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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band.

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Stadträthe, ein alter und ein neuer, jeder aus zwei Rathsmeistern und zehn
Consuln bestehend und auf zwei Jahre gewählt, 1336 sogar drei Stadt¬
räthe, aus 36 Gliedern bestehend und auf drei Jahre gewählt, woraus sich
ein Mitwirken der niederen Klassen bei wichtigern Angelegenheiten ergibt.*)
Wir sehen demnach in Eschwege, daß Wohlstand und Bildung in derselben
allgemeiner wurde und Ausdruck in den politischen Rechten begehrte. Ge¬
werbe und Handel aber bildete von Anfang an überall das eigentliche Lebens¬
element der Städte und so führten die sogenannten Zunstbewegungen nur
einen natürlichen Abschluß der städtischen Verfassung herbei. Mit der Er¬
starkung dieses neuen demokratischen Elementes zog sich die Ritterschaft wieder
mehr aufs Land zurück; auch Patricier verlassen die Stadt, treten jedoch
größtentheils in den inmittelst umgeformten Bürgerstand ein und verlieren
ihre frühern Standesvorrechte. Der Begriff der Bürgerschaft ist durch Ein¬
tritt der Handwerker ein ganz anderer geworden, nur wurde dadurch weni¬
ger die städtische Verfassung als die Standesverhältnisse alterirt. -- Und
noch ein anderer Factor steigert die Geltung der Handwerker und Zünfte
im städtischen Regiments: Zur Bestreitung ihres Haushaltes bedurften die
Städte seit dem Ende des 13. Jahrhundert überall vermehrter Abgaben und
der Druck derselben ruhte vorzugsweise auf den Niederen, die ihn um so
härter empfanden, da sie bei der Verwendung der Einkünfte nicht mit sprechen
durften. Daher überall Beschwerden der Handwerker, daß der Rath die Ein¬
künfte zu seinem Privatnutzen verwende. So wie nun auf der einen Seite
durch Handel und gewerbliches Leben die Handwerker und Zünfte größere
Bedeutung erlangt und aus diesen mit Aufnahme des Patriciats ein neues
Bürgerthum sich gestaltet, auf der andern Seite aber die Landeshoheit der
Fürsten sich mehr und mehr ausgebildet hatte, so sehen wir in Eschwege
die Obmacht der Patricier allmählich verschwinden. Wir finden die Hand¬
werke und die Gemeinde seit 1386 durch zwei Vormünder vertreten, welche
jährlich von ihnen gewählt wurden und im Stadtrathe Sitz und Stimme
hatten. Patricier führen zuweilen den Titel "Herr", wie man die Mitglieder
des Raths auch nannte und bezeichnend genug ist der Name der Herrengasse,
welche die zur Werra führende Hauptstraße mit dem Markte und dem ehe¬
mals mit Burghäusern der Ritter besetzten Cyriaxberge verbindet.**)




*) Ja es erschienen bereits als Mitglieder des Stadtrathcs: Conrad Pistor (Bäcker) 1278.
Nembaldus Faber (Schmidt) 12S9, Otto genannt Murmeister. Tylo Pileator (Hutmacher)
1322, Günther Smee 1328, H-rbordus Lampex 1331 und Erhardt Messersmet 1348.
Eschweger Patricierfamilien sind die von Allendorf. von Baretos, von Burghöfen, von
Brausdorf, von Trauthausen, von Cappel, von Kreuzburg, von Diemeridc, von Gradenborn,
von Gebäu, von Rente, von Rotenburg. von Rambach, von Contra, von Dünzcbach, von
Virbach, von Wanfried, von Wichmannshausm ze. -- alles Orte in der Umgegend von Esch¬
wege, -- die Engelbert, Flemming, Herold, Hüter, Spcereisen, Steinhaus :c., von denen die
meisten ohne Zweifel alte Adelsgeschlechter waren.

Stadträthe, ein alter und ein neuer, jeder aus zwei Rathsmeistern und zehn
Consuln bestehend und auf zwei Jahre gewählt, 1336 sogar drei Stadt¬
räthe, aus 36 Gliedern bestehend und auf drei Jahre gewählt, woraus sich
ein Mitwirken der niederen Klassen bei wichtigern Angelegenheiten ergibt.*)
Wir sehen demnach in Eschwege, daß Wohlstand und Bildung in derselben
allgemeiner wurde und Ausdruck in den politischen Rechten begehrte. Ge¬
werbe und Handel aber bildete von Anfang an überall das eigentliche Lebens¬
element der Städte und so führten die sogenannten Zunstbewegungen nur
einen natürlichen Abschluß der städtischen Verfassung herbei. Mit der Er¬
starkung dieses neuen demokratischen Elementes zog sich die Ritterschaft wieder
mehr aufs Land zurück; auch Patricier verlassen die Stadt, treten jedoch
größtentheils in den inmittelst umgeformten Bürgerstand ein und verlieren
ihre frühern Standesvorrechte. Der Begriff der Bürgerschaft ist durch Ein¬
tritt der Handwerker ein ganz anderer geworden, nur wurde dadurch weni¬
ger die städtische Verfassung als die Standesverhältnisse alterirt. — Und
noch ein anderer Factor steigert die Geltung der Handwerker und Zünfte
im städtischen Regiments: Zur Bestreitung ihres Haushaltes bedurften die
Städte seit dem Ende des 13. Jahrhundert überall vermehrter Abgaben und
der Druck derselben ruhte vorzugsweise auf den Niederen, die ihn um so
härter empfanden, da sie bei der Verwendung der Einkünfte nicht mit sprechen
durften. Daher überall Beschwerden der Handwerker, daß der Rath die Ein¬
künfte zu seinem Privatnutzen verwende. So wie nun auf der einen Seite
durch Handel und gewerbliches Leben die Handwerker und Zünfte größere
Bedeutung erlangt und aus diesen mit Aufnahme des Patriciats ein neues
Bürgerthum sich gestaltet, auf der andern Seite aber die Landeshoheit der
Fürsten sich mehr und mehr ausgebildet hatte, so sehen wir in Eschwege
die Obmacht der Patricier allmählich verschwinden. Wir finden die Hand¬
werke und die Gemeinde seit 1386 durch zwei Vormünder vertreten, welche
jährlich von ihnen gewählt wurden und im Stadtrathe Sitz und Stimme
hatten. Patricier führen zuweilen den Titel „Herr", wie man die Mitglieder
des Raths auch nannte und bezeichnend genug ist der Name der Herrengasse,
welche die zur Werra führende Hauptstraße mit dem Markte und dem ehe¬
mals mit Burghäusern der Ritter besetzten Cyriaxberge verbindet.**)




