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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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norddeutsche Kriegshafen.
7. Danzig.

Von allen übrigen Punkten der Ostsee, die für unsere Marine von In¬
teresse sind, führen wir nach der Schilderung des maritimen Mittelpunktes
Kiel unseren Lesern nur noch denjenigen vor, an welchem sich bisher die
Preußische Marine entwickelt hat und der als solcher ein bedeutenderes histo¬
risches Interesse besitzt, wie er auch künftig stets ein Constructionshafen für
Holzkriegsschiffe bis zur Größe der gedeckten Corvetten bleiben wird: es ist
Danzig mit der bisher einzigen königlichen Werft.

Das Delta der Weichsel, die weite, flache danziger Niederung, wird
auf seiner Westseite durch ein Plateau mit steilem Abfall nach dem Strome zu
begrenzt: und an dem Fuß dieser Höhen, rechts und links von einem von
Westen einströmenden kleinen Niederungsflusse, der Mottlau, also zwischen
dem eigentlichen Stromlauf der Weichsel und ihren Uferhöhen, liegt die
alte Seestadt Gdansk oder Danzig, wenig über eine Meile von der See
entfernt, und zugleich nahe der Mündung der Mottlau in den Westarm des
großen Weichselstroms. In Hinsicht landschaftlicher Schönheit ist diese Lage
ganz prachtvoll, so schön wie bei keiner anderen Seestadt von ganz Deutsch¬
land. Im Osten das weite grüne Wiesen - und Bruchland der Niederung
(plattdeutsch Neerung), im Süden ein Meer von üppigen Gärten, aus deren
Laubkronen die Gebäude kaum herauszuschauen vermögen, im Westen der schroff
und steil abfallende Rand der Höhen mit den Befestigungen des Hagelsbergs,
des Bischofsbergs und der Jesuiterhöhe, deren dräuende Schießscharten und
scharf gerissene Konturen aus den dichten Baumkronen der Glacis malerisch
hervorblicken und dominirend auf das Häusermeer herniederschauen, noch viel
stolzer und unmittelbarer als etwa bei Namur; im Norden endlich die weite
grüne Ebene mit dem Stromlauf der Weichsel und den malerischen Take¬
lagen zahlreicher Seeschiffe darauf, mit Neufahrwasser und den Festungs¬
werken von Weichselmünde, mit dem gartenreichen berühmten Oliva und der
uralten vierfachen Lindenallee nach Langfuhr, Oliva und den Ortschaften am
Fuß des lieblichen Karlsberges, von dem das Auge weit in die blaue See
bis gen Hela hinausschaut -- eine Umgebung, wie kaum eine andere Stadt


Grenzboten III. 1868. 41
norddeutsche Kriegshafen.
7. Danzig.

Von allen übrigen Punkten der Ostsee, die für unsere Marine von In¬
teresse sind, führen wir nach der Schilderung des maritimen Mittelpunktes
Kiel unseren Lesern nur noch denjenigen vor, an welchem sich bisher die
Preußische Marine entwickelt hat und der als solcher ein bedeutenderes histo¬
risches Interesse besitzt, wie er auch künftig stets ein Constructionshafen für
Holzkriegsschiffe bis zur Größe der gedeckten Corvetten bleiben wird: es ist
Danzig mit der bisher einzigen königlichen Werft.

