Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.Norddeutschlands sie aufzuweisen hat. Und im Kranze dieser Landschaft er¬ Völlig verschieden von der Altstadt*) mit ihren ragenden Thürmen und -) Als für die Handelsmarine besonders wichtig in dieser großen über 90,000 Einwohner
zählenden Stadt ist namentlich die Navigationsschule hervorzuheben, außer denen zu Memel, Grabow-Stettin und Stralsund die einzige in Preußen: das gelbe Gebäude, das fie beher¬ bergt, macht sich weithin durch seinen einer Sternwarte ähnlich sehenden Observationsthurm kenntlich. Außerdem fällt hier wie in Prag besonders die vielfache Benutzung ehemals geistlicher Gebäude zu weltlichen Zwecken auf. Norddeutschlands sie aufzuweisen hat. Und im Kranze dieser Landschaft er¬ Völlig verschieden von der Altstadt*) mit ihren ragenden Thürmen und -) Als für die Handelsmarine besonders wichtig in dieser großen über 90,000 Einwohner
zählenden Stadt ist namentlich die Navigationsschule hervorzuheben, außer denen zu Memel, Grabow-Stettin und Stralsund die einzige in Preußen: das gelbe Gebäude, das fie beher¬ bergt, macht sich weithin durch seinen einer Sternwarte ähnlich sehenden Observationsthurm kenntlich. Außerdem fällt hier wie in Prag besonders die vielfache Benutzung ehemals geistlicher Gebäude zu weltlichen Zwecken auf. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0348" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/287060"/> <p xml:id="ID_891" prev="#ID_890"> Norddeutschlands sie aufzuweisen hat. Und im Kranze dieser Landschaft er¬<lb/> hebt sich links von der Mottlau, zwischen dieser und den stolzen Höhen der<lb/> Forts eingezwängt, eine Stadt, die an alterthümlicher Schönheit, an hohem<lb/> historischen Interesse, das in jeder Einzelheit der äußeren Erscheinung ver¬<lb/> körpert ist, keiner andern in Deutschland etwas nachgibt; alle Perspectiven<lb/> haben einen Reichthum und eine Mannichfaltigkeit in der Schönheit, die<lb/> selbst Nürnberg hinter sich läßt. Die hohen, geschnörkelten alten Giebel-<lb/> faxaden der stolzen Patricierhäuser, wie sie nicht blos am Langenmarkt sich<lb/> zusammendrängen, der an Prag erinnernde Reichthum an kunstvollen herr¬<lb/> lichen Thürmen und prächtigen Thoren, deren wuchtige Masse durch zahl¬<lb/> lose Thürmchen und Erker verschönert wird, die Straßen, die vermöge ihrer<lb/> Windungen stets die Giebel einer Seite voll zu Schau bieten, in freundlicher<lb/> Abwechslung mit den grünen Laubkronen einzelner alter Bäume und den<lb/> gebrochenen Linien zahlloser „Beischläge" und „Vorbaue" vor den Häusern,<lb/> und die stets mit dem prachtvollen Bilde eines der stolzen Thore abschließen<lb/> oder den Durchblick auf das Mastengewirr der Seeschiffe eröffnen — Alles<lb/> das sind Eigenthümlichkeiten, welche die Wiege der preußischen Marine dem<lb/> Auge des Beschauers in bezaubernden Glänze erscheinen lassen. Und dann<lb/> das bunte Gewimmel auf den Straßen mit seiner Mischung der verschieden¬<lb/> sten Trachten, wie sie der Süden nicht reicher aufzuweisen hat, das polnische<lb/> Element der Land- und Strombevölkerung, das uns stets vor Augen führt,<lb/> wie Danzig eigentlich die Metropole des polnischen Seehandels am Haupt¬<lb/> strom Polens ist und noch mehr war, — dazwischen die knappe schmucke Tracht<lb/> der preußischen Soldaten mit den leuchtenden weißen Achselklappen oder des<lb/> schwarzen Husaren mit seinem Todtenkopf, dann wieder die Schwärme fremd¬<lb/> artig aussehender Matrosen von den Handelsschiffen des Auslands — es ist<lb/> ein Leben und Treiben, das den ernsten Interessen die hier gepflegt werden,<lb/> anmuthigen Schimmer verleiht.