*) Ja es erschienen bereits als Mitglieder des Stadtrathcs: Conrad Pistor (Bäcker) 1278.
Nembaldus Faber (Schmidt) 12S9, Otto genannt Murmeister. Tylo Pileator (Hutmacher)
1322, Günther Smee 1328, H-rbordus Lampex 1331 und Erhardt Messersmet 1348.
Eschweger Patricierfamilien sind die von Allendorf. von Baretos, von Burghöfen, von
Brausdorf, von Trauthausen, von Cappel, von Kreuzburg, von Diemeridc, von Gradenborn,
von Gebäu, von Rente, von Rotenburg. von Rambach, von Contra, von Dünzcbach, von
Virbach, von Wanfried, von Wichmannshausm ze. — alles Orte in der Umgegend von Esch¬
wege, — die Engelbert, Flemming, Herold, Hüter, Spcereisen, Steinhaus :c., von denen die
meisten ohne Zweifel alte Adelsgeschlechter waren.
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[0330] Stadträthe, ein alter und ein neuer, jeder aus zwei Rathsmeistern und zehn Consuln bestehend und auf zwei Jahre gewählt, 1336 sogar drei Stadt¬ räthe, aus 36 Gliedern bestehend und auf drei Jahre gewählt, woraus sich ein Mitwirken der niederen Klassen bei wichtigern Angelegenheiten ergibt.*) Wir sehen demnach in Eschwege, daß Wohlstand und Bildung in derselben allgemeiner wurde und Ausdruck in den politischen Rechten begehrte. Ge¬ werbe und Handel aber bildete von Anfang an überall das eigentliche Lebens¬ element der Städte und so führten die sogenannten Zunstbewegungen nur einen natürlichen Abschluß der städtischen Verfassung herbei. Mit der Er¬ starkung dieses neuen demokratischen Elementes zog sich die Ritterschaft wieder mehr aufs Land zurück; auch Patricier verlassen die Stadt, treten jedoch größtentheils in den inmittelst umgeformten Bürgerstand ein und verlieren ihre frühern Standesvorrechte. Der Begriff der Bürgerschaft ist durch Ein¬ tritt der Handwerker ein ganz anderer geworden, nur wurde dadurch weni¬ ger die städtische Verfassung als die Standesverhältnisse alterirt. — Und noch ein anderer Factor steigert die Geltung der Handwerker und Zünfte im städtischen Regiments: Zur Bestreitung ihres Haushaltes bedurften die Städte seit dem Ende des 13. Jahrhundert überall vermehrter Abgaben und der Druck derselben ruhte vorzugsweise auf den Niederen, die ihn um so härter empfanden, da sie bei der Verwendung der Einkünfte nicht mit sprechen durften. Daher überall Beschwerden der Handwerker, daß der Rath die Ein¬ künfte zu seinem Privatnutzen verwende. So wie nun auf der einen Seite durch Handel und gewerbliches Leben die Handwerker und Zünfte größere Bedeutung erlangt und aus diesen mit Aufnahme des Patriciats ein neues Bürgerthum sich gestaltet, auf der andern Seite aber die Landeshoheit der Fürsten sich mehr und mehr ausgebildet hatte, so sehen wir in Eschwege die Obmacht der Patricier allmählich verschwinden. Wir finden die Hand¬ werke und die Gemeinde seit 1386 durch zwei Vormünder vertreten, welche jährlich von ihnen gewählt wurden und im Stadtrathe Sitz und Stimme hatten. Patricier führen zuweilen den Titel „Herr", wie man die Mitglieder des Raths auch nannte und bezeichnend genug ist der Name der Herrengasse, welche die zur Werra führende Hauptstraße mit dem Markte und dem ehe¬ mals mit Burghäusern der Ritter besetzten Cyriaxberge verbindet.**) *) Ja es erschienen bereits als Mitglieder des Stadtrathcs: Conrad Pistor (Bäcker) 1278. Nembaldus Faber (Schmidt) 12S9, Otto genannt Murmeister. Tylo Pileator (Hutmacher) 1322, Günther Smee 1328, H-rbordus Lampex 1331 und Erhardt Messersmet 1348. Eschweger Patricierfamilien sind die von Allendorf. von Baretos, von Burghöfen, von Brausdorf, von Trauthausen, von Cappel, von Kreuzburg, von Diemeridc, von Gradenborn, von Gebäu, von Rente, von Rotenburg. von Rambach, von Contra, von Dünzcbach, von Virbach, von Wanfried, von Wichmannshausm ze. — alles Orte in der Umgegend von Esch¬ wege, — die Engelbert, Flemming, Herold, Hüter, Spcereisen, Steinhaus :c., von denen die meisten ohne Zweifel alte Adelsgeschlechter waren.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. I Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_286711/330>, abgerufen am 29.06.2024.