Das Delta der Weichsel, die weite, flache danziger Niederung, wird
auf seiner Westseite durch ein Plateau mit steilem Abfall nach dem Strome zu
begrenzt: und an dem Fuß dieser Höhen, rechts und links von einem von
Westen einströmenden kleinen Niederungsflusse, der Mottlau, also zwischen
dem eigentlichen Stromlauf der Weichsel und ihren Uferhöhen, liegt die
alte Seestadt Gdansk oder Danzig, wenig über eine Meile von der See
entfernt, und zugleich nahe der Mündung der Mottlau in den Westarm des
großen Weichselstroms. In Hinsicht landschaftlicher Schönheit ist diese Lage
ganz prachtvoll, so schön wie bei keiner anderen Seestadt von ganz Deutsch¬
land. Im Osten das weite grüne Wiesen - und Bruchland der Niederung
(plattdeutsch Neerung), im Süden ein Meer von üppigen Gärten, aus deren
Laubkronen die Gebäude kaum herauszuschauen vermögen, im Westen der schroff
und steil abfallende Rand der Höhen mit den Befestigungen des Hagelsbergs,
des Bischofsbergs und der Jesuiterhöhe, deren dräuende Schießscharten und
scharf gerissene Konturen aus den dichten Baumkronen der Glacis malerisch
hervorblicken und dominirend auf das Häusermeer herniederschauen, noch viel
stolzer und unmittelbarer als etwa bei Namur; im Norden endlich die weite
grüne Ebene mit dem Stromlauf der Weichsel und den malerischen Take¬
lagen zahlreicher Seeschiffe darauf, mit Neufahrwasser und den Festungs¬
werken von Weichselmünde, mit dem gartenreichen berühmten Oliva und der
uralten vierfachen Lindenallee nach Langfuhr, Oliva und den Ortschaften am
Fuß des lieblichen Karlsberges, von dem das Auge weit in die blaue See
bis gen Hela hinausschaut — eine Umgebung, wie kaum eine andere Stadt


Grenzboten III. 1868. 41
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[0347] norddeutsche Kriegshafen. 7. Danzig. Von allen übrigen Punkten der Ostsee, die für unsere Marine von In¬ teresse sind, führen wir nach der Schilderung des maritimen Mittelpunktes Kiel unseren Lesern nur noch denjenigen vor, an welchem sich bisher die Preußische Marine entwickelt hat und der als solcher ein bedeutenderes histo¬ risches Interesse besitzt, wie er auch künftig stets ein Constructionshafen für Holzkriegsschiffe bis zur Größe der gedeckten Corvetten bleiben wird: es ist Danzig mit der bisher einzigen königlichen Werft. Das Delta der Weichsel, die weite, flache danziger Niederung, wird auf seiner Westseite durch ein Plateau mit steilem Abfall nach dem Strome zu begrenzt: und an dem Fuß dieser Höhen, rechts und links von einem von Westen einströmenden kleinen Niederungsflusse, der Mottlau, also zwischen dem eigentlichen Stromlauf der Weichsel und ihren Uferhöhen, liegt die alte Seestadt Gdansk oder Danzig, wenig über eine Meile von der See entfernt, und zugleich nahe der Mündung der Mottlau in den Westarm des großen Weichselstroms. In Hinsicht landschaftlicher Schönheit ist diese Lage ganz prachtvoll, so schön wie bei keiner anderen Seestadt von ganz Deutsch¬ land. Im Osten das weite grüne Wiesen - und Bruchland der Niederung (plattdeutsch Neerung), im Süden ein Meer von üppigen Gärten, aus deren Laubkronen die Gebäude kaum herauszuschauen vermögen, im Westen der schroff und steil abfallende Rand der Höhen mit den Befestigungen des Hagelsbergs, des Bischofsbergs und der Jesuiterhöhe, deren dräuende Schießscharten und scharf gerissene Konturen aus den dichten Baumkronen der Glacis malerisch hervorblicken und dominirend auf das Häusermeer herniederschauen, noch viel stolzer und unmittelbarer als etwa bei Namur; im Norden endlich die weite grüne Ebene mit dem Stromlauf der Weichsel und den malerischen Take¬ lagen zahlreicher Seeschiffe darauf, mit Neufahrwasser und den Festungs¬ werken von Weichselmünde, mit dem gartenreichen berühmten Oliva und der uralten vierfachen Lindenallee nach Langfuhr, Oliva und den Ortschaften am Fuß des lieblichen Karlsberges, von dem das Auge weit in die blaue See bis gen Hela hinausschaut — eine Umgebung, wie kaum eine andere Stadt Grenzboten III. 1868. 41

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/347>, abgerufen am 04.07.2024.