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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Prinz und die Kronprinzessin von Preußen durch Mailand kamen, machte
Prinz Humbert vergeblich den freundschaftlichen Versuch sie aufzuhalten. Auf
ausdrücklichen Befehl reiste das kronprinzliche Paar unmittelbar nach Verona,
wo es einem großen Manöver beiwohnte, das Benedek zu seinen Ehren veran¬
staltete, und wo in demonstrativer Weise Freundlichkeiten ausgetauscht wurden.
In Florenz war man verstimmt und machte kein Hehl daraus.

Dennoch trat nun die Möglichkeit eines Kampfes zwischen Oestreich und
Preußen um die Herrschaft in Deutschland näher, und wenn sich die italieni¬
schen Staatsmänner an das Jahr 1830 erinnerten, wo Preußen im letzten
Augenblicke das gezückte Schwert wieder in die Scheide steckte, so mußten sie
andererseits sich sagen, daß dieser Kampf, sei es früher oder später, in der
Logik der Geschichte begründet war. Bestand doch unläugbar eine merkwür¬
dige Analogie zwischen den Geschicken der italienischen und der deutschen
Nation, des Hauses Savoyen und des Hauses Hohenzollern. Und während
jetzt im Rath der preußischen Krone ein entschlossener Staatsmann saß, der
frei von den ihn umgebenden Vorurtheilen bezüglich Italiens war, so traf es
sich andererseits, daß der italienische Ministerpräsident einer der sehr wenigen
Italiener war, welche Preußens staatliche Stärke und militärische Organisation
gründlich und mit Vorliebe studirt hatten. Dies war um so wichtiger, weil
auch in Italien lange die Meinung vorherrschte, die preußische Macht sei
mehr Schein als Wirklichkeit und werde dem ersten Anprall Oestreichs nicht
gewachsen sein; diese Meinung war so tiefgewurzelt, daß noch später, als die
ersten Anzeichen einer Allianz mit Preußen in die Oeffentlichkeit drangen, viele
politische und militärische Persönlichkeiten in Italien sowie auswärtige Freunde
Italiens den General Lamarmora und dessen Vertraute beschworen, sich vor dem
Bündniß mit einer Macht zu hüten, die nicht verhindern könne, daß schlie߬
lich die östreichischen Streitkräfte mit aller Macht über Italien herfallen wür-
den: während gleichzeitig die demokratischen Journale, in ein Horn mit denen
der deutschen Demokratie blasend, gegen einen Pact mit dem Grafen Bis-
Marck donnerten.

Die erste Gelegenheit, aus dem beginnenden Zwist der deutschen Gro߬
mächte Vortheil zu ziehen, bot Italien die Angelegenheit des Handelsver¬
trags. Im Anfang des Jahres 1864 hatte Preußen der italienischen Regie¬
rung die ersten Eröffnungen wegen eines Handelsvertrags gemacht, wie ein
solcher bereits mit Frankreich im Jahr 1862. mit Belgien im darauf folgen¬
den Jahr abgeschlossen worden war. Mit dem Jahre 1865 ging bekanntlich
die zwölfjährige Periode des Zollvereins zu Ende, und Preußen war entschlos¬
sen, nur auf Grundlage jener Handelsverträge den Zollverein mit seinen Ver¬
bündeten zu erneuern. Da ein Handelsvertrag, welcher Deutschland den
italienischen Markt eröffnete, bei weitem nicht auf den Widerspruch stieß, wie


Prinz und die Kronprinzessin von Preußen durch Mailand kamen, machte
Prinz Humbert vergeblich den freundschaftlichen Versuch sie aufzuhalten. Auf
ausdrücklichen Befehl reiste das kronprinzliche Paar unmittelbar nach Verona,
wo es einem großen Manöver beiwohnte, das Benedek zu seinen Ehren veran¬
staltete, und wo in demonstrativer Weise Freundlichkeiten ausgetauscht wurden.
In Florenz war man verstimmt und machte kein Hehl daraus.

Dennoch trat nun die Möglichkeit eines Kampfes zwischen Oestreich und
Preußen um die Herrschaft in Deutschland näher, und wenn sich die italieni¬
schen Staatsmänner an das Jahr 1830 erinnerten, wo Preußen im letzten
Augenblicke das gezückte Schwert wieder in die Scheide steckte, so mußten sie
andererseits sich sagen, daß dieser Kampf, sei es früher oder später, in der
Logik der Geschichte begründet war. Bestand doch unläugbar eine merkwür¬
dige Analogie zwischen den Geschicken der italienischen und der deutschen
Nation, des Hauses Savoyen und des Hauses Hohenzollern. Und während
jetzt im Rath der preußischen Krone ein entschlossener Staatsmann saß, der
frei von den ihn umgebenden Vorurtheilen bezüglich Italiens war, so traf es
sich andererseits, daß der italienische Ministerpräsident einer der sehr wenigen
Italiener war, welche Preußens staatliche Stärke und militärische Organisation
gründlich und mit Vorliebe studirt hatten. Dies war um so wichtiger, weil
auch in Italien lange die Meinung vorherrschte, die preußische Macht sei
mehr Schein als Wirklichkeit und werde dem ersten Anprall Oestreichs nicht
gewachsen sein; diese Meinung war so tiefgewurzelt, daß noch später, als die
ersten Anzeichen einer Allianz mit Preußen in die Oeffentlichkeit drangen, viele
politische und militärische Persönlichkeiten in Italien sowie auswärtige Freunde
Italiens den General Lamarmora und dessen Vertraute beschworen, sich vor dem
Bündniß mit einer Macht zu hüten, die nicht verhindern könne, daß schlie߬
lich die östreichischen Streitkräfte mit aller Macht über Italien herfallen wür-
den: während gleichzeitig die demokratischen Journale, in ein Horn mit denen
der deutschen Demokratie blasend, gegen einen Pact mit dem Grafen Bis-
Marck donnerten.

