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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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die mit Frankreich und Belgien abgeschlossenen, so hoffte Preußen eben durch
jenen Vertrag den anderweitigen Widerstand zu überwinden und die Zustim¬
mung zur Erneuerung des Zollvereins leichter zu erlangen. Diese wurde
um die Mitte 1864 noch von Baiern. Würtemberg, Nassau, Hessen-Darmstadt
und Luxemburg verweigert.

Die Verhandlungen zwischen Preußen und Italien hatten im Mai 1864
begonnen, und Anfangs August wurde der Graf de Launay in Berlin ermäch¬
tigt, einen dem französischen und belgischen analogen Vertrag zu unterzeich¬
nen. Unerwarteterweise antwortete Preußen jetzt ausweichend; sei es, daß es
zur Zeit des Friedensschlusses mit Dänemark alles vermeiden wollte, was die
Intimität mit Oestreich stören konnte, sei es, daß inzwischen die widerstreben¬
den deutschen Staaten ihren Beitritt zum neuen Zollverein bedingungslos in
Aussicht stellten; -- wirklich war Ende September die Zollvereinsconferenz wie¬
der vollständig beschickt, und am 12. October wurde der neue Zollvereins¬
vertrag abgeschlossen. Preußen hatte damit die Zeit versäumt, wo es auf
eigene Faust den Vertrag mit Italien bewerkstelligen und zur Bedingung der
Wiederherstellung des Zollvereins machen konnte; wurden später die Ver¬
handlungen wieder aufgenommen, so konnte Preußen nur im Namen und
vorbehaltlich der Ratification aller anderen Staaten abschließen.

Im Mai 1865 äußerte die preußische Negierung den Wunsch, die Ver¬
handlungen wegen eines Handelsvertrages mit Italien wieder aufzunehmen, der
sich sodann auf den ganzen Zollverein erstrecken könnte, sobald zwischen Ita¬
lien und denjenigen deutschen Staaten, welche das Königreich nicht anerkann¬
ten, ein moäus vivencii gefunden wäre. Die italienische Regierung legte sich
nunmehr angesichts des beginnenden Zwistes über die Herzogthümer die
Frage vor, ob die vermehrten Schwierigkeiten für den Abschluß eines Vertrags
mit dem Zollverein nicht im Gegentheil ein für Italien günstiger Umstand
seien, geeignet mit Preußen in engere Beziehungen zu treten und den An¬
tagonismus zwischen den beiden deutschen Großmächten zu erweitern. Das
Ministerium beeilte sich, der Einladung zu entsprechen und erklärte sich zur
Wiederaufnahme der Verhandlungen bereit, jedoch unter folgenden Beding¬
ungen: 1. für den Abschluß eines Handelsvertrags mit dem ganzen Zoll¬
verein genüge Italien die Unterschrift Preußens allein; 2. aber für die Aus¬
führung des Vertrags sei die Zustimmung der anderen Zollvereinsstaaten
erforderlich, und zwar derart, daß diese Zustimmung als nothwendige und
diplomatische Folge die Anerkennung des Königreichs Italien von Seiten
sämmtlicher Staaten einschließe. Italien wußte, daß in merkantilen und
industriellen Kreisen Deutschlands das Verlangen nach dem Abschluß des Ver¬
trags mit Italien lebhaft geäußert wurde; wie ungern auch die Regierungen
sich entschließen mochten, das Ende konnte nicht zweifelhaft sein, und dies


die mit Frankreich und Belgien abgeschlossenen, so hoffte Preußen eben durch
jenen Vertrag den anderweitigen Widerstand zu überwinden und die Zustim¬
mung zur Erneuerung des Zollvereins leichter zu erlangen. Diese wurde
um die Mitte 1864 noch von Baiern. Würtemberg, Nassau, Hessen-Darmstadt
und Luxemburg verweigert.

Die Verhandlungen zwischen Preußen und Italien hatten im Mai 1864
begonnen, und Anfangs August wurde der Graf de Launay in Berlin ermäch¬
tigt, einen dem französischen und belgischen analogen Vertrag zu unterzeich¬
nen. Unerwarteterweise antwortete Preußen jetzt ausweichend; sei es, daß es
zur Zeit des Friedensschlusses mit Dänemark alles vermeiden wollte, was die
Intimität mit Oestreich stören konnte, sei es, daß inzwischen die widerstreben¬
den deutschen Staaten ihren Beitritt zum neuen Zollverein bedingungslos in
Aussicht stellten; — wirklich war Ende September die Zollvereinsconferenz wie¬
der vollständig beschickt, und am 12. October wurde der neue Zollvereins¬
vertrag abgeschlossen. Preußen hatte damit die Zeit versäumt, wo es auf
eigene Faust den Vertrag mit Italien bewerkstelligen und zur Bedingung der
Wiederherstellung des Zollvereins machen konnte; wurden später die Ver¬
handlungen wieder aufgenommen, so konnte Preußen nur im Namen und
vorbehaltlich der Ratification aller anderen Staaten abschließen.

