über¬ gegangen war, das notorische Widerstreben des Königs gegen einen Krieg, die Erinnerung an Olmütz, endlich die durch die inneren Zustände Preußens gefährdete Stellung des Grafen Bismarck waren ebensoviele Gründe für die italienische Regierung, in den späteren Verhandlungen, vorausgesetzt daß sie wieder angeknüpft würden, nur mit größter Vorsicht aufzutreten. Versetze man sich unbefangen auf den italienischen Standpunkt, so wird man begreiflich finden, daß dieser rasche Umschlag erkältend auf Italien wirkte. Es war das erste Wölkchen, das zwischen Preußen und Italien auf¬ stieg. Inzwischen hat auch ein östreichischer Staatsmann (A. Allg. Ztg. außerord. Beil. vom 8. Mai 1868), der zugleich eingesteht, daß Preußen im gasteiner Vertrag ein definitives Abkommen sah, während Oestreich nur Zeit zu den Kriegsrüstungen gewinnen wollte, es bestätigt: „so sehr hatte der gasteiner Vertrag die Gemüther berückt, daß wenige Monate darauf, als die preußische Regierung ihre kriegerischen Vorbereitungen mit Italien wieder aufnahm, sie die größte Mühe hatte, den guten Glauben der Italiener für ihre Absichten wieder zu gewinnen." Die nächste- Folge war, daß Italien, von jeder Rücksicht entbunden, von Neuem, übrigens wieder auf mittelbarem Wege, Versuche bei Oestreich selbst machte. Es wurde eine Persönlichkeit nach Wien geschickt, welche leicht Eingang bei vielen der einflußreichsten Männer fand. Einige derselben ge¬ standen offen ein, nach ihrer Ansicht wäre eine freundschaftliche Abtretung Venetiens an Italien das Beste für die Interessen des Kaiserreichs und wohl vereinbar mit der Würde des kaiserlichen Hauses. Officiöse Blätter in Wien begannen mehr oder weniger deutlich auf die Möglichkeit einer solchen Lö¬ sung anzuspielen, für welche der fragliche Unterhändler finanzielle, wirth¬ schaftliche und politische Vortheile als Entschädigung von Seiten Italiens an¬ zubieten und zu Präcisiren hatte. Das Hinderniß kam auch nicht von den ein¬ flußreichsten politischen Persönlichkeiten des Kaiserreichs, es kam einzig von Seiten des kaiserlichen Hofes, der die Frage der Abtretung Venetiens zu einer Frage der militärischen Ehre machte. An dieser Klippe scheiterte der ganze Versuch. Dennoch hatte er zwei Thatsachen bestimmt constatirt. Einmal, daß in der östreichischen Politik nicht mehr der frühere Haß gegen Italien

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/396>, abgerufen am 04.07.2024.