</p><lb/> <p xml:id="ID_892" next="#ID_893"> Völlig verschieden von der Altstadt*) mit ihren ragenden Thürmen und<lb/> Thoren, ihrem Artushof, ihrem Rathhaus und dem stolzen Hallenbau ihrer<lb/> mächtigen Marienkirche, ihrer Schwarzmünster- (Dominicaner-) und Wei߬<lb/> münster- (Carmeliter-) Kirche und den anderen zahlreichen Genossinnen —<lb/> völlig verschieden von diesem historisch interessantesten Theile Danzigs ist die<lb/> „Speicherinsel" in der Mottlau, mit ihren langen, an Bremens Stromfront<lb/> erinnernden Giebelfasaden unzähliger Magazine, und ebenso verschieden ist</p><lb/> <note xml:id="FID_30" place="foot"> -) Als für die Handelsmarine besonders wichtig in dieser großen über 90,000 Einwohner<lb/> zählenden Stadt ist namentlich die Navigationsschule hervorzuheben, außer denen zu Memel,<lb/> Grabow-Stettin und Stralsund die einzige in Preußen: das gelbe Gebäude, das fie beher¬<lb/> bergt, macht sich weithin durch seinen einer Sternwarte ähnlich sehenden Observationsthurm<lb/> kenntlich. Außerdem fällt hier wie in Prag besonders die vielfache Benutzung ehemals geistlicher<lb/> Gebäude zu weltlichen Zwecken auf.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0348]
Norddeutschlands sie aufzuweisen hat. Und im Kranze dieser Landschaft er¬
hebt sich links von der Mottlau, zwischen dieser und den stolzen Höhen der
Forts eingezwängt, eine Stadt, die an alterthümlicher Schönheit, an hohem
historischen Interesse, das in jeder Einzelheit der äußeren Erscheinung ver¬
körpert ist, keiner andern in Deutschland etwas nachgibt; alle Perspectiven
haben einen Reichthum und eine Mannichfaltigkeit in der Schönheit, die
selbst Nürnberg hinter sich läßt. Die hohen, geschnörkelten alten Giebel-
faxaden der stolzen Patricierhäuser, wie sie nicht blos am Langenmarkt sich
zusammendrängen, der an Prag erinnernde Reichthum an kunstvollen herr¬
lichen Thürmen und prächtigen Thoren, deren wuchtige Masse durch zahl¬
lose Thürmchen und Erker verschönert wird, die Straßen, die vermöge ihrer
Windungen stets die Giebel einer Seite voll zu Schau bieten, in freundlicher
Abwechslung mit den grünen Laubkronen einzelner alter Bäume und den
gebrochenen Linien zahlloser „Beischläge" und „Vorbaue" vor den Häusern,
und die stets mit dem prachtvollen Bilde eines der stolzen Thore abschließen
oder den Durchblick auf das Mastengewirr der Seeschiffe eröffnen — Alles
das sind Eigenthümlichkeiten, welche die Wiege der preußischen Marine dem
Auge des Beschauers in bezaubernden Glänze erscheinen lassen. Und dann
das bunte Gewimmel auf den Straßen mit seiner Mischung der verschieden¬
sten Trachten, wie sie der Süden nicht reicher aufzuweisen hat, das polnische
Element der Land- und Strombevölkerung, das uns stets vor Augen führt,
wie Danzig eigentlich die Metropole des polnischen Seehandels am Haupt¬
strom Polens ist und noch mehr war, — dazwischen die knappe schmucke Tracht
der preußischen Soldaten mit den leuchtenden weißen Achselklappen oder des
schwarzen Husaren mit seinem Todtenkopf, dann wieder die Schwärme fremd¬
artig aussehender Matrosen von den Handelsschiffen des Auslands — es ist
ein Leben und Treiben, das den ernsten Interessen die hier gepflegt werden,
anmuthigen Schimmer verleiht.
Völlig verschieden von der Altstadt*) mit ihren ragenden Thürmen und
Thoren, ihrem Artushof, ihrem Rathhaus und dem stolzen Hallenbau ihrer
mächtigen Marienkirche, ihrer Schwarzmünster- (Dominicaner-) und Wei߬
münster- (Carmeliter-) Kirche und den anderen zahlreichen Genossinnen —
völlig verschieden von diesem historisch interessantesten Theile Danzigs ist die
„Speicherinsel" in der Mottlau, mit ihren langen, an Bremens Stromfront
erinnernden Giebelfasaden unzähliger Magazine, und ebenso verschieden ist
-) Als für die Handelsmarine besonders wichtig in dieser großen über 90,000 Einwohner
zählenden Stadt ist namentlich die Navigationsschule hervorzuheben, außer denen zu Memel,
Grabow-Stettin und Stralsund die einzige in Preußen: das gelbe Gebäude, das fie beher¬
bergt, macht sich weithin durch seinen einer Sternwarte ähnlich sehenden Observationsthurm
kenntlich. Außerdem fällt hier wie in Prag besonders die vielfache Benutzung ehemals geistlicher
Gebäude zu weltlichen Zwecken auf.
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