Im Mai 1865 äußerte die preußische Negierung den Wunsch, die Ver¬
handlungen wegen eines Handelsvertrages mit Italien wieder aufzunehmen, der
sich sodann auf den ganzen Zollverein erstrecken könnte, sobald zwischen Ita¬
lien und denjenigen deutschen Staaten, welche das Königreich nicht anerkann¬
ten, ein moäus vivencii gefunden wäre. Die italienische Regierung legte sich
nunmehr angesichts des beginnenden Zwistes über die Herzogthümer die
Frage vor, ob die vermehrten Schwierigkeiten für den Abschluß eines Vertrags
mit dem Zollverein nicht im Gegentheil ein für Italien günstiger Umstand
seien, geeignet mit Preußen in engere Beziehungen zu treten und den An¬
tagonismus zwischen den beiden deutschen Großmächten zu erweitern. Das
Ministerium beeilte sich, der Einladung zu entsprechen und erklärte sich zur
Wiederaufnahme der Verhandlungen bereit, jedoch unter folgenden Beding¬
ungen: 1. für den Abschluß eines Handelsvertrags mit dem ganzen Zoll¬
verein genüge Italien die Unterschrift Preußens allein; 2. aber für die Aus¬
führung des Vertrags sei die Zustimmung der anderen Zollvereinsstaaten
erforderlich, und zwar derart, daß diese Zustimmung als nothwendige und
diplomatische Folge die Anerkennung des Königreichs Italien von Seiten
sämmtlicher Staaten einschließe. Italien wußte, daß in merkantilen und
industriellen Kreisen Deutschlands das Verlangen nach dem Abschluß des Ver¬
trags mit Italien lebhaft geäußert wurde; wie ungern auch die Regierungen
sich entschließen mochten, das Ende konnte nicht zweifelhaft sein, und dies


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[0394] die mit Frankreich und Belgien abgeschlossenen, so hoffte Preußen eben durch jenen Vertrag den anderweitigen Widerstand zu überwinden und die Zustim¬ mung zur Erneuerung des Zollvereins leichter zu erlangen. Diese wurde um die Mitte 1864 noch von Baiern. Würtemberg, Nassau, Hessen-Darmstadt und Luxemburg verweigert. Die Verhandlungen zwischen Preußen und Italien hatten im Mai 1864 begonnen, und Anfangs August wurde der Graf de Launay in Berlin ermäch¬ tigt, einen dem französischen und belgischen analogen Vertrag zu unterzeich¬ nen. Unerwarteterweise antwortete Preußen jetzt ausweichend; sei es, daß es zur Zeit des Friedensschlusses mit Dänemark alles vermeiden wollte, was die Intimität mit Oestreich stören konnte, sei es, daß inzwischen die widerstreben¬ den deutschen Staaten ihren Beitritt zum neuen Zollverein bedingungslos in Aussicht stellten; — wirklich war Ende September die Zollvereinsconferenz wie¬ der vollständig beschickt, und am 12. October wurde der neue Zollvereins¬ vertrag abgeschlossen. Preußen hatte damit die Zeit versäumt, wo es auf eigene Faust den Vertrag mit Italien bewerkstelligen und zur Bedingung der Wiederherstellung des Zollvereins machen konnte; wurden später die Ver¬ handlungen wieder aufgenommen, so konnte Preußen nur im Namen und vorbehaltlich der Ratification aller anderen Staaten abschließen. Im Mai 1865 äußerte die preußische Negierung den Wunsch, die Ver¬ handlungen wegen eines Handelsvertrages mit Italien wieder aufzunehmen, der sich sodann auf den ganzen Zollverein erstrecken könnte, sobald zwischen Ita¬ lien und denjenigen deutschen Staaten, welche das Königreich nicht anerkann¬ ten, ein moäus vivencii gefunden wäre. Die italienische Regierung legte sich nunmehr angesichts des beginnenden Zwistes über die Herzogthümer die Frage vor, ob die vermehrten Schwierigkeiten für den Abschluß eines Vertrags mit dem Zollverein nicht im Gegentheil ein für Italien günstiger Umstand seien, geeignet mit Preußen in engere Beziehungen zu treten und den An¬ tagonismus zwischen den beiden deutschen Großmächten zu erweitern. Das Ministerium beeilte sich, der Einladung zu entsprechen und erklärte sich zur Wiederaufnahme der Verhandlungen bereit, jedoch unter folgenden Beding¬ ungen: 1. für den Abschluß eines Handelsvertrags mit dem ganzen Zoll¬ verein genüge Italien die Unterschrift Preußens allein; 2. aber für die Aus¬ führung des Vertrags sei die Zustimmung der anderen Zollvereinsstaaten erforderlich, und zwar derart, daß diese Zustimmung als nothwendige und diplomatische Folge die Anerkennung des Königreichs Italien von Seiten sämmtlicher Staaten einschließe. Italien wußte, daß in merkantilen und industriellen Kreisen Deutschlands das Verlangen nach dem Abschluß des Ver¬ trags mit Italien lebhaft geäußert wurde; wie ungern auch die Regierungen sich entschließen mochten, das Ende konnte nicht zweifelhaft sein, und dies

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/394>, abgerufen am 04.07.2024.