Die erste Gelegenheit, aus dem beginnenden Zwist der deutschen Gro߬
mächte Vortheil zu ziehen, bot Italien die Angelegenheit des Handelsver¬
trags. Im Anfang des Jahres 1864 hatte Preußen der italienischen Regie¬
rung die ersten Eröffnungen wegen eines Handelsvertrags gemacht, wie ein
solcher bereits mit Frankreich im Jahr 1862. mit Belgien im darauf folgen¬
den Jahr abgeschlossen worden war. Mit dem Jahre 1865 ging bekanntlich
die zwölfjährige Periode des Zollvereins zu Ende, und Preußen war entschlos¬
sen, nur auf Grundlage jener Handelsverträge den Zollverein mit seinen Ver¬
bündeten zu erneuern. Da ein Handelsvertrag, welcher Deutschland den
italienischen Markt eröffnete, bei weitem nicht auf den Widerspruch stieß, wie


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[0393] Prinz und die Kronprinzessin von Preußen durch Mailand kamen, machte Prinz Humbert vergeblich den freundschaftlichen Versuch sie aufzuhalten. Auf ausdrücklichen Befehl reiste das kronprinzliche Paar unmittelbar nach Verona, wo es einem großen Manöver beiwohnte, das Benedek zu seinen Ehren veran¬ staltete, und wo in demonstrativer Weise Freundlichkeiten ausgetauscht wurden. In Florenz war man verstimmt und machte kein Hehl daraus. Dennoch trat nun die Möglichkeit eines Kampfes zwischen Oestreich und Preußen um die Herrschaft in Deutschland näher, und wenn sich die italieni¬ schen Staatsmänner an das Jahr 1830 erinnerten, wo Preußen im letzten Augenblicke das gezückte Schwert wieder in die Scheide steckte, so mußten sie andererseits sich sagen, daß dieser Kampf, sei es früher oder später, in der Logik der Geschichte begründet war. Bestand doch unläugbar eine merkwür¬ dige Analogie zwischen den Geschicken der italienischen und der deutschen Nation, des Hauses Savoyen und des Hauses Hohenzollern. Und während jetzt im Rath der preußischen Krone ein entschlossener Staatsmann saß, der frei von den ihn umgebenden Vorurtheilen bezüglich Italiens war, so traf es sich andererseits, daß der italienische Ministerpräsident einer der sehr wenigen Italiener war, welche Preußens staatliche Stärke und militärische Organisation gründlich und mit Vorliebe studirt hatten. Dies war um so wichtiger, weil auch in Italien lange die Meinung vorherrschte, die preußische Macht sei mehr Schein als Wirklichkeit und werde dem ersten Anprall Oestreichs nicht gewachsen sein; diese Meinung war so tiefgewurzelt, daß noch später, als die ersten Anzeichen einer Allianz mit Preußen in die Oeffentlichkeit drangen, viele politische und militärische Persönlichkeiten in Italien sowie auswärtige Freunde Italiens den General Lamarmora und dessen Vertraute beschworen, sich vor dem Bündniß mit einer Macht zu hüten, die nicht verhindern könne, daß schlie߬ lich die östreichischen Streitkräfte mit aller Macht über Italien herfallen wür- den: während gleichzeitig die demokratischen Journale, in ein Horn mit denen der deutschen Demokratie blasend, gegen einen Pact mit dem Grafen Bis- Marck donnerten. Die erste Gelegenheit, aus dem beginnenden Zwist der deutschen Gro߬ mächte Vortheil zu ziehen, bot Italien die Angelegenheit des Handelsver¬ trags. Im Anfang des Jahres 1864 hatte Preußen der italienischen Regie¬ rung die ersten Eröffnungen wegen eines Handelsvertrags gemacht, wie ein solcher bereits mit Frankreich im Jahr 1862. mit Belgien im darauf folgen¬ den Jahr abgeschlossen worden war. Mit dem Jahre 1865 ging bekanntlich die zwölfjährige Periode des Zollvereins zu Ende, und Preußen war entschlos¬ sen, nur auf Grundlage jener Handelsverträge den Zollverein mit seinen Ver¬ bündeten zu erneuern. Da ein Handelsvertrag, welcher Deutschland den italienischen Markt eröffnete, bei weitem nicht auf den Widerspruch stieß, wie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/393>, abgerufen am 04.07.2024.